NSU-Prozess


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130. Verhandlungstag, 23.7.2014 Ein Zeuge auf Abwegen

Erst einmal vergebens wartete heute das Gericht auf einen ehemaligen Angehörigen der Thüringer Neonaziszene. Der sollte Auskunft geben, wer wann woher scharfe Schusswaffen beschafft haben könnte.

Von: Oliver Bendixen

Stand: 23.07.2014 | Archiv

Oliver Bendixen | Bild: Bayerischer Rundfunk

23 Juli

Mittwoch, 23. Juli 2014

Es war der zweite Versuch, den Mann zu hören, der jetzt in Obefranken lebt. Von dort aus fand er aber heute nicht den Weg nach München. Als man ihn endlich eine halbe Stunde nach Verhandlungsbeginn am Handy erwischte, gab er - wie es sich für einen Zeugen gehört - präzise Auskunft. Am Nürnberger Hauptbahnhof sei ihm schwindelig geworden.

Erstmal "ordentlich betrinken"

Er gab an, in einem Zug nach Bamberg zu sitzen, wo er sich "ordentlich betrinken" werde. Nun will ihn der Vorsitzende Richter, der offensichtlich eine andere Vorstellung von "ordentlich" hat, zum nächsten Vernehmungstermin von der Polizei vorführen lassen. Morgen wird das mit Sicherheit nicht sein - der morgige Verhandlungstag wurde gestrichen. Die angesetzte dritte Vernehmung des seit Jahren bekannten Rechtsextremisten Thomas Gerlach musste verschoben werden, weil ein bisher nicht gesichteter Berg von Akten über dessen Kariere in der Neonazi-Szene aufgetaucht ist.

Bauleiter im Zeugenstand

Allerdings gab es auch heute schon erschreckende Einblicke in das rechte Millieu in den Neuen Bundesländern. Im Zeugenstand: ein 42-jähriger Bauleiter aus Thüringen. Dieser ist mit nahezu allen Aktivisten bekannt und hatte auch mehrere Begegnungen mit Beate Zschäpe und den beiden Uwes. Die erste Runde seiner Befragung durch den Vorsitzenden Richter versuchte er sich noch mit Erinnerungslüclen durchzumogeln - bis ihn Manfred Götzl anherrschte.

Film zeigt "Übungen" mit Brandgranaten

Die zweite Runde ging dann ganz klar an die Anwälte der Nebenklage, die zur Einstimmung schon mal einen Film vorführen ließen - gedreht Mitte der Neunziger Jahre in Thüringen. Zu sehen: der Zeuge mit einigen Kameraden, die gemeinsam auf einem aufgelassenen Volksarmeegelände den Sturm auf ein Asylbewerberheim üben - mit Schlagstöcken und Brandgranaten. Und die Neonazis lassen keinen Zweifel: Wir haben Trupps für den Häuserkampf und solche für Straßenkampf! Thüringer Heimatschutz pur - Aus dieser Gruppierung ist ja der NSU entstanden, um den es hier im Prozess vor dem Oberlandesgericht geht.

Geld vom Verfassungsschutz an Rechtsextremisten

Und dann kamen die Papiere zum Vorschein. Dokumente des Verfassungsschutzes, die belegen, wie die Thüringer Behörden den Zeugen als V-Mann einsetzte und dafür bezahlte, die eigene Szene auszuforschen. Und wieder wurde klar, dass der Verfassungschutz durchaus beachtliche Summen dafür zahlte, die Rechtsextremisten unterwandern zu können. Dass damit den bezahlten Spitzeln ein sorgenfreies Leben als Aktivisten oder Veranstalter rechter Konzerte erst ermöglicht wurde, scheint die Verfassungsschützer auch in diesem Fall nicht sonderlich gestört zu haben.


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