NSU-Prozess


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210. Verhandlungstag, 16.06.2015 Zschäpes eisiges Schweigen

Das Verhältnis von Beate Zschäpe und ihren Anwälten scheint zerrüttet. Kein Wort wechselten sie zuletzt mehr. Ihre Verteidigerin Sturm will Zschäpe sogar entbinden. Bis heute muss der Antrag dazu eingehen.

Von: Eckhart Querner

Stand: 17.06.2015 | Archiv

Die Angeklagte Beate Zschäpe im Gerichtssaal des Oberlandesgerichts in München neben ihren Anwälten Anja Sturm und Wolfgang Heer (Archiv) | Bild: dpa-Bildfunk

16 Juni

Dienstag, 16. Juni 2015

Beate Zschäpe sucht das Gespräch. Nicht mehr zu ihren Pflichtverteidigern Heer, Stahl und Sturm. Sondern zu Richterin Odersky. Mit ihr spricht die Hauptangeklagte nach Ende dieses 210. Verhandlungstages rund eine Minute lang. Dann verlässt sie, bewacht von Polizisten, den Gerichtssaal A101 im Münchner Strafjustizzentrum, ohne sich von ihren Verteidigern zu verabschieden. Die wirken wie vor den Kopf gestoßen.

Beate Zschäpe hat über zwei Jahre vor Gericht geschwiegen, sich nicht zur Sache eingelassen. Ihre Stimme kennen nur ihre Anwälte. Nun redet sie auch mit denen nicht mehr. Als Zschäpe am Morgen in den Saal geführt wird, fällt die Begrüßung ihrer drei Pflichtverteidiger mehr als knapp aus. Hände werden nicht mehr geschüttelt und auch das sonst übliche Geplauder, insbesondere zwischen Zschäpe und Heer, findet nicht mehr statt. Und die Süßigkeiten, die Heer Zschäpe am Mittag herüberschiebt, bleiben anders als früher unberührt – Zschäpe starrt den ganzen Tag vor sich hin, bleibt nach außen hin regungslos.

Zschäpe will Sturm loswerden

BR-Reporter Eckhart Querner berichtet vom NSU-Prozess in München.

Seit Zschäpe versucht, Anja Sturm als ihre Pflichtverteidigerin entbinden zu lassen, gibt es einen neuen Nebenkriegsschauplatz im Gericht. Zwischen der Mandantin und ihren Anwälten herrscht seit einigen Verhandlungstagen eisiges Schweigen. Die Hauptangeklagte im NSU-Prozess wirft Sturm unter anderem vor, "unvorbereitet in die Hauptverhandlung" zu gehen und "ihr anvertraute Fakten" in der Hauptverhandlung ausgeplaudert zu haben. Im Entbindungs-Antrag Zschäpes an Richter Götzl heißt es: Das "erforderliche Vertrauensverhältnis besteht seit Monaten nicht mehr, wenn es überhaupt jemals bestanden hat".

Sturms Kollegen Stahl und Heer halten die Behauptungen von Zschäpe für nicht nachvollziehbar. Und Sturm selbst gibt sich heute auffallend selbstsicher und erteilt Journalisten gut gelaunt die Auskunft: "Mir geht es gut. Ich bin mittlerweile tiefenentspannt."

Rechts- und Sachlage geprüft

Aber wie gut geht es Sturm wirklich? Wird sie hinschmeißen, sich entbinden lassen? Kann sie ohne das Vertrauen Zschäpes überhaupt weitermachen? Nach der Sitzung erklärt sie BR- und SZ-Journalisten in kleiner Runde, sie habe die Rechts- und Sachlage geprüft. Und hat sich damit auf alle möglichen Varianten vorbereitet.

Zschäpe erhält bis Mittwoch Zeit, ihren Antrag auf Entpflichtung Sturms als Pflichtverteidigerin zu stellen. Vielleicht ging es in ihrem Gespräch mit Richterin Odersky nur ums Wetter oder um die Temperatur im Saal. Aber vielleicht wollte Zschäpe auch fragen, bis wann und bei wem sie ihren Antrag abgeben muss.

Es ist sehr wahrscheinlich, dass sie bei der Begründung dazu externe, juristische Hilfe bekommt. Das Gericht wird dann möglicherweise erst nächste Woche darüber entscheiden. Aber die Hürden für das Ausscheiden eines Pflichtverteidigers sind extrem hoch. Anja Sturm weiß das. Ihr ist längst klar, dass es auch für sie schwierig werden wird, selbst wenn sie lieber heute als morgen das Handtuch werfen würde. Vermutlich bleibt alles so wie es ist, und der NSU-Prozess geht in der bisherigen Konstellation von Angeklagter und Verteidigern weiter. Nur noch schweigsamer.


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