NSU-Prozess


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NSU-Prozess, 238.Verhandlungstag Noch eine Panne beim Verfassungsschutz?

Hätten Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt gefasst werden können, noch bevor der NSU zehn Morde beging? Die Aussagen eines Ex-Neonazis und ehemaligen V-Mannes jedenfalls werfen kein gutes Licht auf das Bundesamt für Verfassungsschutz.

Von: Oliver Bendixen

Stand: 20.10.2015 | Archiv

Die gesammelten Akten des Verfahrens | Bild: picture-alliance/dpa

Der Zeuge, dessen Aussage bei der Bundesanwaltschaft heute verlesen wurde, ist ausgerechnet jener Ex-Neonazi und ehemalige V-Mann, dessen Akten das Bundesamt für Verfassungsschutz angeblich aus Versehen geschreddert hatte – kurz nachdem der NSU aufgeflogen war. Treffen die Angaben des jetzt in Schweden als Bauer und Handwerker lebenden Mannes zu, dann hätte das Amt jedenfalls allen Grund gehabt, die Akten verschwinden zu lassen. Er gab nämlich an, kurz nach dem Untertauchen von Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt sei in der rechten Szene ein Versteck für die Drei gesucht worden. Andre K., eine der führenden Figuren aus dem rechten Milieu in Thüringen, habe ihn angerufen und gefragt, ob er da helfen könne.

Vertane Chance des Verfassungsschutzes

Zu diesem Zeitpunkt fungierte der Angerufene aber längst als sprudelnde Quelle für das Bundesamt für Verfassungsschutz, das ihn als V-Mann unter Vertrag genommen hatte. Als loyaler Mitarbeiter der Behörde – so geht es aus der protokollierten Aussage hervor – habe er noch am selben Tag seinen V-Mann-Führer angerufen und ihm von der Suche nach einem Versteck in der Szene berichtet. Der aber habe kein sonderliches Interesse gezeigt und damit – so der Zeuge – die Chance ignoriert, die drei mit Haftbefehl gesuchten Personen von der Polizei festnehmen zu lassen.

Gegenüber der Bundesanwaltschaft äußerte der V-Mann, er habe die Meldung gemacht, noch ehe der erste der zehn NSU-Morde begangen wurde. Erst eineinhalb Jahre später sei die Behörde noch einmal auf ihn zugekommen und habe sich  eher beiläufig erkundigt, ob  er  da noch Informationen habe. Hatte er aber nicht.

Der enttäuschte Informant

Richtigen Ärger aus der Szene bekam der später mit seiner Frau nach Schweden ausgewanderte Neonazi-Aussteiger, als nach der Aufdeckung des NSU 2011 öffentlich wurde, dass er für den Verfassungsschutz gearbeitet hatte. Das sei bis zu Morddrohungen gegangen - Vom Verfassungsschutz fühlte sich der Informant in Stich gelassen. Davon, dass man ihm für den Fall einer Enttarnung eine neue Identität versprochen hatte, wollte die Behörde nun nichts mehr wissen. Kein Wunder, dass der enttäuschte Informant kurz darauf dem „Spiegel“ ein Interview gab und richtig auspackte. Ob das der Augenblick war, in dem die Behörde in ihrer Zentrale in Köln die Akte ihres Ex-V-Mannes in den Reißwolf stopfen ließ, ist noch nicht so recht klar.


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