NSU-Prozess


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165. Verhandlungstag, 27.11.2014 Viel Streit um (fast) nichts

Zwei Juristen, drei Meinungen. Eine Binsenweisheit in der Justiz. Und eine Erklärung dafür, warum bisweilen im NSU Prozess so erbittert gestritten wird. Denn an dieser Verhandlung sind an die neunzig Juristen beteiligt. Heute gipfelten die Meinungsverschiedenheiten in einem Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden Richter Manfred Götzl.

Von: Christoph Arnowski

Stand: 27.11.2014 | Archiv

Christoph Arnowski | Bild: Bayerischer Rundfunk

27 November

Donnerstag, 27. November 2014

Auslöser dafür war der Zeugenauftritt eines Thüringer Kriminalbeamten, der im Sommer 1996 an zwei getrennten Vernehmungen der beiden Angeklagten Beate Zschäpe und Ralph Wohlleben beteiligt war. Damals, rund eineinhalb Jahre vor dem Untertauchen des NSU-Trios Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe, ging es um den sogenannten "Puppentorso". Der hing an einer Autobahnbrücke, mit einem Davidstern an der Jacke und einer Schlinge um den Hals. Böhnhardt wurde dafür später zu einer Haftstrafe verurteilt.

Auch Polizeibeamte können sich an vieles nicht erinnern

Der Vorsitzende Richter im NSU-Prozess, Manfred Götzl. | Bild: picture-alliance/dpa zum Artikel NSU-Prozess, 165. Tag Erneuter Befangenheitsantrag gegen Richter Götzl

Für Beate Zschäpe und Ralf Wohlleben ist klar: Das Ergebnis der Hauptverhandlung steht für den Vorsitzenden Richter schon fest. Sie ließen ein erneutes Ablehnungsgesuch gegen Manfred Götzl stellen. [mehr]

An die Vernehmung von Zschäpe vor über 18 Jahren konnte sich der Polizist heute kaum erinnern. Insbesondere, so betonten die Verteidiger im Laufe der Verhandlung, habe er mehrfach bekundet, dass er Angaben zum Inhalt des Verhörs nicht machen könne, weil er sich nicht erinnere. Seine aktuelle Kenntnis stamme nur aus der Vorbereitung auf seine heutige Aussage, er habe die Protokolle mehrfach gelesen.

Um die Sache ging es eher nicht

Trotzdem wollte der Vorsitzende Richter Manfred Götzl immer weiter nachfragen - und sich ganz offensichtlich nicht von der Verteidigung seine Verhandlungsführung diktieren lassen. Denn der zu erwartende geringe Erkenntnisgewinn durch die Aussage eines fast erinnerungslosen Polizeibeamten zu einer Straftat im Vorfeld der angeklagten Taten kann es eigentlich nicht gewesen sein, weshalb Götzl sich über alle Beanstandungen der Verteidiger hinwegsetzte.

Der Vorwurf der Verteidiger

Seine Verhandlungsführung in dieser ganz konkreten Situation, so die Auffassung mehrerer Beobachter, sei zwar vertretbar, aber auch irgendwie eine Provokation der Verteidiger. Und die ließen nicht locker, warfen Götzl schließlich vor, dass er "um jeden Preis im Zuge eines verkappten Urkundenbeweises" Inhalte der Vernehmung in den Prozess einführen wolle. Wenn Götzl so agiere, mache das deutlich, dass er sich in diesem Verfahren seine Meinung schon gebildet habe - deshalb ihr Befangenheitsantrag. Bundesanwaltschaft und etliche Nebenkläger wiesen das in ihren Stellungnahmen zurück. Sie forderten die Kammer auf, mit der Befragung des Kripobeamten fortzufahren.

Manfred Götzl: im Zweifel dann doch vorsichtig

Doch Richter Götzl machte das denn doch nicht, vertagte die Sitzung auf den nächsten regulären Termin. Damit beugte er sich zwar am Ende doch dem Willen der Verteidiger, was er ja eigentlich nicht wollte, riskierte aber nicht, mit einem schnell gefassten Beschluss, einfach weiterzumachen und einen Revisionsgrund zu schaffen.

Trotzdem wird Götzl das Heft in der Hand behalten

Mein Fazit heute: Im juristischen Kleinkrieg, wenn man dieses Bild überhaupt für einen Prozess wählen darf, haben die Anwälte von Zschäpe und Wohlleben einen kleinen Achtungserfolg errungen. Auf der langen Strecke dieses Prozesses wird der am Ende aber überhaupt keine Rolle spielen. Man braucht kein Prophet zu sein, um sicher vorauszusagen, dass im Laufe der nächsten Tage ein anderer Senat am OLG den Befangenheitsantrag wohlbegründet zurückweisen wird und die Verhandlung so weitergehen wird, wie es der Vorsitzende Richter für geboten hält. Daran werden die Verteidiger nichts ändern können - genauso wenig übrigens wie die Nebenkläger. Aber diese Geschichte muss man an einem anderen Prozesstag schreiben.


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