NSU-Prozess


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217. Verhandlungstag, 14.07.2015 Zschäpes neuer Verteidiger - ein Seelenmasseur?

Die Hauptangeklagte im NSU-Prozess, Beate Zschäpe, wirkte auch heute - nach bleichen Wochen und einem offenen Bruch mit ihren drei anderen Anwälten - wie gelöst. Ist ihr neuer Verteidiger ein Wunderheiler, ein Seelenmasseur?

Von: Eckhart Querner

Stand: 14.07.2015 | Archiv

Eckhart Querner | Bild: BR

14 Juli

Dienstag, 14. Juli 2015

Nicht weniger als acht Fotografen und zwei Kamerateams teilen sich die wenigen Quadratmeter vor der Bank der Verteidiger, alle wollen in der ersten Reihe stehen. Der Saal A 101 im Münchner Strafjustizzentrum ist viel zu eng, aber das spielt für die Bildberichterstatter jetzt keine Rolle, für sie sind die kommenden Minuten entscheidend. Sie wollen den "Neuen" sehen.

Zum ersten Mal erlaubt ihnen nämlich das Gericht, den neuen Verteidiger von Beate Zschäpe an seinem "Arbeitsplatz" zu zeigen, einen Mann, der der breiten Öffentlichkeit noch völlig unbekannt ist: Mathias Grasel, 30 Jahre alt, seit letztem Dienstag vierter Pflichtverteidiger der Hauptangeklagten im NSU-Prozess. Beate Zschäpe - nach bleichen Wochen und einem offenen Bruch mit ihren drei anderen Anwälten - wirkte wie vergangene Woche auch heute wie gelöst. Ist der Neue ein Wunderheiler, ein Seelenmasseur?

Hochgradig nervös

Grasel kommt rein, die Fotoapparate klicken und surren. Grußlos vorbei an Heer, Stahl, Sturm, die seit 216 Verhandlungstagen Zschäpe verteidigen. Hat er jede Höflichkeit vergessen - wohl kaum, vielleicht haben sich die vier Anwälte schon auf dem Gang begrüßt. Aber was soll der Neue in diesem weit vorgeschrittenen Prozess noch ausrichten? Er hat kaum Zeit, sich in den Stoff einzuarbeiten. Mathias Grasel sitzt also da, umlagert von den Medien, er ist jetzt hochgradig nervös. Die Kameraleute beobachten seine zitternden Hände, seine Augen wissen nicht, wohin sie blicken sollen. Fast will er dem Beobachter leidtun, aber tut es dann doch nicht. Hat er mit dieser medialen Belagerung gar nicht gerechnet?

Zschäpe verspätet sich, alle warten, Grasel und die drei anderen Verteidiger sitzen stumm nebeneinander, die Kameras nehmen das vereinte Schweigen auf. Dann ergreift Anja Sturm das Wort und plaudert kurz mit dem neuen Kollegen. Als die Hauptangeklagte hereinkommt, setzt diese sich nicht mehr zwischen Heer und Sturm, sondern so weit wie möglich entfernt von ihnen, ganz außen hin, nur neben Grasel eben.

Kein triumphierender Auftritt

Dann betritt der Senat mit seinem Vorsitzenden Richter Manfred Götzl den Saal und der 217. Verhandlungstag beginnt. Nur einmal spricht Grasel kurz mit seiner Mandantin, ihre monatelang versteinerte Miene weicht für kurze Zeit einem zufriedenen Lächeln. Welche Hoffnungen verbindet Zschäpe mit dem Neuen, welche Erwartungen haben die Journalisten oben auf der Empore?

Zwei kurze Wortmeldungen

Grasel hat letzte Woche bereits klar gemacht, Zschäpe werde "aktuell weiter nicht aussagen". Bleibt also alles so wie bisher? Was hat Grasel, was die anderen drei nicht haben? In jedem Fall Zschäpes Vertrauen. Aber vielleicht nutzt sich dieser "Grasel-Effekt" bis zum Herbst ab, weil sich der psychische Zustand der mutmaßlichen NSU-Terroristin wieder verschlechtert.

Wer heute jedenfalls den triumphierenden Auftritt des neuen Verteidigers erwartet hat, der wird enttäuscht. Grasels Stimme ist genau zweimal zu hören: Kurz vor Mittag beantragt er die Unterbrechung der Verhandlung für fünf Minuten, um sich mit Zschäpe zu besprechen. Richter Götzl macht daraus eine ganze Mittagspause. Am Nachmittag stellt er einem Zeugen aus der rechten Szene eine kurze Frage. Das war’s. Als die Sitzung zu Ende ist, taucht Grasel draußen nicht auf. Journalisten, die auf ein kurzes Interview hoffen, gehen leer aus.


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