NSU-Prozess


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275. Verhandlungstag, 13.4.2016 Ein Zeuge, der Angst hat auszusagen

Zuhälter, Waffenschieber, Drogenhändler - das alles war Jens L. bereits in seinem Leben. Als Zeuge im NSU-Prozess möchte er keine Angaben mehr machen. Das sei ihm zu gefährlich.

Von: Oliver Bendixen

Stand: 13.04.2016 | Archiv

Oliver Bendixen | Bild: Bayerischer Rundfunk

13 April

Mittwoch, 13. April 2016

Folgt man der Vita des Zeugen Jens L., dann hat er als Erwachsener unter Umständen mehr Jahre im Gefängnis verbracht als in Freiheit. Ihm mit Beugehaft zu drohen, weil er als Zeuge im NSU-Prozess keine Angaben mehr machen will, dürfte ziemlich sinnlos sein. Das hat heute - am 275.Verhandlungstag - auch der Vorsitzende Richter eingesehen, obwohl das Aussageverhalten des Zeugen mehr als provokativ war.

Wird der Zeuge bedroht?

Und vielleicht hat der Senatsvorsitzende auch ein Gespür dafür, dass der Mann auf dem Zeugenstuhl wirklich bedroht wird - von ehemaligen Bandenmitgliedern, mit denen er bis ins Jahr 2000 in Thüringen so ziemlich alles angestellt hat, was das Strafgesetzbuch hergibt. Das räumt der dafür mehrfach veurteilte Zeuge auch ein. Nur über mögliche Waffenlieferungen an das NSU-Trio will der Ex-Gangster nicht reden: "Ich habe eine vierjährige Tochter - das ist mir zu gefährlich!" Die Frage, ob ihm tatsächlich ein Zeugnisverweigerungsrecht gemäß der Strafprozessordnung zusteht, will Richter Götzl nicht mehr diskutiert wissen. Er lässt den Zeugen ziehen und wird nun wahrscheinlich Kriminalbeamte vernehmen lassen, die alle früheren Aussagen des Mannes protokolliert haben. 

Nebenkläger-Anwalt verlangt, dass weitere Zeugen befragt werden

In diesem kriminellem Milieu Thüringens hat auch Yavuz Narin recherchiert. Er vertritt als Anwalt der Nebenkläger eine der Opferfamilien in diesem Prozess vor dem Münchner Oberlandesgericht. Und Narin legt nach: Er verlas heute einen mehr als zehn Seiten langen Beweisantrag. Darin verlangt er die Befragung weiterer Zeugen aus der Unterwelt in Thüringen und aus der hessischen Rockerszene.

Nach seinen Nachforschungen gab es deutlich sichtbare Verbindungen von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt zu diesen Szenen. Und er will beweisen, dass Andreas Temme, der erst unter Verdacht und dann in die Schlagzeilen geratene hessische Verfassungsschützer, die beiden Uwes gekannt haben könnte - was der ja vehemnt abstreitet. Wie weit der Staatsschutzsenat bei der weiteren Beweisaufnahme diesem Antrag folgen will, werden wir in der kommenden Woche erfahren. Der morgige Prozesstag fällt erst einnmal aus. Bis es weitergeht, muss die Justiz gegen einen gestern gestellten Befangenheitsantrag der Verteidigung Wohlleben gegen das ganze Gericht entscheiden.


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