NSU-Prozess


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83. Verhandlungstag, 4.2.2014 Die Suche nach der Erinnerung des Martin A.

"Ich dachte er wollte als Polizist ein möglichst guter Zeuge sein", so beschrieb ein Heilbronner Kriminalbeamter nun die Befragungen von Martin A. – jenem Polizisten, der 2007 von einem Kopfschuss lebensgefährlich verletzt wurde, als seine Kollegin Michele Kiesewetter auf dem Sitz neben ihm starb.

Von: Tim Aßmann

Stand: 04.02.2014 | Archiv

Tim Aßmann | Bild: BR

04 Februar

Dienstag, 04. Februar 2014

Der Ermittler aus Heilbronn befragte Martin A. mehrmals, nachdem dessen Gesundheitszustand das wieder zuließ. Den Zuhörern im Gerichtssaal wurde dabei deutlich, wie verbissen Martin A. sich zu erinnern versuchte, aber die entscheidenden Sequenzen von dem Überfall auf ihn und seine Kollegin wollten einfach nicht wiederkehren. Der überlebende Polizist liess sich sogar hypnotisieren, aber auch das brachte nicht weiter. Martin A. war sich nach mehreren Vernehmungen zwar sicher, damals zwei Männer gesehen zu haben, die sich auf beiden Seiten von hinten dem Streifenwagen näherten. Wirklich beschreiben konnte er die Männer aber nicht und der Augenblick des Überfalls ist in seinem Gedächtnis wie ausgelöscht. Das was er ausgesagt habe, sei aber sicher das, was er auch tatsächlich noch wisse, sagte der Ermittler, der ihn damals befragte nun als Zeuge. Er habe zwar zunächst geglaubt A. wolle vor allem alles richtig machen, aber der habe auf Nachfrage gesagt, er sei sich bei seinen Erinnerungen sicher.

Zschäpes Ex-Nachbarin auf Dauer vernehmungsunfähig

Danach befragte das Gericht eine Allgemeinmedizinerin aus Zwickau als Zeugin. Sie ist Ärztin von Charlotte E. – der hochbetagten Ex-Nachbarin von Beate Zschäpe aus der Zwickauer Frühlingsstraße. Sie war damals im Haus als am 4. November 2011 die Zschäpe-Wohnung in die Luft flog. Für die Anklage ist klar: Zschäpe legte den Brand und konnte sicher sein, dass die gehunfähige Charlotte E. im Gebäude ist. Zschäpe ist deshalb wegen versuchten Mordes angeklagt. Das Gericht versuchte Charlotte E. dazu zu befragen - per Videoschaltung in ein Altenheim. Doch die Frau konnte den Fragen nicht folgen und nickte sogar kurz ein. Ihre behandelnde Ärztin machte dem Gericht nun keine Hoffnung, dass eine erneute Befragung besser laufen könnte. "Das wage ich zu bezweifeln" sagte die Ärztin: "Ich kanns mir nicht vorstellen".

Ein Sachverständiger beim dem man sich nur wundert

Am Schluss des 83. Verhandlungstages standen die Befragungen von zwei Waffen-Sachverständigen des Bundeskriminalamts. Zeugenaussagen sind für solche Experten eigentlich Alltag. Einer der Sachverständigen trug seine Untersuchungs-Ergebnisse aber so unübersichtlich vor, dass dem Vorsitzenden Richter Manfred Götzl der Kragen platzte. Es ging um die Zuordnung von Projektilen und Hülsen aus zwei Pistolen, die im Brandschutt der Frühlingsstraße gefunden wurden, zu den Taten, die dem NSU angelastet werden. Dass diese Zuordnung für das Gericht und alle Prozessbeteiligten nachvollziehbar sein muss, hätte dem BKA-Experten eigentlich klar sein können, ohne dass ihm ein hörbar verstimmter Manfred Götzl das erst erklären muss. Fazit: Projektile und Hülsen von allen neun Tatorten der sogenannten "Ceska-Mordserie" lassen sich den Pistolen zuordnen.


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