NSU-Prozess


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NSU-Prozess, 277. Verhandlungstag Bundesanwaltschaft will V-Mann nicht als Zeugen befragen lassen

Haben Uwe Mundlos und Beate Zschäpe für einen Neonazi gearbeitet, der auch V-Mann war? Die Bundesanwaltschaft hält Zeugenbefragungen dazu im NSU-Prozess für nicht relevant.

Von: Tim Aßmann

Stand: 20.04.2016 | Archiv

Zeugenstand in einem Gerichtssaal im Landgericht Memmingen (Symbolfoto) | Bild: picture-alliance/dpa/Karl-Josef Hildenbrand

Der Zeuge in der ARD-Dokumentation "Der NSU-Komplex" war sich sicher: Der Rechtsterrorist Uwe Mundlos habe während seiner Zeit im Untergrund in der Baufirma eines Zwickauer Neonazis gearbeitet, erklärte der Zeuge, der damals Geschäftspartner der Firma war. Brisant daran: Der Firmenbesitzer Ralf Marschner war damals auch V-Mann des Bundesamtes für Verfassungsschutz. In einem Zwickauer Szeneladen, der ebenfalls Marschner gehörte, soll einer bereits bekannten Zeugenaussage zufolge auch Beate Zschäpe tätig gewesen sein. 

"Außer Gerüchten liegt nichts vor"

Bundesanwalt Herbert Diemer

Mehrere Opferanwälte im NSU-Prozess beantragten in der vergangenen Woche nun Ex-V-Mann Marschner als Zeugen zu laden. Doch ob es dazu kommt, ist unklar. Die Bundesanwaltschaft zumindest hält die Befragung für nicht relevant und erklärte heute, der Antrag sei abzulehnen. Die Tatsachen, die bewiesen werden sollten, seien für die Aufklärung, der im NSU-Prozess angeklagten Straftaten, ohne tatsächliche Bedeutung betonte Bundesanwalt Herbert Diemer. Es gäbe keine belastbaren Erkenntnisse für eine Beschäftigung von Uwe Mundlos oder Beate Zschäpe in den Firmen von Ralf Marschner, sagte Diemer. "Außer Gerüchten liegt nichts vor", erklärte der Bundesanwalt mit Blick darauf, dass die Firma von V-Mann-Marschner Autos angemietet hatte, als einer der Morde verübt wurde, die dem NSU zugerechnet werden.

Opferanwälte empört

Opferanwalt Sebastian Scharmer

Mehrere Nebenklageanwälte widersprachen der Sichtweise der Bundesanwaltschaft. Sie halten die Vernehmung von Marschner für zwingend notwendig. Darauf zu verzichten sei für ihn nicht nachvollziehbar erklärte Anwalt Sebastian Scharmer, der die Tochter des ermordeten Dortmunder Kioskbetreibers Kubasik als Nebenklägerin im Prozess vertritt. Die Befragung des Ex-V-Manns als Zeuge ist für Scharmer nötig, um zum Beispiel die Finanzierung des NSU im Untergrund aufzuklären. Scharmers Kollege Alexander Hoffmann erklärte, wenn Marschner nicht als Zeuge vernommen werde, käme das der Aufkündigung des Aufklärungsversprechens gleich. Dieses Versprechen hatte Bundeskanzlerin Merkel den Angehörigen der NSU-Opfer gegeben. Dass die Bundesanwaltschaft sich gegen die Zeugenladung des ehemaligen Verfassungsschutz-Informanten Marschner stellt, bezeichnete Nebenklageanwalt Hoffmann als "empörend". Er warf der Karlsruher Anklagebehörde vor zu blocken, um den Verfassungsschutz zu schützen. Ob Marschner als Zeuge geladen wird, muss nun das Gericht entscheiden.


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