NSU-Prozess


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237. Verhandlungstag Neuer Spitzelskandal oder Brüskierung des Gerichts?

Droht in Sachen NSU ein neuer V-Mann-Skandal? Bei der Zeugenbefragung eines einstmals hochrangigen Neonazis aus Thüringen kam es heute im NSU-Prozess vor dem Münchner Oberlandesgericht zum Eklat.

Von: Thies Marsen

Stand: 14.10.2015 | Archiv

Landgericht München I und II | Bild: picture-alliance/dpa

Auf die direkte Frage des Nebenklage-Anwalts Yavuz Narin, ob er als Spitzel tätig gewesen sei, verweigerte der Zeuge Mario B. die Aussage - mit dem Hinweis, dass er zur Beantwortung der Frage möglicherweise eine Aussagegenehmigung brauche. Das legt nahe, dass er tatsächlich für einen Geheimdienst tätig war. Sollte dies nicht der Fall sein, dann hat er den Senat mit seinem heutigen Aussageverhalten zumindest offen brüskiert.

Führten zwei Geheimdienstspitzel Thüringens Neonazis?

Mario B. war einer der beiden Anführer des Neonazi-Netzwerks "Thüringer Heimatschutz". Der andere Anführer, Tino Brandt, wurde schon vor Jahren als V-Mann enttarnt. Was bedeuten würde, dass die größte Neonazi-Vereinigung Thüringens, in deren Umfeld sich auch die mutmaßlichen NSU-Terroristen Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe bewegten, von zwei Geheimdienst-Informanten geführt wurde. Mario B. hat heute immerhin eingeräumt, dass er während seines Wehrdienstes in Bayern von Mitarbeitern des Militärischen Abschirmdienstes stundenlang befragt wurde. Auch nach seinem Wehrdienst lebte er in Bayern, und zwar im Haus einer Bayreuther Burschenschaft.

Befangenheitsantrag gegen Senat

Unterdessen hat der Angeklagte Ralf Wohlleben heute einen Befangenheitsantrag gegen den gesamten Senat gestellt, Zschäpe schloss sich diesem an. Die Wohlleben-Verteidigung reagierte damit auf einen Beschluss des Senats, der es gestern abgelehnt hatte, aufgrund der Verwerfungen zwischen Zschäpe und ihren drei Pflichtverteidigern den Prozess vorrübergehend auszusetzen. Es gilt zwar als unwahrscheinlich, dass der Befangenheitsantrag Erfolg hat, der für Donnerstag anberaumte Sitzungstag wurde jedoch gestrichen.


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