NSU-Prozess


9

225. Verhandlungstag, 02.09.2015 Wie lange wird denn noch Beweis erhoben?

Nach vier Wochen Sommerpause ist der NSU-Prozess fortgesetzt worden. Die Vernehmung von zwei Zeugen brachte wenig Neues. Doch der Prozess ist noch lange nicht zu Ende.

Von: Christoph Arnowski

Stand: 02.09.2015 | Archiv

Christoph Arnowski | Bild: Bayerischer Rundfunk

02 September

Mittwoch, 02. September 2015

Darf man als Journalist so unspektakulär seinen Bericht beginnen? Mit zwei Sätzen, die eigentlich nicht zum Lesen animieren? Ich würde sagen, ja, man kann. Zumindest in einem Format wie diesem, dem Prozesstagebuch, das ja durchaus auch eine subjektive Sichtweise vermitteln soll. Zumal unser Berufsstand ja sowie dazu neigt, zuzuspitzen und im Zweifel lieber zu spekulieren als das tatsächlich Geschehene zu berichten, weil ersteres sich eben besser verkauft. Ehrlicher finde ich allerdings, zu schreiben, heute war es langweilig, als die Geschichte künstlich aufzuhübschen.

Mit "Mundstuhl" im Taxi

Was also ist heute geschehen? Fast nichts. Der erste Zeuge, war ein 29 Jahre alter Mann aus Zwickau, der im Juni 2011 Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe "Mundstuhl", wie er hartnäckig Uwe Mundlos zu Erheiterung des fachkundigen Publikums nannte, einmal im Taxi gefahren hat. Richter Manfred Götzl gab sich redlich Mühe. Aber mehr, als dass Zschäpe damals einen Kapuzenpulli trug und während der gesamten Fahrt schwieg, auch nachdem sie Böhnhardt und "Mundstuhl" mit dem Taxi am Bahnhof abgeholt hatte, ergab die Befragung nicht.

Grasel hat sich eingelesen

Zschäpe-Verteidiger Mathias Grasel

Aufhorchen ließ erst eine Erklärung danach von Zschäpes neuem Verteidiger Mathias Grasel, der feststellte, dass diese Aussage offenbar im Widerspruch zu einer Aussage einer Kriminalbeamtin stehe, der zufolge Zschäpe an diesem Tag zum Mitangeklagten Holger G. gereist sei. Eine Anmerkung, aus der man schließen kann, dass Grasel die Sommerpause offenbar dazu genutzt hat, sich in den Prozess einzulesen. Was nicht unbedingt dafür spräche, dass es seine Strategie sein könnte, den Prozess platzen zu lassen, wie die Nachrichtenagentur dpa am Montag spekuliert hatte. Wobei meine Schlussfolgerung zugegebenermaßen auch Spekulation ist.

Streit um zweiten Zeugen

Deshalb zurück zu den wenig aufregenden Fakten des Tages. Der zweite Zeuge des Tages, Kay S., war bereits zum drittel Mal geladen. Seine Befragung war deshalb schnell zu Ende. Streit gab es dennoch. Wohlleben-Verteidiger Olaf Klemke ist überzeugt, dass der Aussteiger aus der rechten Szene in mindestens einem Punkt die Unwahrheit gesagt hat. Und verlangte zum Schluss die Vereidigung des Zeugen, damit sich dieser nochmal gut überlege, was er "guten Wissens und Gewissens" aussagen könne. Offenbar um S., der nach allgemeiner Auffassung Ralf Wohlleben und Zschäpe belastet hatte, zu verunsichern und zur Rücknahme mancher Behauptungen zu bewegen.

Das Gericht folgte dem nicht, entließ den Zeugen unvereidigt. Und beendete fünf Minuten nach der Mittagspause diesen Prozesstag, der am Ende kaum Bedeutung haben dürfte.

NSU-Prozess bis September 2016?

Und dem noch viele, ähnlich langweilige (zugegebenermaßen wieder eine Spekulation) folgen könnten, denn, und das ist eine Tatsache: Das Gericht hat am Montag 67 weitere mögliche Verhandlungstage bekanntgegeben. Die Terminierung reicht jetzt bis zum 1. September 2016. Wobei sich mir die Frage aufdrängt: Ist das wirklich notwendig? Sollte das Gericht nicht endlich mal die Beweisaufnahme beenden und auf die Zielgerade dieses Mammutverfahrens einbiegen? Die Öffentlichkeit versteht schon lange nicht mehr, warum der NSU-Prozess so lange dauert.


9