NSU-Prozess


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Tageszusammenfassung, 223. Tag, 3.8.15 30 Nebenkläger wollen Aktenvernichtung aufklären

Gut möglich, dass die Akten des Verfassungsschutzes Entscheidendes über die Entwicklung der NSU beigetragen hätten. Doch ein Mitarbeiter ließ sie schreddern. 30 Nebenkläger wollen das jetzt untersuchen lassen.

Von: Ina Krauss

Stand: 03.08.2015 | Archiv

Schredder | Bild: picture-alliance/dpa

Eigentlich sollte heute ein "Szene"-Zeuge gehört werden. Doch Tom T., früher Sänger einer Neonazi-Band und zeitweise Weggefährte der Beschuldigten. meldete sich krank. 30 Nebenkläger nutzten die Zeit, um einen umfassenden Beweisantrag zu stellen.

Vertuschte der Verfassungsschutz statt zu ermitteln?

Am 11. November 2011 hatte ein Mitarbeiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz umfangreiche Akten schreddern lassen - unmittelbar nach dem Auffliegen des NSU. Die Nebenklage-Anwälte wollen die vernichteten Akten mit NSU-Bezug in das Verfahren mit einbeziehen. Die Vernichtung der Akten sei rechtswidrig gewesen, so Rechtsanwältin Antonia von der Behrens in ihrer Begründung des Beweisantrags.

Die Akten enthielten Hinweise von V-Leuten, die nah an dem mutmaßlichen NSU-Trio und seinen mutmaßlichen Unterstützern eingesetzt waren. Die Schriftstücke wurden inzwischen teilweise rekonstruiert und könnten nach Ansicht der Nebenkläger wichtige Erkenntnisse zur Entstehung des NSU-Terrortrios enthalten. Auch der für die Schredder-Aktion verantwortliche Verfassungsschutzbeamte mit dem Decknahmen "Lothar Lingen" soll als Zeuge geladen werden.

30 Nebenklage-Vertreter haben den umfassenden Beweisantrag unterzeichnet. Wann das Gericht darüber entscheidet, ist offen.

Klar ist: Neben den verfassungsrechtlich zweifelhaften "Landesverrat"-Ermittlungen gegen das Webportal netzpolitik.org und der höchst umstrittenen Zusammenarbeit mit dem amerikanischen Geheimdienst NSA bleibt das Versagen des Dienstes in der NSU-Affäre ein weiterer dunkler Fleck auf der Weste des Verfassungsschutzes.

Kein Kontakt zwischen Zschäpe und ihren drei ungeliebten Verteidigern

Sonst blieb der 223. Verhandlungstag im Vergleich zu den letzten Wochen relativ ruhig. Das Gericht hatte am Freitag alle Anträge Beate Zschäpes auf Entpflichtung ihrer Verteidiger Anja Sturm, Wolfgang Heer und Wolfgang Stahl abgelehnt. Im Verhandlungssaal würdigte die mutmaßliche Rechtsterroristin die drei keines Blickes und sprach kein Wort mit Sturm, Stahl und Heer. Kontakt hatte sie nur zu ihrem neuen, vierten Pflichtverteidiger Matthias Grasel.

Zeuge fehlt zum wiederholten Mal

Ursprünglich war heute der gesamte Verhandlungstag für die Aussage des Zeugen Tom T. vorgesehen. Doch er blieb zu wiederholten Mal fern. Einmal hatte er sogar ohne Entschuldigung gefehlt, heute lieferte er dem Gericht immerhin ein ärztliches Attest. Das werde geprüft, so der Vorsitzende Richter Manfred Götzl. Tom T. war Sänger einer Rechtsrock-Band und verkehrte in der Jenaer Kameradschaftsszene. Er kannte Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt.


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