NSU-Prozess


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NSU-Prozess: 229. Verhandlungstag Eine brisante Postkarte

Eine Karte mit Elefantenbaby und dem Text: "Viele liebe Grüße, das Wetter ist schön. Tschüss". Nur eine belanglose Postkarte? Eine Beamtin des Bundeskriminalamtes hat dem Stück Papier jetzt aber eine brisante Bedeutung gegeben.

Von: Eckhart Querner

Stand: 22.09.2015 | Archiv

Eckhart Querner | Bild: BR

22 September

Dienstag, 22. September 2015

"Viele liebe Grüße, das Wetter ist schön. Tschüss"

Die Postkarte wurde im Brandschutt des Hauses in der Zwickauer Frühlingsstraße gefunden, das dem NSU-Trio als Unterschlupf diente und das Beate Zschäpe, Hauptangeklagte im Münchner NSU-Prozess, kurz vor ihrer Festnahme im November 2011 zur Explosion brachte.

Die Postkarte gewinnt ihre Brisanz weniger durch den Adressaten: Matthias Dienelt, Polenzstr. 2, Zwickau. Dienelt war ein Aliasname, die Karte war sicherlich nicht an ihn gerichtet, sondern an Beate Zschäpe, die auch den Namen Dienelt verwendete.

BKA-Beamtin stellt neue Zusammenhänge da

Die junge Kriminalbeamtin P. vom BKA hat offensichtlich ganze Arbeit geleistet: aus der unscheinbaren Postkarte hat sie Informationen herausgelesen und diese mit anderen Asservaten und Beweisen zusammengeführt. So fand die heute im NSU-Prozess als Zeugin geladene Beamtin heraus, dass die Postkarte am 21.9. 2005 in Dortmund abgestempelt wurde. Kriminaltechnische Untersuchungen und Schriftvergleiche ergaben, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit Uwe Böhnhardt der Urheber des Textes ist.

Mehmet Kubasik, das achte Opfer der NSU-Mordserie, wurde ausgespäht

Verknüpft man diese Indizien mit anderen Fundstücken aus dem Zwickauer Brandschutt, ergibt sich aus Sicht der Zeugin folgendes Bild: gut sechs Monate, bevor der deutschtürkische Kioskbesitzer Mehmet Kubasik in Dortmund ermordet wurde, befand sich Uwe Böhnhardt - und wahrscheinlich auch Uwe Mundlos - in Dortmund, um neue Tatorte und Opfer auszuspähen. So existiert ein aufschlussreiches Asservat, nämlich ein Kartenausdruck des Großraums Dortmund vom 22.9.2005. Dort sind sechs Adressen notiert - dazu handschriftliche Notizen, wie "gutes Objekt" oder "geeigneter Inhaber". Die Handschrift soll laut Zeugin P. mit großer Wahrscheinlichkeit zu Uwe Mundlos gehören.

Urlaub oder Ausspähreise?

Bislang war den Ermittlern nicht klar, was die beiden Uwes mit dem Wohnmobil machten, das auf den Namen Holger Gerlach vom 19. bis 22. September vor zehn Jahren in Chemnitz angemietet wurde. War es eine Urlaubsreise? Oder fuhren die beiden NSU-Terroristen nach Dortmund? Die heute vorgelegte Asservaten-Analyse lässt nur diesen Schluss zu. "Hallo 00", mit dieser Anrede dürfte Zschäpe gemeint sein. Die versteckte Botschaft Böhnhardts auf der Postkarte aber war wohl diese: "Wir haben ein neues Opfer ausgekundschaftet".


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