NSU-Prozess


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128. Verhandlungstag, 16.7.2014 Will Zschäpe ihr Schweigen brechen?

Ein Routine-Tag würde es werden, hatten sich die meisten Journalisten auf der Pressetribüne am Morgen gedacht, dieser zweite Tag der Einvernahme des Zeugen Tino Brandt. Sie wurden überrascht.

Von: Eckhart Querner

Stand: 16.07.2014 | Archiv

Eckhart Querner | Bild: BR

16 Juli

Mittwoch, 16. Juli 2014

Vorgesehen war der zweite Tag der Einvernahme des Zeugen Tino Brandt, seines Zeichens führender Kopf des rechten Netzwerks 'Thüringer Heimatschutz', V-Mann des Thüringer Verfassungsschutzes und einer der wichtigsten Unterstützer des NSU.

Die Pressetribüne füllt sich bis auf den letzten Platz, der Zeuge ist interessant, die Reporter versprechen sich neue Erkenntnisse über die zweifelhafte Rolle des Landesamtes für Verfassungsschutz in Erfurt. Wie an jedem der bis 128 Verhandlungstage kommt die Hauptangeklagte durch den Häftlingsgang in den Gerichtssaal. Alles normal. Die drei Verteidigers Zschäpes machen small talk mit ihr, alles normal. Während der Verhandlung macht Zschäpe, was sie sonst auch immer getan hat: sie schweigt.

Zschäpe kannte sich aus in NS-Ideologie und Germanentum

Tino Brandt hat gestern Zschäpe belastet, ihr eine weitgehend gleichberechtigte Rolle im NSU-Trio zugeschrieben, sie habe sich in NS-Ideologie und Germanentum ausgekannt, sei „keine dumme Hausfrau“, sondern aktiv in der Kameradschaft Jena verortet gewesen. Heute sind die Pflichtverteidiger der Hauptangeklagten dran, ihre Fragen an Brandt zu richten: Anwältin Anja Sturm will wissen, an welchen Begebenheiten und Situationen Brandt  die aktive Rolle Zschäpes festmache. Der antwortet stets, genauer könne er es nicht sagen, daran erinnere er sich nicht mehr. Eine belastende Aussage hört sich anders an.

Mittags wird die Verhandlung wie sonst auch für eine Stunde unterbrochen. Als es weitergehen soll,  gibt das Gericht eine Verschiebung zunächst um eine Viertelstunde bekannt, dann nochmal um 20 Minuten. Aus Justizkreisen ist zu hören, die Verzögerungen lägen an Zschäpe. Niemand auf der Pressetribüne hat eine Idee, um was es gehen könnte. Vielleicht sind es ja wieder einmal  gesundheitliche Gründe.

Kein Vertrauen in die Verteidiger

Dann der Paukenschlag: Richter Götzl erklärt, Zschäpe habe ihm mitteilen lassen, dass sie kein Vertrauen mehr in ihre Verteidiger habe. Erster Gedanke: Platzt jetzt der Prozess? Götzl unterbricht die Verhandlung und streicht auch den nächsten Prozesstag. Draußen vor dem Gerichtsgebäude überwiegend ratlose Gesichter. In einer Ecke stehen Anja Sturm und ihr Kollege Wolfgang Heer: Fassungslosigkeit steht in ihren Gesichtern geschrieben. Sie hatten offensichtlich keine Ahnung, was heute passieren würde. Interviews lehnen sie ab und bitten fast flehentlich um Verständnis bei den Journalisten.

Ohne gewichtige Gründe keine neuen Verteidiger

Noch immer weiß kein Prozessbeteiligter, warum Zschäpe ihren Anwälten misstraut. Deswegen schießen die Spekulationen ins Kraut: 14 Monate hat Zschäpe auf Geheiß ihrer Anwälte geschwiegen. Ist diese Strategie jetzt gescheitert? Will die mutmaßliche Rechtsterroristin endlich  auspacken? Wollten ihre Anwälte da nicht mitmachen?

War es eine Kurzschlusshandlung der Angeklagten? Oder sogar ein Versuch Zschäpes, den ganzen Prozess zum Platzen zu bringen? Richter Götzl hat von Zschäpe eine schriftliche Begründung gefordert. In der muss sie erklären, warum das Verhältnis zu ihren Rechtsbeiständen nachhaltig und endgültig erschüttert sei. Bis 14 Uhr am nächsten Tag soll Zschäpe dieses Schreiben von ihrem Aufenthaltsort in der JVA Stadelheim ins Gericht faxen.

Nur wenn Zschäpe wirklich gewichtige Gründe anführt, könnten die Pflichtverteidiger ausgetauscht werden. Neue Anwälte müssten sich innerhalb von maximal 30 Tagen in zehntausende von Aktenseiten einlesen, weil der Prozess nicht länger unterbrochen werden darf. Möglich ist, dass das Gericht nur einen oder zwei der Pflichtverteidiger austauscht.

Herbert Diemer von der Bundesanwaltschaft ist überhaupt nicht ratlos. Er sieht die ganze Angelegenheit gelassen: Solche Sachen, sagt er lakonisch, führen selten zum Erfolg.


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