NSU-Prozess


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NSU-Prozess, 255. Verhandlungstag Wohlleben redet viel und sagt wenig

"Das wäre spekulativ" - dieser Satz prägte die vergangenen Verhandlungstage im NSU-Prozess. Ralf Wohlleben sagte ihn immer dann, wenn er auf detaillierte Fragen des Vorsitzenden Richters nicht konkret antworten konnte - weil ihn, nach eigenen Angaben, sein Gedächtnis im Stich ließ.

Von: Tim Aßmann

Stand: 14.01.2016 | Archiv

Archivbild: Der Angeklagte Ralf Wohlleben kommt am 18.12.2013 in den Gerichtssaal des Oberlandesgerichts in München | Bild: picture-alliance/dpa

Die Fragen an Wohlleben betrafen fast ausschließlich den Zeitraum zwischen 1998 und 2001. Das ist lange her, dennoch nehmen viele Prozessbeteiligte dem Angeklagten Wohlleben die Erinnerungslücken nicht ab. Opferanwalt Sebastian Scharmer ist da keine Ausnahme.

"Er schilderte ja Situationen, an die er sich ganz genau vermeintlich erinnern konnte und wollte, die ihn in einem positiven Licht darstellen sollten und andere die negative Tatsachen begründen, die wollte er nicht erinnern - und das ist der Punkt, der die Aussage dann insgesamt unglaubhaft macht."

Sebastian Scharmer, Nebenklage-Anwalt

Auch am insgesamt dritten Tag seiner Befragung sprach Wohlleben selbst, seinen Antworten fehlte in der Sache aber oft die Substanz. Wohlleben räumte ein, das Neonazi-Trio Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe im Untergrund dreimal getroffen zu haben, nach den Lebensumständen seiner Freunde will er sich aber nie erkundigt haben. Den zentralen Vorwurf der Waffenbeschaffung bestritt Wohlleben erneut. Uwe Böhnhardt habe bei ihm zwar eine Pistole bestellt, erklärte der Ex-NPD-Funktionär nun im Gerichtssaal, er habe aber die Waffe nie ernsthaft liefern wollen, denn er sei davon ausgegangen, dass Böhnhardt die Pistole zum Selbstmord nutzen wollte.

Nebenklage bezweifelt Wohllebens Glaubwürdigkeit

Reportertagebuch

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Der Mitangeklagte Carsten S. beschaffte schließlich eine Waffe mit Schalldämpfer und zeigte sie Wohlleben. Der will zwar den Schalldämpfer aufgeschraubt, sich aber die Waffe nicht genau angeschaut haben. Nach Ansicht der Ermittler war es die Ceska-Pistole, mit der dann neun von zehn Morden begangen wurden, die dem NSU zur Last gelegt werden. Ralf Wohlleben bestreitet nicht, damals gewusst zu haben, dass die Pistole an Böhnhardt gehen sollte. Er verhinderte die Lieferung aber nicht, obwohl er doch angeblich dachte, dass sich sein Freund Böhnhardt damit das Leben nehmen wollte. Es sind Widersprüche wie dieser, die vor allem die Nebenklage-Anwälte wie Alexander Hoffmann an der Glaubwürdigkeit Wohllebens zweifeln lassen.

"Das ist natürlich Theater. Die Aussage, die wir hier gehört haben, ist konstruiert um die Beweisaufnahme von 250 Tagen. Wenn man sich die Ergebnisse der Beweisaufnahme nimmt und dann sagt, was kann ich gar nicht mehr bestreiten, wo kann ich vielleicht was einpassen, dann kommt halt so eine Aussage heraus."

Alexander Hoffmann, Nebenklage-Anwalt

Aussage gegen Aussage

Beim Punkt der Waffenbeschaffung steht weiter Aussage gegen Aussage. Der Mitangeklagte und Kronzeuge Carsten S. sagt, der Auftrag zum Pistolenkauf und das Geld kamen von Wohlleben. Der streitet das ab. Jacob Hösl, Verteidiger von Carsten S., wirkte dennoch nach dem Verhandlungstag sehr gelassen. Er hatte Wohlleben nur wenige Fragen gestellt.

"Das mag auch damit zu tun haben, dass man möglicherweise nicht damit rechnet, zutreffende Angaben von ihm zu erhalten."

Jacob Hösl, Verteidiger von Carsten S.

Das sieht Nebenklage-Anwalt Sebastian Scharmer ähnlich. Er vertritt die Tochter des ermordeten Dortmunder Kiosk-Betreibers Mehmet Kubasik im Prozess und verzichtete nun auf Fragen an Wohlleben. Das ist mit meiner Mandantin so besprochen, sagte Scharmer.

"Einfach, weil wir überzeugt sind, dass wir keine Antworten kriegen. Sie hat Fragen und Herr Wohlleben könnte ihr helfen bei vielen quälenden Fragen, aber er will es nicht und deswegen ist es hier so, dass wir gesagt haben, um nicht noch weiter diese Demagogie im Gerichtssaal zu befördern, stellen wir ihm auch keine Fragen."

Sebastian Scharmer, Nebenklage-Anwalt

Vorwurf der Anklage

Im NSU-Prozess ist Wohlleben der Beihilfe zum Mord angeklagt. Er soll die Beschaffung jener Ceska-Pistole veranlasst haben, mit der neun von zehn Morden begangen wurden, die dem NSU zur Last gelegt werden. In seiner Aussage im Dezember, mit der er sein zweieinhalb Jahre dauerndes Schweigen bracht, bestritt Wohlleben die Waffenbeschaffung - und damit auch den Vorwurf der Beihilfe zum Mord. Stattdessen belastete er den Mitangeklagten Carsten S.

Bereits gestellt sind mehr als 50 Fragen des Gerichts an Beate Zschäpe. Die schriftlichen Antworten der Hauptangeklagten auf diese Nachfragen zu ihrer im vergangenen Dezember abgegebenen Erklärung sollen nun am kommenden Mittwoch verlesen werden. Dann wird der NSU-Prozess fortgesetzt.


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