NSU-Prozess


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226. Verhandlungstag, 03.09.2015 Briefe verlesen statt Zeugen befragen

Mario B. ist vielen Prozess-Beobachtern noch sehr lebendig in Erinnerung. Er war bisher der dreisteste Szene-Zeuge im NSU-Prozess. Heute meldete sich der einst führende Kopf des "Thüringer Heimatschutzes" krank. So wurden Briefe verlesen.

Von: Ina Krauß

Stand: 03.09.2015 | Archiv

Ina Krauß | Bild: BR/Julia Müller

03 September

Donnerstag, 03. September 2015

Kaum hatte der Verhandlungstag begonnen, war er eigentlich schon gelaufen. Doch der Streit um Kleinigkeiten zog die Verhandlung in die Länge. Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl wollte den Tag zur Verlesung von Briefen und anderen Dokumenten nutzen. Nicht einmal eine Stunde hätte diese Verlesung gedauert. 

"Ich bin Anwalt und kein Stenograf"

Doch die Verteidigung verzettelte sich in Nebenkriegs-Schauplätzen. Schon bei der Ankündigung der Asservaten-Nummern kritisierte die Zschäpe-Verteidigung, Götzl lese die Fundstellen zu schnell.  "Ich bin Anwalt und kein Stenograf", sagte Wolfgang Stahl, und Kollege Wolfgang Heer beantragte, die Asservaten-Nummern schriftlich mitzuteilen. Es entzündete sich eine hitzige Diskussion, bis Götzl schließlich die Nummern geduldig diktierte, für alle nochmal zum Mitschreiben. Das hatte er gleich zu Beginn der Auseinandersetzung erfolglos angeboten.

"Wenn Sie grad so schön in Stimmung sind…"

Auch die Verteidigung von Ralf Wohlleben nahm heute das Beschleunigungsgebot nicht sonderlich ernst. Sonst mahnt sie gerne die Nebenklage-Vertreter zur Eile - mit Verweis auf die lang andauernde U-Haft ihres Mandanten, heute sorgte sie selbst für Verzögerungen. Richter Götzl hatte bereits wissen lassen, dass ein zu verlesendes Dokument, das nur in Kopie vorlag, sich als Original auf dem Weg ins Gericht befand. Klemke beantragte dennoch,  der Vorsitzende Richter möge bezeugen, dass Kopie und Original übereinstimmen. Klemke flapsig zu Götzl:  "Wenn Sie grad so schön in Stimmung sind, beantragen wir, Richter Götzl als Zeugen zu benennen, dass die Kopie mit dem Original übereinstimmt."

Zeugnisse einer Radikalisierung

Nach einer weiteren Unterbrechung war das Original eingetroffen, der Antrag wurde erwartungsgemäß abgelehnt. Gegen Mittag ist es endlich soweit. Die Dokumente können verlesen werden. Es handelt sich um einen Briefwechsel zwischen Szene-Kameraden. Aus ihnen wird deutlich, wie Uwe Mundlos und seine Mitstreiter noch in der Legalität anfangen, über die Bildung autonomer Zellen nachzudenken um dem zunehmenden Druck seitens der Strafverfolgungsbehörden zu entgehen. 1998 tauchten Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe unter.


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