NSU-Prozess


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121. Verhandlungstag, 1.7.2014 Wohlleben bleibt in Haft

Der Ex-NPD-Funktionär stellte einen Befangenheitsantrag gegen das Gericht. Das hatte seinen Antrag auf ein Ende der U-Haft zuvor abgelehnt. Am 121. Verhandlungstag befragte das Gericht auch einen führenden Neonazi zu möglichen NSU-Kontakten.

Von: Tim Aßmann

Stand: 01.07.2014 | Archiv

Tim Aßmann | Bild: BR

01 Juli

Dienstag, 01. Juli 2014

Es bestehen weiter dringender Tatverdacht und Fluchtgefahr. Der Staatsschutzsenat des OLG München hat entschieden: Der Angeklagte Ralf Wohlleben bleibt in der JVA München-Stadelheim. Die Untersuchungshaft wird nicht aufgehoben. Für das Gericht hat der bisherige Verlauf der Beweisaufnahme ausreichend Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Ex-NPD-Funktionär Wohlleben zentrale Figur bei der Unterstützung des untergetauchten Neonazi-Trios Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe war und die Beschaffung der mutmaßlichen Haupt-Tatwaffe in Auftrag gab – jener Ceska-Pistole, mit der neun von zehn Morden begangen wurden, die dem NSU zur Last gelegt werden.

Entlastendes nicht zur Kenntnis genommen?

Ralf Wohlleben ließ nun einen Befangenheitsantrag gegen die fünf Richterinnen und Richter unter Vorsitz von Manfred Götzl stellen. Wohlleben wirft ihnen vor, Zeugenausnahmen unvollständig zu würdigen und einseitig und selektiv gegen ihn zu interpretieren. Entlastendes nehme der Senat schlicht nicht zur Kenntnis, erklärte Wohllebens Verteidigerin. Über den Befangenheitsantrag wird nun ein anderer Senat des Oberlandesgerichts in den nächsten Tagen entscheiden. Die Hauptverhandlung wird unterdessen fortgesetzt.

Neonazi-Größe im Zeugenstand

Nach dem juristischen Gezerre um den Befangenheitsantrag wurde dann mit der Vernehmung eines 35-Jährigen begonnen, der eine zentrale Rolle im Neonazi-Millieu spielte und zahlreiche Kontakte zu europäischen Gesinnungsgenossen hatte. Er habe einen nationalen Sozialismus gewollt, sagte Thomas G. dem Vorsitzenden Richter, sich aber mittlerweile - seit er Familie habe - aus der aktiven politischen Arbeit zurückgezogen. Manfred Götzl hakte nach, fragte ob sich an der politischen Einstellung des Zeugen irgendetwas geändert habe? „Nö“, erklärte Thomas G. ohne zu zögern.

Zeuge muss mit Beugehaft rechnen

Der Zeuge engagierte sich über Jahre stark in der rechtsextremen Szene. Die Entscheidung dazu sei während einer Haftstrafe gefallen, sagte er. Das sei der „positive Nebeneffekt der Haftzeit“ gewesen. Da habe man viel nachdenken können. Thomas G. kannte auch den Angeklagten Ralf Wohlleben gut, war in der rechtsextremen Kameradschaftsszene gut vernetzt. Gewalt zur Durchsetzung politischer Ziele sei aber nie Thema gewesen, erklärte Thomas G. nun im Zeugenstand. Als der Vorsitzende Richter mehr über die sogenannten „Hammer-Skins“ und die Rolle des Zeugen in dieser Gruppe wissen wollte, verweigerte Thomas G. die Aussage. Ihm drohen nun Zwangsmittel bis hin zur Beugehaft. Er wird erneut als Zeuge geladen werden.


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