NSU-Prozess


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124. Verhandlungstag, 8.7.2014 Schlagabtausch in Sachen Strafprozessordung

Ein Szene-Anwalt im Zeugenstand. Und zwar nicht irgendeiner, sondern der ehemalige Verteidiger von Beate Zschäpe. Das klingt nach einem spannenden Prozesstag. Wären da nicht die Vorschriften der Strafprozessordnung. Von Privatgeheimnissen und dem umstrittenen Recht darauf, die Aussage zu verweigern …

Von: Mira Barthelmann

Stand: 08.07.2014 | Archiv

Mira Barthelmann | Bild: BR

08 Juli

Dienstag, 08. Juli 2014

Was kann man sich von einem Anwalt im Zeugenstand erwarten? Die Beteiligten des NSU-Prozesses hatten davon schon vor Beginn der Befragung offenbar sehr unterschiedliche Vorstellungen. Bei dem Zeugen handelte es sich um den 54-jährigen Thomas Jauch. Ein bekannter Anwalt in der rechten Szene. Die Liste seiner vergangenen Mandantschaften ist lang. Unter ihnen die beiden Verstorbenen, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos, sowie die im Prozess Angeklagte Beate Zschäpe.

"Beruflicher Geheimnisträger"

Was also darf ein Anwalt, deren ehemalige Mandantin auf der Anklagebank sitzt, überhaupt aussagen? "Ich bin ja hier beruflicher Geheimnisträger", führt Jauch gleich in seiner ersten Antwort aus und macht von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch. Doch wie weit greift dieses? Mehrere Stunden sollten vergehen, in denen Verteidiger, Nebenklagevertreter und Bundesanwälte ihre Sichtweisen zur Auslegung dieses Paragrafen immer wieder durchargumentierten. Der Senat zog sich immer wieder zu Beratungen zurück. Der Vorsitzende Richter gab dann allen Fragen statt. Bis auf eine wurden diese trotzdem von den Verteidigern beanstandet und jeweils ein richterlicher Beschluss gefordert. Der Zeuge musste mindestens dreimal den Verhandlungssaal verlassen, so dass die Nebenklagevertreter die Zielrichtung ihrer Fragen vorab erläutern konnten. Wieder und wieder wurde das Verfahren unterbrochen.

So wenig wie möglich erinnern

Und was blieb übrig an Erkenntnisgewinn einer fast vierstündigen Befragung? Ja, Anwalt Jauch hat Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe als Mandanten vertreten. Holger G. und Carsten S. hatten Jauch in der heutigen Verhandlung immerhin von seiner Schweigepflicht entbunden. Der Zeuge erinnerte sich dann auch an einen beruflichen Kontakt zu Holger G. An den Inhalt seiner Arbeit konnte er sich aber nicht erinnern. Überhaupt vernichte er sämtliche Unterlagen grundsätzlich, die älter als zehn Jahre alt sind. An einen Kontakt mit Carsten S. konnte er sich dagegen überhaupt nicht erinnern. Der Zeuge gab auf Nachfragen der Nebenklage außerdem an, ein Grundstück verpachtet zu haben. Ob auf der Fläche bis 2003 Konzerte stattgefunden haben, deren Erlös dem NSU zugeflossen sein sollen, ist Anwalt Jauch dagegen nicht bekannt: "Ich habe daran nicht teilgenommen."

Quadratur des Kreises

Ein Zeuge, der von Beginn der Befragung an, nichts sagen will, kann oder darf. Aus seinen Ausführungen trotzdem wertvolle Erkenntnisse für diesen Prozess zu ziehen, gleicht der Quadratur eines Kreises. Statt handhabbarere Aussagen zu gewinnen, haben sich sämtliche Parteien heute einen Schlagabtausch in Sachen Strafprozessordung geliefert. Ob die Zulassung aller Fragen an Rechtsanwalt Jauch letztlich zu einer Anfechtung des gesamten Verfahrens ausreichen könnte, bleibt jedoch äußerst fraglich.


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