NSU-Prozess


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NSU-Prozess: Gerichtssaal-Protokoll 128. Verhandlungstag, 16.7.2014

An diesem Prozesstag wird zunächst die Vernehmung des ehemaligen V-Manns Tino Brandt fortgesetzt. Brandt schildert erneut seinen Eindruck von Beate Zschäpes Auftreten in der rechten Szene und welches Verhältnis er zum Trio hatte. Nach der Mittagspause dann die Überraschung:

Von: Gunnar Breske, Matthias Reiche, Eckhart Querner, Paul-Elmar Jöris, Holger Schmidt

Stand: 16.07.2014 | Archiv

NSU Prozess Gerichtsprotokoll | Bild: BR

Beate Zschäpe hat einem Polizisten mitgeteilt, dass sie ihren Verteidigern nicht mehr vertraut. Richter Götzl fordert die Angeklagte auf, ihr Misstrauen schriftlich zu begründen und bricht diesen Verhandlungstag ab.

Zeuge:

Tino Brandt (Ex-Neonaziführer und Ex-V-Mann, in anderer Sache inhaftiert)

ARD-Reporter über das Geschehen im Gerichtssaal

(Gunnar Breske, MDR)

Beginn 9:48. Fortsetzung der Vernehmung von Tino Brandt – 2. Tag

Der Sitzungssaal ist erneut sehr voll. Beate Zschäpe scheint heute auffallend gut gelaunt. Seit 6-7 Minuten angeregtes Gespräch mit Heer und Sturm. Immer wieder Lachen – nahezu freundschaftlicher Armstupser von Zschäpe zu Heer.

(Matthias Reiche, MDR)

Brandt wird mit der Hand an die Hand eines Beamten gekettet hereingeführt.

(Eckhart Querner, BR)

Götzl: Zu Sven R.: Welches Verhältnis hatten Sie damals zu ihm? – Aber schenken Sie sich ruhig noch etwas zum Trinken ein…

Brandt: Herr R. war am Anfang einer der älteren Leute, die aktiv waren in Rudolstadt, wo ich als Jugendlicher dazu kam. Wir wollten weg von dem Gewaltimage. Gut ausgekommen bis zu dem Zeitpunkt in Jena, wo Polizeiaussage war. Danach gespaltenes Verhältnis.

G: Wann war das?

B: 97/98.

(Matthias Reiche, MDR)

Anmerkung: In der Szene war die persönliche Feindschaft zwischen R. und Brandt allgemein bekannt. Verfassungsschutz hatte auch R. anwerben wollen.

(Eckhart Querner, BR)

G: Zu Telefonat mit Person [Böhnhardt oder Mundlos] damals: Haben Sie über Sven R. gesprochen?

B: Nein, dann hätte ich das notiert.

G: Vorhalt zu Telefonat, in dem es auch um R. ging.

B: Wir sind richtig aneinandergeraten. Er hatte seinen Freundeskreis, ich meinen, deswegen ist da in Rudolstadt einiges auseinander gegangen.

G: Haben Sie mit Beamten des LfV über Sven R. gesprochen?

B: Das weiß ich heute nicht mehr.

G: 22.3.99 wurde Brandt Mitschnitt eines abgehörten Telefonats zwischen zwei Telefonzellen in Chemnitz und Coburg vorgespielt und Uwe Mundlos erkannt.

B: Weiß ich nicht mehr.

G: Bei JN-Kongress habe Carsten S. Brandt mitgeteilt, er halte jetzt den Kontakt zu den Dreien.

G: Können Sie mit Stichwort: "Mundlos und T-Shirt-Kollektion" etwas anfangen?

B: Nur, dass damit das Trio möglicherweise versucht hat, Geld zu verdienen.

(Gunnar Breske, MDR)

G: E. ? (ein Anwalt aus der Szene)

B: Ich habe eine Vollmacht weitergereicht – es war Kontakt zu Eisenecker gesucht worden, ich hab mit ihm mehrfach telefoniert. Die Vollmacht war in Thüringen bei einer Vorstandssitzung übergeben worden.

E. war Rechtsanwalt und er hat sich zu Mandanten nicht weiter geäußert. Ich hatte ihm das im Vorfeld erklärt, dass die untergetaucht sind und dass die zurück wollen. Man wollte einen Szeneanwalt – E. war ja auch Vize-Bundeschef der NPD. Wenn es eine Vereinbarung mit dem Freistaat geben würde, dass sich dann der Freistaat auch daran hält.

(Matthias Reiche, MDR)

Brandt: Wir Thüringer wollten ja, dass die Drei zurückkommen können.

Richter hält aus Gesprächsnotizen des LfV mit Quelle  (Brandt) vor. Geht um Gespräche mit Wohlleben, H. und S. über Hilfe für die Untergetauchten wie zum Beispiel Flucht ins Ausland.

Brandt hat keine detaillierten Erinnerungen mehr.

(Eckhart Querner, BR)

G: Können Sie sich an Aufenthalt in Neuburg/Donau mit Carsten S. erinnern?

B: Wenn, dann war das eine JN-Veranstaltung. Ich war jedes Wochenende auf politischen Veranstaltungen.

G: War es mal Thema, dass Schultze mit anderen über seine Kontakte zu den Dreien gesprochen hätte? Mit Wohlleben?

B: Da ist mir nichts geläufig.

(Gunnar Breske, MDR)

G: Christian K.? (Bruder von Andre K.)

B: War aktiv, intelligent. Wettstreit der zwei Brüder. Wäre besser wenn er älter gewesen wäre, da hätte er in Jena bestimmt mehr machen können. Wenn er nicht blockiert worden wäre, dann hätte er sich in der rechten Szene gut entwickeln können.

(Matthias Reiche, MDR)

Richter fragt nach Christian K., der die CD "Eichenlaub" gemacht hatte mit dem Lied "5. Februar", das den drei Untergetauchten gewidmet war. Bei einer Schulungsveranstaltung im Februar 2000 in Eisenberg  sei Christian K. auf das Lied angesprochen worden von einem Chemnitzer Neonazi, der dabei sagte, den Dreien ginge es gut - so hat es Brandt dem Verfassungsschutz berichtet.

Brandt kann sich nun nicht erinnern.

(Eckhart Querner, BR)

G: Beschaffung von Reisepässen. Über was haben Sie sich mit Herrn K. (gemeint ist Andre K.) unterhalten?

B: Nur das, was ich im NSU-Untersuchungsausschuss, gelesen hab. Keine eigene Erinnerung.

G: Vorhalt zu 1998. K. erzählt, dass Brandt einer Person aus Nordhausen 1.500 DM für die Beschaffung von Reisepässen gab. Diese Person musste wegen Waffengeschäften flüchten, die Pässe wurden nicht ausgeliefert. Eine andere Person habe sich gefunden, die aber jetzt 1.800 verlange.

B: Kann dazu nichts sagen.

G: weiteres Thema: Können Sie sich erinnern, ob Sie sich mit K. über die finanzielle Situation der Drei nach ihrem Untertauchen im Jahr 98 unterhalten haben?

B: Weiß ich nicht mehr.

G: Vorhalt: Andre K. habe bei Vorgesprächen zu Demo erzählt, das Trio sei zwar an einem sicheren Ort gewesen, hätte aber große finanzielle Probleme.

G: Können Sie sich erinnern, dass Sie auf der Hochzeit von Thorsten H. waren?

B: Ja, mehrere Bands spielten, es wurde viel Alkohol getrunken.

G: War Holger G. da?

B: Das kann gut sein, Hannover war ja nicht weit weg.

(Gunnar Breske, MDR)

G: 18.6.99 - Vorhalt - Gespräch Holger G. und Brandt bei Hochzeit, G. habe noch nicht mit H. sprechen können. G. habe sich mit Wohlleben auf Rastplatz getroffen, um mögliche Aufenthalts-Ziele für die Drei zu besprechen.

B: Weiß ich nicht mehr…

(Eckhart Querner, BR)       

G: Sollten Sie mal Handy an Familienmitglied des Trios übergeben?

B: Ich hab die Familien zum ersten Mal im Fernsehen gesehen. Familien kannte ich nicht. Handy hab ich nie übergeben.

G: Ist jemals eine von Ihnen angebotene Geldspende zurückgewiesen worden?

B: Ich kenne nur Sachverhalt aus NSU-UA: Landesamt hat mir Geld gegeben, das ich zu Wohlleben brachte. Der sagte mir, das sei nicht mehr nötig.

G: Vorhalt: Die Drei hätten so viele Aktionen gemacht, dass Geld nicht mehr nötig sei.

(Gunnar Breske, MDR)

G: 1.4.2001 - Gespräch mit Wohlleben. Brandt bot an, Geld angeblicher Lohnsteuer-Rückerstattung zu spenden, Wohlleben lehnte cool ab, das könne er vergessen, die Drei würden durch Aktionen gut klarkommen.

B: An ein einzelnes Gespräch kann ich mich nicht erinnern.

(Eckhart Querner, BR)

G: Wissen Sie, ob Sie mit Wohlleben über Unterbringung im Ausland  gesprochen haben? (Vermerk vom 10.4.2001 über Gespräch Anfang April 2001)

B: Das war Thema, aber ich erinnere mich nicht an ein spezielles Gespräch mit Wohlleben.

G: Vorhalt: Böhnhardt und Mundlos könnten sich Südafrika vorstellen. Zschäpe wolle nicht mitgehen, würde sich nach Abreise der Zwei den Behörden stellen.

B: Es gab Kontakte zur deutschstämmigen Bevölkerung in Südafrika. Burenrepublik.

G: Sagt Ihnen die “Residenz“ in Südafrika etwas?

B: Nichts genaues.

G: Jetzt eine ganz andere Frage: Ihre Bezüge und Funktion bei der NPD?

B: Irgendwann sind wir eingetreten in die NPD. Bin stellvertretender Landesvorsitzender geworden und Landespressesprecher. Wohlleben hat diesen Job später übernommen. Bis zu meiner Enttarnung 2001 habe ich die Funktion des stellvertretenden Landesvorsitzenden inne gehabt.

G: Andere Thematik; hatten Sie mal Bezug zu Heilbronn?

(Gunnar Breske, MDR)

B: Habe dort einen Geschäftsmann gekannt, dort wurde sein Privathaus versteigert, das sollte ich als Strohmann kaufen, damit er es wieder billig kaufen konnte. Er hat das Geld aber nicht aufgebracht, da kam es dann in Zwangsverwaltung. Politisch gar keinen Kontakt nach Heilbronn.

(Eckhart Querner, BR)

G: Nochmal zu Carsten S.. Mir geht's um Nachfrage: Hat er darüber mit Ihnen gesprochen, ob er sich weiter politisch engagieren will?

B: Er war JN-Vorsitzender geworden. Dann hat er mir mitgeteilt, dass er sich nicht mehr politisch engagieren wolle. Er hat uns das in Rudolstadt mitgeteilt. Wir haben ihn gebeten, seine Ämter ordentlich zu übergeben.

G: Zeitliche Einordnung?

B: Mai 2001

Pause bis 11.40 Uhr

(Paul-Elmar Jöris, WDR)

Fortsetzung um 11.50 Uhr

Das Fragerecht geht an die Verteidigung

Rechtsanwalt Stahl (Verteidigung Zschäpe) fragt nach Einzelheiten zur Verpflichtung von Rechtsanwalt E. um die Drei "nach Hause zu holen".

Brandt: Ansprechpartner war für mich damals Ralf Wohlleben. Wir wollten, dass sie unter vernünftigen Bedingungen zurückkommen, ein bis zwei Jahre oder Bewährungsstrafe für das bekommen, was in der Garage gefunden worden war.

(Matthias Reiche, MDR)

G: Bei welcher Gelegenheit wurde Rechtsanwalt E. die Vollmacht übergeben?

B: War bei Bundesvorstandssitzung der NPD in Thüringen, wer die Vollmacht gebracht hatte, kann ich nicht sagen. 

Stahl:  Sie sagten, dass ausgelotet werden sollte, wie eine sozialverträgliche Rückkehr der Untergetauchten möglich wäre?

B: Wollten nicht, dass die 10 Jahre oder so bekommen, und da Rechtsanwalt E. mich schon mehrmals vor Gericht vertrat, hatte ich gute Kontakte zu ihm

(Eckhart Querner, BR)

St: Sie haben gestern gesagt, Zschäpe sei keine "dumme Hausfrau" gewesen. Was haben Sie konkret in Erinnerung?

B: Eigene Ideen hat sie nicht entwickelt. Sie nahm nicht an Grundsatzdiskussionen teil. Bei Diskussionen über Germanentum und Brauchtum hat sie sich beteiligt. An Gesprächsfetzen kann ich mich nicht erinnern. Es waren Alltagsgespräche, normale Gespräche. Teilnahme an NPD-Demos. Ich habe mit Frau Zschäpe sicher nie eine Diskussion über sozialrevolutionäre Ideen gehabt.

St: Was hat Sie zu Vergleich mit Hausfrau bewogen?

B: Wir hatten Skinhead-Girls, die alles nachgesprochen hatten und fehl am Platze waren. Zschäpe dagegen hatte schon Ahnung von Politik und von dem, für das sie einstand.

St: Meinungsbildnerin?

B: War sie nicht.

St: Die Drei ins Ausland: Sie erwähnten Bestrebungen, bis Sachen verjährt seien. Was wussten Sie davon?

B: Bei Beate ist mir nur eine Sache bekannt: Beleidigung des Bürgermeisters von Rudolstadt auf Flugblatt. Das Gerichtsverfahren wurde 99 eingestellt.

St: Nochmal die Frage zur Verjährung.

B: 2004 oder 05, stand in der BILD, dass alles verjährt sei…

St: Das ist mir alles bekannt, Herr Brandt.

B: Beziehe mich auf Infos aus der BILD

Sturm: Sie hatten eben zu politischen Aktionen ausgeführt, dass das meiste vom THS durchgeführt worden sei. Können Sie das zeitlich genauer eingrenzen?

B: THS hat seit Bestehen immer politische Aktionen durchgeführt. Demos, Heß-Todestag, das war kontinuierlich.

Rechtsanwältin Sturm (Verteidigung Zschäpe): Zu Mittwochsstammtisch: Regelmäßig teilgenommen?

B: Meist ja.

Sturm: Wie viele Personen beteiligt?

B: Anfangs fünf bis zehn Personen, später viel mehr. Man traf sich zum Biertrinken. Immer mehr Kameradschaften aus immer mehr Städten. Keine politischen Reden, die Leute haben sich unterhalten.

Sturm: Fünf bis zehn Leute, sagen Sie: beziehen Sie sich auf Leute aus Saalfeld-Rudolstadt?

B: Ja.

Sturm: „Immer mehr Ende der 90er Jahre“: Können Sie das zahlenmäßig einschränken?

B: 70 bis 80 Leute.

Sturm: Haben Sie bei diesen Mittwochsstammtisch-Treffen auch Beate Zschäpe wahrgenommen?

B: Vor Untertauchen war sie immer wieder da

(Gunnar Breske, MDR)

Sturm: Dort Diskussionen zu Germanentum?

B: Nein, da wurde Bier getrunken, jeder Tisch hat sich über was anderes unterhalten, da wurde Skat gespielt, Dart, Billard, alles…

(Eckhart Querner, BR)

Sturm: Schulungen zu Weltanschauung, zu Germanentum. Wie oft fand das statt, mit wie vielen Leuten?

B: Rechtsschulungen hat Dr. E. gemacht: Verhalten bei Hausdurchsuchungen, Anzeigen…

Sturm: (unterbricht): Wie oft?

B: Alle zwei Monate. Wir hatten nicht jede Woche eine Schulung.

Sturm: Bei welchen Gelegenheiten haben Sie Zschäpe erlebt, wie Sie sie hier geschildert haben?

B: Auf welchen Veranstaltungen, kann ich nicht mehr nachvollziehen. Man ist auf Liederabende und Konzerte gegangen.

Sturm: Haben Sie sich bei Konzerten über Germanentum unterhalten?

B: Nein, da haben wir Musik gehört.

Sturm: Bei welchen Gelegenheiten?

B: Hab da kein konkretes Bild vor Augen.

(Gunnar Breske, MDR)

S: Was war damals für Sie wichtig - 90er Jahre?

B: Politische Arbeit war wichtig, war jedes WE bundesweit unterwegs. Gerne Bücher verkauft und gelesen. Dass man in Thüringen weiterkommt, vielleicht in die Parlamente kommt, vielleicht hätte es geklappt, wenn 2001 diese Sache nicht gewesen wäre…

(Eckhart Querner, BR)

Sturm: Als Sie als V-Mann tätig waren: War das etwas, womit Sie persönlich ein Problem hatten?

B: Ja, das war eine Gratwanderung. Ich kann das niemandem empfehlen. Man hat das komplette Leben verloren. Man hat sich mit Selbstmordgedanken getragen.

Sturm: Bei Mittagsgesprächen mit Ihren V-Mann-Führern: Waren Sie da nervös oder aufgeregt?

B: Nur am Anfang. Es war zur Routine geworden.

Sturm: Stichwort ‚die Drei': Welche Rolle spielte das bei Gesprächen mit V-Mann-Führern?

B: Sie hatten ne Rolle gespielt, kurz nach der Flucht. Da haben die mächtig aufgedreht in die Richtung. Dann ist das wieder in Vergessenheit geraten.

Sturm: Was heißt das?

B: Haben mit Extrageld gelockt. Ich sah Gefährdung, wenn ich mich zu stark involviere.

Sturm: Vorhin hatten Sie auf Frage meines Kollegen (Stahl) ausgeführt: Sich stellen wollen, sozialverträgliches Zurückkommen, welche Infos Sie hatten: "Ich habe die Gespräche mit Ralf geführt, er war für mich der Ansprechpartner". Welche Gespräche haben Sie mit Wohlleben geführt?

B: Die sind im Nachhinein dokumentiert worden…

Sturm: Naja, sie haben die ja auch persönlich erlebt…

B: Treffen ging normalerweise nur am Wochenende. Kein einzelnes Gespräch konkret in Erinnerung.

Sturm: Können Sie konkret zu Mundlos und etwas Böhnhardt sagen… Sie haben gesagt, Sie seien befreundet gewesen…. Gab es nach der Flucht von Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe irgendeinen direkten Kontakt?

B: Ich glaube, keinen direkten Kontakt. Ich war sicher, dass ich als Führungsperson komplett überwacht wurde.

Sturm: Dann ist Telefonat ein Jahr später eher ungewöhnlich.

B: Ja.

Sturm: Wundere mich, dass Sie keine Erinnerung mehr haben.

B: 2001 mit der Enttarnung hat sich mein Leben geändert. Konnte nicht ahnen, dass das wichtig werden könnte.

Sturm: Sind Sie nach Enttarnung krank geworden?

B: Hab Depressionen bekommen, wurde arbeitslos.

Sturm: Sind Sie behandelt worden?

B: 2011, nach dem 4. November, war ich wg. Depressionen in Behandlung.

Sturm: Auch Medikamente bekommen?

B: Name weiß ich nicht mehr. Antidepressivum. Halbes Jahr, ein Jahr.

Sturm: Sie sagten 2011… Vorhalt: "Seit über einem Jahr bin ich krankgeschrieben…" Aussage stammt von Anfang 2012.

B: Ich hatte Burnout, und Knalltrauma auf dem Ohr.

Heer: Herr Brandt, Sie sind zu Verhältnis zu Mundlos und Böhnhardt befragt worden. Aus heutiger Sicht seien Sie durchaus mit ihnen befreundet gewesen.

B: Wir waren Kameraden. Damals hat man das nicht bewertet. Man hat sich verstanden oder nicht.

Heer: Unterschied zwischen Bewertung damals und heute?

B: Damals waren wir eine nationale Gruppe. Da hat man nicht gesagt, man ist befreundet. Das war ein ‚guter Kamerad'.

Heer: Verhältnis in der Gruppe insgesamt oder zu B, M und Z?

B: Ich bin mit den meisten Leuten insgesamt gut ausgekommen. Damals waren wir befreundet.

Heer: Gerade gesagt, früher Kameradschaft, heute Freundschaft. Gab es damals mit Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe eine Art persönliche Ebene?

B: Sie waren diejenigen, mit den ich mich hauptsächlich abgegeben hab. Der engere Kreis, da haben die drei dazu gehört. Ich hab mich mit denen gut verstanden.

Heer: Gibt es Unterschied in Anzahl und Dauer Ihrer Gespräche mit Mundlos im Vergleich zu Frau Zschäpe?

B: Habe mich sicherlich mehr mit Herrn Mundlos unterhalten.

Heer: Haben Sie eine Erinnerung, wie oft Sie sich mit Frau Zschäpe unterhalten haben?

B: Kann ich nicht mehr sagen

Heer: Was macht Freundschaft für Sie aus?

B: Dass man für einander einsteht.

Heer: Haben Sie damals Unterschied zwischen Kameradschaft und Freundschaft gesehen?

B: Es gab hunderte Kameraden. Ich hatte mit Leuten in Jena sicherlich bessere Kontakte als mit Jugendlichen in Rudolstadt.

Heer: Haben Sie Erinnerung, dass Frau Zschäpe Ihnen private Dinge aus ihrem Leben erzählt hat?

B: Nicht so oft gesehen, über Privates nicht unterhalten.

Heer: Nichts in Erinnerung?

B: Nein.

Mittagspause bis 13:35

(Gunnar Breske, MDR)

13.45: Gericht teilt Verzögerung bis 13:55 Uhr mit

(Eckhart Querner, BR)

13.50: Erneute Verzögerung bis 14:15 Uhr

(Holger Schmidt, SWR)

Tino Brandt und Angeklagte waren schon im Saal, dann ging Zschäpe wieder. Grimmiger Gesichtsausdruck! Justizkreise: Verzögerung liegt an Zschäpe.

(Paul-Elmar Jöris, WDR)

Fortsetzung 14.24 Uhr

Götzl: Herr W. (Polizeibeamter) hat mir mitgeteilt, dass Sie kein Vertrauen in Ihre Verteidiger haben?

Zschäpe nickt nachdrücklich

Götzl: Verhandlung unterbrochen. Muss geprüft werden, welche Tatsachen eine nachhaltige Störung des Vertrauens rechtfertigen. Sie kann das schriftlich machen. Morgige Verhandlung wird aufgehoben.

Hinweis

Diese Texte sind eine Auswahl der Mitschriften der Reporter der ARD und des BR während der zentralen Verhandlungstage im sogenannten "NSU-Prozess", eines beispiellosen Verfahrens der deutschen Rechtsgeschichte. Wir dokumentieren diesen "Originalton", weil es in der deutschen Praxis des Strafprozessrechts, selbst bei derartig wichtigen Verfahren, kein offizielles und umfassendes Gerichtsprotokoll gibt. Wir erfüllen damit unsere Informationspflicht, um allen, die keinen der begehrten Sitzplätze im Gerichtssaal erhalten haben, einen – durchaus auch subjektiven – Eindruck der Prozessereignisse zu vermitteln. Die Zusammenfassungen der sogenannten "Saalinfos" unserer Reporter sind redaktionell bearbeitet, zum Teil gekürzt. Es wird kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben und es kann natürlich auch keine Gewähr für die Richtigkeit jedes einzelnen Wortes gegeben werden. Die Redaktion distanziert sich ausdrücklich von den Inhalten der Aussagen der Prozessteilnehmer.


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