NSU-Prozess


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NSU-Prozess: Gerichtssaal-Protokoll 99. Verhandlungstag, 27.03.2014

Erneut im Zeugenstand: Juliane W., die frühere Lebensgefährtin des Angeklagten Ralf Wohlleben. Im Anschluss sagen zwei ehemalige V-Mann-Führer zu ihren Kontakten mit V-Mann Tino Brandt aus.

Von: Christoph Arnowski, Holger Schmidt und Tim Aßmann

Stand: 27.03.2014 | Archiv

NSU Prozess Gerichtsprotokoll | Bild: BR

Ähnlich wie am Vortag beruft sich Juliane W. auffällig oft auf Erinnerungslücken.

Zeugen:
Juliane W. (Ex-Freundin Angeklagter Wohlleben)
Norbert W. (ehem. V-Mann-Führer, Landesamt für Verfassungsschutz Thüringen)
Jürgen Z. (ehem. V-Mann-Führer, Landesamt für Verfassungsschutz Thüringen)

ARD-Reporter über das Geschehen im Gerichtssaal

(Holger Schmidt, SWR)
10.30 Uhr.
Fortsetzung Vernehmung Juliane W.
RA Antonia von der Behrens (Nebenklage-Anwältin der Opfer des Anschlags in der Kölner Keupstraße): Sie haben ja André K. vor dessen Vernehmung kontaktiert. Was hat er gesagt?
W: Kann es nicht mehr genau wiedergeben, habe alles gelöscht. Er hat mich gefragt, was die wissen wollen, worum es geht. Ich habe gefragt, was die von mir wissen wollen, worum es geht.
vdB: Was hat er gesagt?
W: Kann mich nur an einen Satz erinnern: Dass der Herr Mundlos (der Vater von Uwe Mundlos) eine Aussage gemacht hat, die mich mit reinzieht.
vdB: Was noch?
W: War ein kurzer Verlauf, kann mich nicht erinnern.
vdB: Hat er Sie auf die Verfassungsschutztreffen angesprochen?
W: Ja, ich war überrascht. Habe ja über die zwei Treffen mit niemand gesprochen. War erstaunt, dass er das weiß!

(Christoph Arnowski, BR)
vdB: Vorhalt aus Juliane W.s Vernehmung bei der Polizei: "Er schrieb daraufhin, dass ich wissen müsste, was in den Verfassungsschutz-Akten steht."
W: Jetzt erinnere ich mich. Aber ich konnte das nicht genau einordnen. Ich habe das auf Gespräche mit dem Verfassungsschutz bezogen. Ich war irritiert, wie er darauf kommt, das wusste ja niemand. Habe keine Versuche unternommen, herauszufinden, woher er das wusste.

RA Stephan Kuhn (Nebenklage-Anwältin der Opfer des Anschlags in der Kölner Keupstraße): Wie viele Telefone gab es 97/98 in Ihrem Haushalt (dem gemeinsamen Haushalt mit Wohlleben)?
W: Ein Festnetz, Wohlleben hatte ein Handy.
K: Hatte Wohlleben ein Kontakthandy?
W: Weiß ich nicht.
K: Aussage von Herrn W. (dem ehemaligen V-Mann Führer, der später als Zeuge geladen ist) im NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages: "Versuchten, an das Kontakthandy zu kommen, auch über Person als Nahbeobachterin, gelang aber nicht."
K: Wurden Sie vom Verfassungsschutz beauftragt, Telefon zu beschaffen?
W: Kann ich mich überhaupt nicht erinnern.

(Holger Schmidt, SWR)
RA Seda Basay (Nebenklage-Anwältin der Witwe des ermordeten Enver Simsek): Kennen Sie Frau Mundlos?
W: Weiß nicht, wo ich sie hintun soll.
B: EC-Karte von ihr gehabt?
W: Von niemand EC-Karte gehabt!

(Christoph Arnowski, BR)
Kuhn: Können Sie sich in Zusammenhang mit Uwe Mundlos an eine EC-Karte erinnern?
W: Habe ich von Polizei gehört, dass ich bei Frau Mundlos auf der Arbeit gewesen sein soll, kann mich aber nicht daran erinnern.

(Holger Schmidt, SWR)
Basay: Vorhalt Vernehmung Frau Mundlos: "Eine Juliane brachte mir meine EC-Karte zurück und erwähnte, dass sie einen Schlüssel für die Wohnung von Uwe habe. Fräulein Juliane fragte, ob sie die Karte wieder für Uwe mitnehmen könne."
W: Habe daran keine Erinnerung.
B: Frau Mundlos hatte 12 Jahre später eine Erinnerung.
W: Bin ja nicht Frau Mundlos, bin Frau W.

(Christoph Arnowski, BR)
RA Gül Pinar (Nebenklage-Anwältin der Angehörigen des ermordeten Süleyman Tasköprü): Gab es eine Zeit, in der André K. öfter als ab und zu bei Ihnen (Wohlleben) war?
W: Das weiß ich nicht.
P: War er eine Zeit lang täglich bei Ihnen?
W: Kann ich schwer sagen, dass er täglich da war.
P: Vorhalt Observation: Tägliche Besuche?
W: Kann ich mich nicht erinnern.
P: Haben Sie K. bei politischen Aktionen geholfen?
W: Nein.
P: Auch nicht beim Aufbau eines NPD-Stands?
W: Nein, ich kann mich nicht erinnern.
P: Bei Behördengang?
W: Tut mir leid, kann ich mich nicht erinnern.

(Holger Schmidt, SWR)
Pinar will Pause, um Antrag zu formulieren.
Richter Manfred Götzl: Worum geht es?
P: Ordnungsgeld (gegen die Zeugin wegen Aussageverweigerung), worum sonst?
G: Ich kann unmöglich vorausahnen, was Sie vorhaben. Verbitte mir Vorwurf!
P: Entschuldigung, das ist naheliegend.
G: Nein, nicht unbedingt. Bedenken Sie, wie lange das her ist (und es damit sein kann, dass sich die Zeugin tatsächlich nicht erinnert).
RA Wolfgang Stahl (Verteidigung Zschäpe): Frau Kollegin: Hinweis, dass bei Zeugen nur Ordnungsgeld bei vollständiger Verweigerung möglich ist, wenn ich das richtig sehe, BGH-Entscheidung.
G: Wir wissen, welche Entscheidung Sie meinen - also ich jedenfalls!
P: Lieber Herr Kollege Stahl, nennen Sie mir die Fundstelle?
G (lachend): Aus dem Kopf??
5 Minuten Pause.

(Christoph Arnowski, BR)
10.40 Uhr, Fortsetzung.
Kein Antrag auf Ordnungsgeld.
P: Haben Sie Verpflichtungserklärung unterschrieben, Stillschweigen über Kontakt zu Verfassungsschutz zu wahren?
W: Kann mich nicht erinnern, ob ich Quittungen unterschrieben habe, also weiß ich das nicht.

Zeugin W. wendet sich an den Richter: Ich fühle mich sehr alleine gelassen, werde an den Pranger gestellt, es werden Sachen gefragt von 95, 96, es wird immer weiter nach hinten verlagert, und dann wird mir wieder zum Vorwurf gemacht, wenn ich mich nicht erinnere.
Götzl versucht zu vermitteln.
RA Olaf Klemke (Verteidigung Wohlleben) springt Zeugin bei.

Wenig später wird Zeugin entlassen, bis 13 Uhr unterbrochen.

(Tim Aßmann, BR)
Weiter um 13.06 Uhr.
Zeuge Norbert W., 67 Jahre alt, Pensionär, ladungsfähig über Landeskriminalamt (LKA) Thüringen.
Verlesen wird Aussagegenehmigung durch LKA Thüringen. Es ist eine erweiterte Genehmigung bzgl. allen Entwicklungen zu "Thüringer Heimatschutz" (THS), NSU und sonstigen Gruppierungen. Nicht genehmigt: geheime Identitäten von Informationsgebern mit der Ausnahme Tino Brandt.
Zweite Aussagegenehmigung erstreckt sich auf Juliane W. und Andreas R.
W: War ab 1998 bis 2001 im Referat Beschaffung Rechtsextremismus beim LfV (Landesamt für Verfassungsschutz) Thüringen, nach Enttarnung von Tino Brandt war ich auf eigenen Wunsch bis zur Pensionierung im Jahr 2011 beim LKA.

(Holger Schmidt, SWR)
W: Nach Auftauchen von Flugschriften Anti-Antifa wurde im Urheberkreis nach Personen gesucht, man kam schnell auf Tino Brandt. Dann Hess-Aufmärsche, die ja brisant waren und für viel Wirbel gesorgt haben.

(Tim Aßmann, BR)
W: In erster Linie wurden finanzielle Anreize gegeben und nach etlichen Probeaufträgen wurde er 1994 dem Referat V-Mann-Führung übergeben. Er wurde dann bis zur Enttarnung von mir geführt und ich muss sagen, dass er in dieser Zeit sehr kooperativ war, ehrlich berichtet hat und über gesamtes Rechtsspektrum umfangreich und wahrheitsgemäß berichtet hat.

(Holger Schmidt, SWR)
Götzl: Wer hat ihn in der Zeit geführt, in der Sie ihn nicht geführt haben?
W: Herr B. und als Vertreter Herr Z.
G: Kontakt?
W: Persönlich wöchentlich, telefonisch rund um die Uhr.


(Tim Aßmann, BR)
W: Wöchentlich hat mindestens ein Treffen statt gefunden. Die Aufträge wurden mit Auswertung abgestimmt: in erster Linie Erkenntnisgewinne rechte Szene, Verbindungen "THS" zur NPD und die Suche nach dem Trio.
Von den Treffen wurden Deckblattberichte gemacht. Die gingen zur Auswertung und dann zum jeweiligen Landes- oder Bundesamt, die tangiert waren. Natürlich sind die Berichte auch über den jeweiligen Referatsleiter dann in die Auswertung gelangt.
Erste Nummer für Brandt war VM 2045 und Deckname "Otto". Nach der Abschaltung wurde er unter dem Decknamen "Oskar" reaktiviert. Nummer kann ich nicht sagen.
Götzl hält vor: VM 2100?
W: Ja.

(Holger Schmidt, SWR)
G: Bitte, dass Sie uns Brandt in seinem Verhalten schildern.
W: Unheimlich kooperativ, für Geld hätte er 24 Stunden Dienst gemacht.
Pünktlich. Verzögerungen oder nicht Einhalten von Terminen fanden bei ihm nicht statt. Entscheidendes Führungsmittel war Geld gewesen.
G: Vielleicht können Sie schildern, wie das gelaufen ist?
W: In diesem Fall war es so, dass 800 bis 1.000 DM fester Bestandteil war. Dazu kamen Fahrtkosten und Telefonkosten, so dass es 1.200, 1.300 oder 1.500 DM waren.

(Tim Aßmann, BR)
G: War Brandt auch auf bestimmte Personen angesetzt?
W: Nein. Er hatte nur den Auftrag, Kontakt zu Wohlleben und André K. zu halten und auf diesem Wege Informationen über das Trio zu erhalten.
W: Entscheidung vorher war: Wir beteiligen uns mit der Zielfahndung des LKA an der Suche nach dem Trio. Ansatzpunkte waren Ralf Wohlleben und André K. War schwierig Informationen zu erhalten, weil es immer wieder hieß: Keiner weiß was, keiner sagt was.
G: Und welche Informationen haben Sie dann letztlich bekommen?
W: Dass wir Hinweise bekamen auf Torsten H., hatten auch Hinweise nach Niedersachsen zu Holger G. (dem Angeklagten). Das waren im Grunde die Informationen, die direkt aus dem Thüringer Bereich gekommen sind.
G: Welche Info zu H.?
W: H. hatte sich unterhalten: mit Auslandskontakt kann man die Leute ins Ausland bringen. Aber aus dieser Kontaktaufnahme ist nichts geworden. Info zu G. wurde an Verfassungsschutz Niedersachsen abgegeben. Die haben wohl an dem Hinweis gearbeitet, aber Spur zu dem Trio ist nicht gekommen. Zu Holger G. kamen Observationsberichte und das war's dann.
W: André K. war sehr unzuverlässig - also ich kann das nur sagen ab Mitte 98 - da war Ansprechpartner Ralf Wohlleben. André K. galt als unzuverlässig. Dass das Geld für die Passbeschaffung nicht angekommen ist, hat das Misstrauen noch erhöht.
G: Was ist die Grundlage der Informationen, die Sie uns hier geben?
W: Das war das, was er (Tino Brandt) die letzten vier Jahre mit Schwerpunkt "THS" geliefert hat.
W: Freundin von Ralf Wohlleben, der Hinweis kam von Zielfahndung. Beschlossen diese Person gemeinsam zu befragen. Das ist geschehen mit einem Zielfahnder. Es wurde Geld übergeben, hat sie auch angenommen und konnte natürlich das, was wir erwartet haben, nicht bestätigen. Wir wollten von ihr die Kontaktpersonen und die Kommunikationswege von Wohlleben wissen. Nachdem das bei mehreren Treffen zu keinem Ergebnis kam, wurde dieser Kontakt abgebrochen, weil sie auch nicht bereit war zusätzlich noch Informationen aus der Szene zu beschaffen.
G: Wie viele Treffen?
W: Drei bis sechs.
G: Genauer darstellen wie Ablauf und Auftrag war.
W: Haben uns getroffen gemeinsam mit Zielfahnder. Ist sehr unüblich. Der war vom ersten Treffen an zugegen, war der Herr W. vom Zielfahndungskommando Thüringen.
G: Wurden keine weiteren Versuche gemacht sie anzuwerben?
W: Wir wollten den Aufenthaltsort der Drei wissen. Das war der Generalauftrag.
G: Wieviel Geld?
W: 200 Mark pro Treffen, glaub' ich.
G: Wie lange?
W: Maximal zwei Monate. Mehr war das nicht.
G: Hat sie mit Wohlleben darüber gesprochen?
W: Da haben wir keine Informationen gehabt.
G: Auch nicht von Brandt?
W: Nein.

Nun zu Andreas R.: Zusammenarbeit war nicht ergiebig, wurde schließlich eingestellt, erstmalig angesprochen wurde er 96. Immer wieder längere Pausen, weil er schon damals bestimmte Aufträge nicht erledigen wollte. Deshalb sehr unregelmäßige Treffs. Erste Ansprache war in der Haft. Die Kontakte waren dann bis 98 da. Er hat die ersten Aufträge nicht erfüllt, dann sollte er sich nur melden, wenn er was weiß und da ist dann wochenlang nichts gekommen.
G: Geld an ihn?
W. Die ersten Prämien bekam er dann, um ihn anzufüttern. Pro Treff zwischen 200 und 400 Mark.
G: Welche Stellung hatte jetzt Frau W. letztlich gegenüber dem LfV?
W: Die hatte überhaupt keinen Status. War 'ne Abschöpfung, 'ne Informantin gewesen. Der R. ist nicht verpflichtet worden und sie auch nicht.
G: Können Sie zu Kontakten mit Zielfahndung noch was sagen?
W: Dieser Zusammenhang hatte die fatale Folge, dass die Zielfahnder ein- und ausgegangen sind, ständig das Gespräch gesucht haben. Gemeinsame Aktionen sind durchgeführt worden, was ja eigentlich für Verfassungsschutz nicht üblich ist. Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: wenn da 40 TKÜs der Zielfahndung laufen und Sie kriegen keine Informationen darüber, dann kann da auch keine Zusammenarbeit laufen. Wir sind bei der Zusammenarbeit bis an die Grenzen [des Quellenschutzes] gegangen, weil Informationen zum Teil sofort eins zu eins weitergegeben wurden zum Trio, zu Chemnitz usw.
G: Will jetzt nicht alle Themen ansprechen. Möchte Brandt vorher hören. Deswegen werden wir das jetzt zurückstellen.
Kontakte zu Eltern Mundlos, Böhnhardt?
W: Hatte zweimal Kontakt zu Böhnhardts. Familie Mundlos haben andere Kollegen gemacht. Bei Böhnhardt ging es um freiwillige Aufgabe bzw. in Abstimmung mit Staatsanwaltschaft um Einstellung bzw. geringere Strafen. Haben Kontakt aufgenommen, um sie mit Strafminderung aus dem Untergrund zu holen. Sind angelogen worden vom ersten Gespräch bis zum letzten. Wie in anderen Fällen auch. Ist ja Anwalt ins Spiel gekommen und dann wurde auch sofort der Kontakt beendet.
G: Unter welchen Namen wurden Juliane W. und Andreas R. geführt?
W: W. als "Jule" und R. als "Alex".
G: Carsten S. ihnen bekannt?
W: Als Name der rechten Szene. Ja. Aber nie Kontakt gehabt und auch nicht versucht aufzunehmen.
Pause bis 14.25 Uhr.

(Tim Aßmann, BR)
Weiter um 14.28 Uhr mit dem Zeugen Norbert W., ehemals LfV und LKA Thüringen.
Götzl fragt nochmal nach der V-Mann-Nummer von Tino Brandt. Doch nicht 2100, sondern 2150.
W: Ja. "Oskar" (Deckname Brandt nach Reaktivierung).
G: Hat Brandt selber Aufzeichnungen gefertigt?
W: Nein. Berichte wurden nach Treffen gefertigt.

(Christoph Arnowski, BR)
W: Treffen einmal pro Woche am Donnerstag für eineinhalb Stunden. Donnerstag deshalb, weil im Innenministerium immer Sicherheitslage für das Wochenende. Über Brandt hatten wir Informationen, was NPD vorhatte.

(Tim Aßmann, BR)
W: Erste Abschaltung Brandt (als V-Mann) muss im Sommer 2000 gewesen sein. Die Abschaltung ist mir entzogen worden, weil ich mich geweigert habe, Knall auf Fall hinzufahren und die Zusammenarbeit zu beenden.
W: Grund war, dass sich Referatsleiter S. unheimlich an NDR-Interview gestört hat (das Brandt gegeben hat).
W: Die eigentlich wichtigste Quelle des Amtes war Tino Brandt und ohne Brandt konnte das Amt überhaupt keine Auskunft geben.
W: Zweite Abschaltung entschied der neue Präsident. Der hatte entschieden, dass Führungskräfte (der Rechtsextremen) nicht mehr als Quelle geführt werden dürfen und deshalb wurde er im Januar 2001 abgeschaltet. Wurde vereinbart, dass wir vier oder fünf Nachsorgungstreffen machen.
Im Frühjahr 2001 hat es NPD-Aufmarsch in Frankfurt/Main gegeben, unter Beteiligung der Thüringer. War so, dass Präsident kam und sagte: "Du musst Nachsorge verlegen: Wir brauchen Informationen." Dann ist Treff vereinbart worden und dieser Treff ist vom Amt verraten worden. Referatsleiter S. stellte am Abend vorher Trupp zusammen, um Treff zu observieren. Total unüblich. Da ist es dann zu dieser Veröffentlichung gekommen, wo das Amt keine Chance mehr hatte uns als Beschaffer zu halten und Tino Brandt als Quelle.
Götzl: Sie werden erneut geladen. Würde gerne an der Stelle unterbrechen. Haben auch noch Herrn Z. da. Den möchte ich auch hören. Darf mich bei Ihnen bedanken.
Pause bis 14.50 Uhr.

(Tim Aßmann, BR)
Weiter um 14.50 Uhr, Zeuge Jürgen Z., 62 Jahre alt aus Bad Berka, KPI Erfurt.
Z: V-Mann-Führung oblag B. und W. In deren Abwesenheit bin ich eingesprungen. Damit immer gewährleistet ist, dass der V-Mann getroffen werden konnte. Ich war auch V-Mann-Führer, aber ich hatte meine eigenen V-Leute. Wie oft ich Tino Brandt getroffen habe, weiß ich wirklich nicht mehr. Habe W. die gesamte Zeit vertreten (in der dieser Brandt geführt hat).
G: Aber Kontakt hatten Sie schon zu Tino Brandt?
Z: Jaja.

(Christoph Arnowski, BR)
G: Wie oft durchschnittlich im Jahr?
Z: Zehnmal vielleicht.

(Tim Aßmann, BR)
G: Wie hat sich Brandt verhalten?
Z: Als ich ihn das erste Mal traf, war er schon 'ne Weile V-Mann. War eigentlich völlig problemlos mit ihm, hat keinerlei Berührungsängste gehabt.

(Christoph Arnowski, BR)
G: Würden Sie einen Treffbericht als den Ihren wieder erkennen?
Z: Möglich. Was ich als Treffbericht niedergeschrieben habe, weiß ich heute nicht mehr.

(Tim Aßmann, BR)
G (hebt leicht die Stimme): Was heißt das?
Z: Da müsste ich wissen, was in dem Bericht drinstehen soll.
G (klingt nun deutlich verstimmt): Ja, ich weiß es nicht. Sie haben ihn getroffen.
Z: Das ist so lange her. Das weiß ich jetzt so nicht.
G: Wann war letzter Kontakt zu Brandt?
Z: 2000 oder 2001.
G: Wissen Sie noch, worum es dabei ging?
Z: Nein. Das weiß ich nicht mehr.
G: Ich denke, Sie kommen nochmal wieder. Lassen Sie sich das durch den Kopf gehen und dann kommen Sie nochmal wieder. Gegebenenfalls müssen wir das dann mit Ihnen einzeln durchgehen.
Z: Ja, einverstanden.
RA Stahl (Verteidigung Zschäpe): Hat denn der Zeuge 'ne Möglichkeit, sich in seiner ehemaligen Dienststelle vorzubereiten?
G: Wir werden dann sowieso auf einzelne Berichte eingehen müssen.
Zeuge darf für heute wieder gehen.

Stellungnahme Klemke (Verteidigung Wohlleben): Wiedersprechen der Verwertung der Vernehmung KOK B. über die Vernehmung Andreas S. (der die Ceska an Carsten S. verkauft haben soll) am 9.2.12 in Karlsruhe. S. hätte als Beschuldigter vernommen werden müssen. Er wurde über Aussagefreiheit im Unklaren gelassen. Haben ihn durch aktive Täuschung zur Aussage veranlasst, die er sonst nicht gemacht hatte. Der Verdacht der Beihilfe zum Mord gegen ihn hatte sich schon vor der Vernehmung so verdichtet, dass er als Beschuldigter und nicht als Zeuge hätte vernommen werden müssen. Aussage von KOK B. verräterisch, die Vernehmung von S. als Zeuge habe doch "prima gepasst". Aussagen von S. aus der Vernehmung sind unverwertbar.

Stellungnahme RA Nicole Schneiders (Verteidigung Wohlleben): Für den Fall der Verwertung der Aussage KOK B: Der Zeuge erklärte zur Waffenbeschreibung: Relativ sicher, dass osteuropäische Waffe und zunächst auch, dass kein Schalldämpfer. Räumte das später ein und sagte, er sei explizit mitbestellt worden. Er sagte, Carsten S. und Wohlleben seien öfter im Laden gewesen. Weil Aussage von Andreas S. zunächst nicht mit der These von Ermittlern bzgl. der Herkunft der Waffe übereinstimmte, wurde er dazu in der zweiten Vernehmung nicht mehr befragt. Wenn die Aussagen in die Theorien passten, fragten die Vernehmer nicht nach und zwar auch dann, wenn sich Fragen förmlich aufdrängten.

Erklärung RA Stephan Kuhn (Nebenklage Keupstr.) zur Vernehmung von KOK B.: Vernehmung von Andreas S. stützt die Angaben von Carsten S. Beteiligung Wohlleben an Waffenkauf bestätigt. Verwendung von Plural "die" in der Aussage, der Schalldämpfer sei bestellt, ist Beleg für die Beteiligung Wohllebens. Andreas S. sah in Carsten S. nur einen Mittelsmann. Eigentlicher Geschäftspartner war Wohlleben.

Erklärung RA Peer Stolle (Nebenklage Keupstr.) zu André K.: Gab wider besseren Wissens unzureichende Antworten, täuschte Erinnerungslücken vor. Besser wurde sein Gedächtnis, wenn die Verteidigung Wohlleben fragte. Dann wusste er zu Personen flüssig und sehr detailreich zu erzählen, auch wenn es um Vorgänge ging, die er nicht mal selber erlebt hatte. Bei Jürgen H. hingegen wusste er nicht mal, ob mal mehr als Hallo gesagt und das, obwohl er ihn vor der Südafrika-Reise getroffen haben soll. Aussage war erkennbar von dem Bemühen getragen, Kameraden zu schützen. Muss als offene Aussageverweigerung bewertet werden und blieb für ihn trotzdem folgenlos. Aussageverhalten André K., der nicht von Verweigerungsrecht Gebrauch machte, lässt nur den Schluss zu, dass er seinen Kameraden und jetzigen Angeklagten meinte, mit Aussage helfen zu können. Mit Blick auf Wohlleben misslang das.

Schluss.

Hinweis

Diese Texte sind eine Auswahl der Mitschriften der Reporter der ARD und des BR während der zentralen Verhandlungstage im sogenannten "NSU-Prozess", eines beispiellosen Verfahrens der deutschen Rechtsgeschichte. Wir dokumentieren diesen "Originalton", weil es in der deutschen Praxis des Strafprozessrechts, selbst bei derartig wichtigen Verfahren, kein offizielles und umfassendes Gerichtsprotokoll gibt. Wir erfüllen damit unsere Informationspflicht, um allen, die keinen der begehrten Sitzplätze im Gerichtssaal erhalten haben, einen - durchaus auch subjektiven - Eindruck der Prozessereignisse zu vermitteln. Die Zusammenfassungen der sogenannten "Saalinfos" unserer Reporter sind redaktionell bearbeitet, zum Teil gekürzt. Es wird kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben und es kann natürlich auch keine Gewähr für die Richtigkeit jedes einzelnen Wortes gegeben werden. Die Redaktion distanziert sich ausdrücklich von den Inhalten der Aussagen der Prozessteilnehmer.


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