NSU-Prozess


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112. Verhandlungstag, 19.5.2014 Ganz dicht dran

Das Thüringer Landeskriminalamt war dem NSU offenbar im Jahre 1998 dicht auf den Fersen. Kurz nach dem Abtauchen der mutmaßlichen Rechts-Terroristen observierten die Ermittler einen Mann, der als Kurier für das Trio fungierte. Das LKA fotografierte den Kurier bei der Übergabe eines Beutels an einen anderen Mann - augenscheinlich ein weiterer, bislang unbekannter Kurier. Warum die Terrorzelle daraufhin nicht aufflog, ist unklar.

Von: Alf Meier

Stand: 19.05.2014 | Archiv

Alf Meier | Bild: BR

19 Mai

Montag, 19. Mai 2014

Er habe die Bilder bei Vernehmungen gezeigt bekommen, sagte Jürgen H. heute vor Gericht. Darauf sei auch jener Mann zu sehen gewesen, dem er den Beutel übergab. Man habe sich auf dem McDonald-Parkplatz getroffen direkt an der Autobahn A4. Er sei nur kurz ausgestiegen, sagte der Zeuge, den anderen Mann, der mit einer schwarzen Kapuzenjacke bekleidet gewesen sei, habe er nicht gekannt. Auch über den Inhalt des Beutels, den er nach eigener Aussage von Ralf Wohlleben bekommen hat, konnte H. nur wenig sagen. Nach seiner Einschätzung befanden sich in der Plastiktüte CD's und Kleidung.

Aussage belastet Ralf Wohlleben und Carsten S.

Jürgen H. ist wortkarg, der Vorsitzende Richter Götzl muss ihm viel aus der Nase ziehen. "Weiß ich nicht mehr", dieser Satz war heute ständig zu hören. Mit Ralf Wohlleben, der im NSU-Prozess wegen Beihilfe zum Mord angeklagt ist, war H. befreundet. Den ebenfalls wegen Beihilfe angeklagten Carsten S. hat er gut gekannt.

Wohlleben und Carsten S. hätten ihm gesagt zu welcher Telefonzelle er wegen der Kontaktaufnahme gehen sollte. Dort sei er dann von Mundlos oder Böhnhardt wegen der Übergabe angerufen worden, einmal sogar aus der Schweiz.

Wohlleben und S. hätten ihn auch gebeten, Exemplare des judenfeindlichen und NS-verherrlichenden "Pogromly"-Spiels zwischenzulagern. Diese Abwandlung des Monopoly-Spiels hätten Böhnhardt und Mundlos in Handarbeit produziert. Die Spiele seien für je 100 D-Mark an Kunden aus der Szene verkauft worden.

"Gekriegt ham se uns nich"

Einmal, etwa Mitte 1998, hätten sie auch Kleidung und Papiere aus Beate Zschäpes alter Wohnung geholt. Während S. in der Wohnung gewesen sei, habe er unten im Auto gewartet. Dann sei eine Polizeistreife gekommen. "Gekriegt ham se uns nich", sagte der Zeuge, die Polizei sei nur vorbeigefahren.

Später habe er dann noch einmal einen Beutel von Wohlleben oder Carsten S. bekommen. Mit diesem sei er dann in die Felsenkellerstraße in Jena gefahren. In einem dunklen Hauseingang an der Ruine einer alten Brauerei habe er den Beutel dann wieder einem schwarz gekleideten Kapuzenmann übergeben, sagte Jürgen H. Bei dieser Übergabe habe er kein gutes Gefühl gehabt. Es sei dunkel gewesen, und wegen des Gewichts des Päckchens habe er sich gefragt, ob eine Waffe darin war.

"Böhnhardt hat immer ein Messer bei sich getragen"

Jürgen H. war auch mit Uwe Böhnhardt befreundet. Die beiden waren in ihrer Jugendzeit gemeinsam von ihren Familien ausgerissen. Beate Zschäpe und Uwe Mundlos will er nur flüchtig gekannt haben. "Wenn es um seine Interessen ging, dann konnte Böhnhardt sich schon durchsetzten" erzählte H. "Er hat immer ein Messer bei sich getragen…zu seiner Verteidigung nahm ich an. Warum trägt man sonst ein Messer?" Böhnhardt sei ein "Waffennarr" und " Ausländerhasser" gewesen, sagte der Zeuge, der nach Erkenntnis der Behörden inzwischen aus der Szene ausgestiegen ist.


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