NSU-Prozess


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NSU-Prozess „Dilettantisches Vorgehen“

Beate Zschäpe wollte im Frühsommer ihre drei Pflichtverteidiger ihrer Aufgaben entbinden. Das ist ihr bekanntermaßen nicht gelungen. Sie hat nun einen neuen, vierten Pflichtverteidiger an ihrer Seite. Das hindert Wolfgang Stahl, einem aus der „alten“ Riege aber nicht daran, zu versuchen Zeugen auseinanderzunehmen.

Von: Mira Barthelmann

Stand: 23.09.2015 | Archiv

Zschäpe-Verteidiger Sturm, Heer und Stahl wollen hinwerfen | Bild: picture-alliance/dpa

Am Vormittag waren zwei Beamte des BKA als Zeugen vor dem Oberlandesgericht München geladen. Die beiden Beamten hatten einen Taxifahrer Ende Dezember 2011 befragt. Es ging um eine Fahrt von der Frühlingsstraße in Zwickau, dem mutmaßlich letzten Wohnsitz des NSU-Trios zum Zwickauer Bahnhof. Der Transfer wurde am 16.6.2011 gegen zwei Uhr morgens für denselben Tag um fünf Uhr 30 von einer Telefonnummer, die der Hauptangeklagten Beate Zschäpe zugeordnet wurde, bestellt. Der Taxifahrer Patrick H. erklärte in der Befragung zunächst, dass die Fahrt am Nachmittag stattgefunden hätte, korrigierte die Zeitangabe dann aber. Sein Fahrgast sei Beate Zschäpe gewesen. Die Beamten hatten H. verschiedene Lichtbilder vorgelegt. Darauf erkannte er sowohl Beate Zschäpe als auch Uwe Böhnhardt. Letzteren habe er mehrmals zuvor transportiert.

Kritik an Ermittlern

Wolfgang Stahl, einer der vier Pflichtverteidiger von Beate Zschäpe, stellte die Aussagen der Beamten zwar nicht in Zweifel, kritisierte das Vorgehen der Ermittler aber scharf. Bis der Aktenvermerk über die Aussage des Taxifahrers von einem Vorgesetzten unterschrieben wurde, vergingen mehr als zwei Wochen – die Weihnachtsfeiertage hatten das Prozedere offenbar verzögert. Die Beamtin konnte heute nicht mehr sagen, ob sie bereits im Dezember damit begonnen hatte, ihre handschriftlichen Notizen als Vermerk ins Reine zu schreiben oder ob dies erst Anfang Januar erfolgte. Beide Beamten wussten nicht mehr, in welcher Reihenfolge die Befragung genau erfolgt ist. Stahl vertrat heute die Auffassung, dass die Ermittler mit einer vorgefertigten Arbeitshypothese in die Befragung des Taxifahrers gegangen seien. Man habe sich die beförderten Personen nicht vorab beschreiben lassen, sondern dem Zeugen zunächst Lichtbilder vorgelegt. Die Art und Weise der Ermittlungen bezeichnete Stahl als „dilettantisch“.

Verteidiger gibt klein bei

Der Pflichtverteidiger fühlte sich darüber hinaus in seiner Befragung von Zeugen wiederholt gestört: „Immer dann, wenn in dieser Hauptverhandlung von den Verteidigern aufgedeckt wird, wie dilettantisch von Beamten vorgegangen wird, immer wenn man versucht die Fehler aufzudecken, dann werden hier im Saal die Augen verdreht.“ Seine Beschuldigungen richteten sich vor allem gegen die Bundesanwaltschaft und einige Nebenkläger, aber auch gegen den Vorsitzenden Richter. Manfred Götzl wollte die gegen ihn gerichtete Kritik konkreter in Erfahrung bringen. Stahl wich aus und lobte stattdessen die Prozessführung des Senats wiederholt.

Treffpunkt bestätigt

Außerdem berichtete ein Beamter des BKA Meckenheim von dem Verhör mit Anja S. am 26.6.2012. Sie war zwischen 1997 und 1998 mit André E., einem der Angeklagten im NSU-Prozess, liiert gewesen. Sie habe in dieser Zeit Beate Zschäpe in einer Wohnung beim Südbahnhof getroffen, mit ihr geraucht und sich mit ihr über Belanglosigkeiten unterhalten. Im Anschluss an die Vernehmung haben die Beamten mit S. eine Fahrt durch Chemnitz unternommen. Sie sollte die mutmaßlich erste gemeinsame Wohnung des NSU-Trios identifizieren und leitete die Ermittler zur Altchemnitzer Straße 12 in Chemnitz und versicherte den Beamten, dass dies das Haus gewesen sei, in dem sie Zschäpe getroffen hatte.


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