NSU-Prozess


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269. Verhandlungstag, 9.3.2016 Carsten S. belastet Wohlleben erneut schwer

Wer gab den Auftrag zur Beschaffung die Waffe, mit der neun Menschen ermordet wurden? Carsten S. belastete erneut Ralf Wohlleben. Wohlleben sei die steuernde Figur gewesen. Er habe auch das Geld für die Waffe beschafft, die Carsten S. für die drei untergetauchten Neonazis Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe besorgt hatte. Wie glaubwürdig ist diese Aussage?

Von: Ina Krauß

Stand: 09.03.2016 | Archiv

Ina Krauß | Bild: BR/Julia Müller

09 März

Mittwoch, 09. März 2016

Carsten S. hat Wohlleben in Sachen Glaubwürdigkeit einiges voraus. Er hatte bereits am fünften Verhandlungstag des NSU-Prozesses ausgesagt und zugegeben, die Ceska-Pistole besorgt zu haben, mit der acht türkischstämmige und ein griechischer Unternehmer ermordet wurden. Damals betonte er, im Auftrag von Wohlleben gehandelt zu haben. Und schon vor Prozessbeginn hatte S. mit den Ermittlungsbehörden kooperiert. Er befindet sich seitdem im Zeugenschutz. Wenn Kameras im Gerichtssaal sind, verbirgt der schlanke, 36-jährige Sozialpädagoge sein Gesicht hinter einer dunkelblauen Kapuze.

"Kapuzenmann" Carsten S. und sein Anwalt Jacob Hösl

Wohlleben widersprach der Aussage seines einstigen politischen Weggefährten - aber erst zweieinhalb Jahre später, als sich die Beweisaufnahme im NSU-Prozess bereits dem Ende zuneigte. Am 16. Dezember 2015, dem 251. Verhandlungstag, verlas er seine Aussage. Wohlleben bestritt, mit der Beschaffung von Waffen etwas zu tun gehabt zu haben. Carsten S. habe die Waffe eigenständig besorgt, auch mit der Geldbeschaffung habe er nichts zu tun gehabt. Das sei über Tino Brandt gelaufen, einst führender Neonazi in Thüringen und V-Mann des Verfassungsschutzes. Brandt sitzt derzeit im Gefängnis wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern.

Carsten S. wirkt sicherer als zu Prozessbeginn

"Das Geld habe ich von Wohlleben bekommen und da war kein Tino Brandt oder so involviert", stellte Carsten S. heute klar. Er las seine Aussage anfänglich von einem Zettel ab, wirkte leicht nervös. Aber dann sprach er mit fester Stimme und flüssig, antwortete auf Fragen direkt und bestimmt - nicht wie bei seiner Befragung am Anfang des Prozesses, bei der er unsicher wirkte, oft auswich und lange über seine Antworten nachdenken musste.

Es ginge seinem Mandanten darum, einigen Aussagen entgegenzutreten - um eine Klarstellung, sagte Jacob Hösl, Anwalt von S. Dieser betonte, er habe damals stets in Absprache mit Wohlleben gehandelt. Er schilderte ihn als die steuernde Figur. Die eigene Rolle beschrieb er als eine Art Mittelsmann zwischen Wohlleben und den drei untergetauchten Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe. Der Kontakt sei über konspirative Telefongespräche gelaufen.

Wege von Wohlleben und Carsten S. trennten sich

Carsten S. und Wohlleben waren einst politische Weggefährten. Sie engagierten sich zunächst in der freien Kameradschaftsszene in Jena und dann in der Thüringer NPD. Dann trennten sich ihre Wege. Wohlleben blieb seiner rechten Gesinnung treu - bis heute. Carsten S. stieg dagegen im Jahr 2000 aus der NPD und der rechten Szene aus. Er wollte seine Homosexualität offen leben und zog nach Düsseldorf, wo er als Sozialpädagoge in der AIDS-Beratung arbeitete.

Seit fast drei Jahren müssen sich die beiden im NSU-Prozess wegen Beihilfe an neun Morden verantworten. Wessen Aussage glaubwürdiger ist, wird am Ende das Gericht entscheiden.


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