NSU-Prozess


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NSU-Prozess, 218. Tag, 15.7.15 Illustrierte wollte NSU im Untergrund interviewen

50.000 Mark soll eine große deutsche Illustrierte dem 1998 untergetauchten Trio für ein Interview über die gewaltbereite Neonazi-Szene geboten haben. Das sagte heute ein 39-jähriger Zeuge aus dem rechtsextremen Milieu.

Von: Oliver Bendixen

Stand: 15.07.2015 | Archiv

Uwe Mundlos, Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt (rechts): Urlaubsfoto, vermutlich 2004 aufgenommen (von BKA veröffentlicht) | Bild: picture-alliance/dpa

Wie wurde aus einer rechten Kameradschaft der "Thüringer Heimatschutz"? Und wie entstand wiederum aus dieser Neonazi-Gruppe der NSU, auf dessen Konto neun Morde an Migranten und ein weiterer an einer deutschen Polizistin gehen sollen? Antworten auf diese Fragen erhoffte sich das Münchner Oberlandesgericht (OLG) am 218. Verhandlungstag vor allem von dem 39-jährigen Zeugen.

Interview kam nicht zustande

Der Zeuge berichtete unter anderem, dass die Illustrierte 50.000 Mark dem aus Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe bestehenden Trio für ein Interview geboten habe - und das einen Monat, nachdem im September 2000 der erste von zehn Morden begangen wurde, den die Anklage dem NSU zur Last legen. Der 39-Jährige steckte in den 1990er-Jahren mitten in der Szene, als aus der rechtsextremen "Kameradschaft Jena" der "Thüringer Heimatschutz" - also die NSU-Keimzelle - wurde. Das Interview, so der Zeuge, sei aber nie zustande gekommen.

Ansonsten waren seine Aussagen so spärlich und gegenüber dem Gericht teilweise so unverschämt, dass der Vorsitzende Richter Manfred Götzl sich dies mehrfach verbat. Namen rechter Freunde, "Kameraden" - wie er sie nannte -, waren dem 39-jährigen Pharmareferenten aber nicht zu entlocken. Er könne sich an Gesichter, aber nicht an Namen erinnern, antwortete er stereotyp auf die Fragen des Gerichts. Und er ließ offen, wer gewusst habe, wo sich Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt über zehn Jahre versteckt hielten.

Mit Aliasnamen und Tarnpapieren: der NSU im Untergrund

Wie es Zschäpe und den beiden Uwes gelang unterzutauchen und elf Jahre lang nicht gefasst zu werden, schilderte heute als Zeugin auch eine Beamtin des Bundeskriminalamtes. Sie hatte ermittelt, mit welcher Vielzahl von Aliasnamen und Ausweisen rechter Freunde sich das NSU-Trio jahrelang dem Zugriff der Polizei hatte entziehen können. Mit Holger G. und André E. sitzen zwei der mutmaßlichen Unterstützer  mit auf der Anklagebank vor dem OLG.

Gegen andere Verdächtige wird noch ermittelt. Dazu kamen, so die junge Kriminalerin, etliche Menschen, die gar nicht wussten, dass fremde Personen mit ihrer Identität unterwegs waren, und andere, die überhaupt nicht existierten. Die Liste der gefälschten oder missbrauchten Dokumente reicht dabei von Reisepässen über Bahncards bis hin zu einer Krankenkassenkarte, mit der Zschäpe zum Frauenarzt ging.


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