NSU-Prozess


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110. Verhandlungstag, 6.5.2014 Frau Zschäpe ist übel

Jahrestag im NSU-Prozess: Seit genau einem Jahr wird vor dem Oberlandesgericht München verhandelt. Der 110. Prozesstag war eine besondere Geduldsprobe.

Von: Thies Marsen

Stand: 06.05.2014 | Archiv

Mandy S. nimmt heute erneut auf dem Zeugenstuhl im NSU-Prozess platz. | Bild: dpa-Bildfunk

06 Mai

Dienstag, 06. Mai 2014

Dass der NSU-Prozess eine Geduldsprobe werden würde, war von Beginn an klar. Zehn Morde, mindestens drei Bombenanschläge, zahlreiche Raubüberfälle. „Man kann das nicht in einem vierwöchigen Prozess abfrühstücken“, formulierte es heute Bundesanwalt Herbert Diemer treffend.

Eine Geduldsprobe zum Jahrestag

Um dem noch eins drauf zu setzen, geriet der Jahrestag des Prozesses heute zu einer ganz besonderen Geduldsprobe. Eigentlich hätte es vor allem um den Mordfall Mehmet Kubaşık gehen sollen. Doch kurz nach dem Beginn der Befragung eines Dortmunder Polizisten wurde die Verhandlung auch schon wieder unterbrochen. Beate Zschäpe fühle sich nicht gut, ließ ihr Verteidiger wissen, von einer Magen-Darm-Geschichte wurde gemunkelt.

Kein Prozess ohne Zschäpe

Die Folge: Eine fast sechs Stunden lange Hängepartie. Immer wieder wurde die Unterbrechung der Verhandlung weiter verlängert, es folgte ein Austausch juristischer Spitzfindigkeiten zwischen Verteidigung, Anklage und Richter über die Frage, ob man über den gesundheitlichen Zustand von Beate Zschäpe ohne Beate Zschäpe überhaupt im Gerichtssaal reden dürfe. Schließlich beantragte die Bundesanwaltschaft sogar die zwangsweise Vorführung Zschäpes – was allerdings sowohl die Verteidiger als auch Nebenkläger ablehnten, Richter Manfred Götzl verzichtete schließlich auf diese außergewöhnliche Zwangsmaßnahme und brach den 110.Prozesstag schließlich ab.

Ärger bei den Prozessbeobachtern

Eine Enttäuschung insbesondere für rund 50 Nordrhein-Westfalen, die zum Jahrestag des Prozessbeginns eigens mit dem Bus nach München gekommen waren. Unter ihnen Vertreter von türkischen Arbeitervereinen und auch Anwohner der Kölner Keupstraße, wo der NSU 2004 einen folgenschweren Nagelbombenanschlag verübt haben soll. Während drinnen im Gerichtssaal wenig voran ging, machten die aus dem Nordwesten Angereisten ihrem Unmut  draußen Luft: Darüber, dass die zahlreichen Unterstützer, die der NSU in der deutschen Neonaziszene gehabt haben müsse, weitgehend unbehelligt blieben. Darüber, dass gegen Rassisten und Rassismus immer noch viel zu wenig getan werden, insbesondere gegen den institutionellen Rassismus, also den in den Sicherheitsbehörden, der erst dazu geführt habe, dass der NSU unbemerkt rauben und morden konnte.

„Es geht mühsam voran, aber es geht voran.“

Vor der Selbstenttarnung des NSU wurde jahrelang fast ausschließlich im persönlichen Umfeld der Opfer ermittelt, diese wurden als Drogendealer oder Ehebrecher hingestellt, die Opfer zu Tätern gemacht. In der türkischen Gemeinschaft, das wurde heute vor dem Münchner Justizgebäude einmal mehr deutlich, sind Misstrauen und Unmut gegenüber der deutschen Justiz weiterhin groß. Ein Prozesstag wie dieser trägt sicher wenig dazu bei, das Misstrauen zu zerstreuen. Dabei sind die meisten Nebenklagevertreter insgesamt zufrieden mit dem bisherigen Verlauf des Prozesses. Das Versagen der Geheimdienste werde inzwischen ebenso im Gerichtssaal thematisiert, wie die Verbindungen des NSU zur Neonaziszene, lobte heute Rechtsanwältin Angelika Lex. Und Doris Dierbach, die die Familie des Kasseler Mordopfers Halit Yozgat vertritt, bilanzierte anlässlich des Jahrestags des Prozessbeginns: „Es geht mühsam voran, aber es geht voran.“


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