NSU-Prozess


1

215. Verhandlungstag, 01.07.2015 Ein Tag voller Fragezeichen

Was passiert, wenn Beate Zschäpe den von ihr beantragten vierten Pflichtverteidiger bekommt? Muss dann der Prozess für Wochen unterbrochen werden, bis sich der Anwalt ihres Vertrauens in die Akten eingelesen hat?

Von: Oliver Bendixen

Stand: 01.07.2015 | Archiv

Oliver Bendixen | Bild: Foto Binder

01 Juli

Mittwoch, 01. Juli 2015

Wann will der Vorsitzende Richter des Strafsenats Manfred Götzl seine Entscheidung überhaupt bekannt geben? Zumindest am Ende des 215. Verhandlungstages im Münchner NSU-Verfahrens herrschte bei keiner dieser Fragen Klarheit. Und genauso diffus verlief den ganzen Nachmittag über auch die Vernehmung eines V-Mann-Führers des brandenburgischen Verfassungsschutzes über die Beziehungen seiner Behörde zu dem Rechtsextremisten mit Tarnnamen "Piatto".

V-Mann-Führer "Piatto" kann sich an Einzelheiten nicht erinnern

"Piatto" soll ja bereits 1998 den Hinweis geliefert haben, dass drei - wie es damals hieß - Skinheads untergetaucht seien, weil sie von der Polizei gesucht wurden, und dass die drei - vermutlich Beate Zschäpe und die beiden Uwes - aus der Szene mit Waffen versorgt werden sollen. Das Ziel sei es dann mit Überfällen Geld für eine Flucht nach Südafrika zu bekommen. Dem Kern dieser Behauptungen kam das Gericht auch bei der stundenlangen Befragung des V-Mannes-Führers nicht näher. Der mit einem Kapuzenshirt notdürftig getarnte Nachrichtendienstler gab an, sich nach 17 Jahren nicht mehr an Einzelheiten der V-Mann-Führung erinnern zu können und wurde - je mehr ihn die Nebenklageanwälte in die Zange zu nehmen versuchten - immer maulfauler.

Richter Manfred Götzl kann Anwälten nicht folgen

Mit zwei Anwälten geriet der Vorsitzende dann richtig aneinander. Ihm sei nicht ganz klar, was die Beziehungen des V-Mann-Führers aus Brandenburg mit den im NSU-Verfahren angeklagten Fällen zu tun habe, meinte Manfred Götzl. Ob ihn die Argumentationskette überzeugen konnte, wenn man 1998 die Informationen ernst genommen hätte und ihnen behördlicherseits nachgegangen wäre, hätte man - so die Nebenklageanwälte -  bereits damals Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt festnehmen können. Und dann - so die Anwälte - wäre es gar nicht zu den zehn Morden gekommen, die nach Überzeugung der Bundesanwaltschaft auf das Konto des NSU-Trios gehen.

Hätten die Morde verhindert werden können?

Eine Argumentation, der sich fast begeistert auch die Anwälte des Mitangeklagten Ralf Wohlleben anschließen mochten - bis hin zur These, ein bodenloses Behördenversagen habe sozusagen die ganze Serie von Morden, Bombenanschlägen und Banküberfällen erst möglich gemacht. Eine Theorie, der am Ende des 215.Verhandlungstages schließlich auf Antrag der Wohlleben-Verteidiger nach Ausschluss der Öffentlichkeit hinter verschlossenen Türen nachgegangen wurde.


1