NSU-Prozess


6

82. Verhandlungstag, 3.2.2014 Ein ganz normaler Tag

Ein ganz "normaler" Tag, dieser 82. Verhandlungstag, nichts "Besonderes". Im Zeugenstand Sindy P., 28, Verkäuferin und ehemalige Nachbarin der Hauptangeklagten Zschäpe in der Zwickauer Polenzstraße.

Von: Eckhart Querner

Stand: 03.02.2014 | Archiv

Eckhart Querner | Bild: BR

03 Februar

Montag, 03. Februar 2014

Zschäpe lässt sich von den Nachbarn ‚Lisa‘ nennen, berichtet die ehemalige Nachbarin von Beate Zschäpe:

"Ich hab sie kennen gelernt, wie die anderen Nachbarn auch, da war nichts Besonderes", erzählt die Zeugin. "Lisa war dort mit einem Mann, ich weiß nur nicht, mit welchem (…) Der hat sich ganz normal verhalten."

Die beiden Frauen treffen sich zwei bis drei Mal in der Woche, mal zum Rauchen, mal zum Kaffeetrinken, sie sehen sich auch bei den abendlichen Zusammenkünften der Nachbarn, wo gegrillt und getrunken wird und wo Lisa mit P.s Tochter spielt. Alles normal: "Wir haben wenig über Lisas Leben gesprochen, mehr über unseres. (…) Sie war eine sehr gute Zuhörerin, sie hat meine Probleme angehört, ihre aber nicht geschildert."

Sindy P. wirkt etwas schlicht, scheint jener Typ von Mensch zu sein, der bloß nicht nachfragt und der auch keine Gegenfragen stellt, der in seinen Unterhaltungen an der Oberfläche bleibt. Für die mutmaßliche NSU-Terrroristin Zschäpe sind das Idealbedingungen: sie tritt als die harmlose, freundliche Nachbarin auf. Die Bundesanwaltschaft wirft ihr vor, sie sei für die Tarnung des NSU-Trios nach außen zuständig gewesen. Mit Sindy P. hat Zschäpe jedenfalls offensichtlich ganz leichtes Spiel gehabt.

Dann erzählt die junge Frau im Zeugenstand in Andeutungen von einem Streit mit einer Freundin. Lisa habe sie danach auch nicht mehr gesehen. Lisa habe gewollt, dass wir uns wieder vertragen. Nähere Umstände erfährt das Gericht zunächst nicht. Erst später, als ein Anwalt der Nebenklage die Zeugin an ihre Pflicht zur Wahrheit erinnert, will sie sich wieder erinnern. Sie habe einen Streit mit einer Freundin namens Susann gehabt, weil sie Lisa etwas weitererzählt und der anderen Freundin gegenüber abgestritten habe, das getan zu haben. "Lisa wollte, dass das geklärt wurde." Daraufhin brach P. den Kontakt zu Zschäpe ab.

Als die Zeugin das endlich herausgebracht hat, wird Richter Götzl sauer: "Warum haben Sie das nicht gesagt?" - "Weil mir das gerade erst eingefallen ist." Unglauben im Gerichtssaal. Götzl ist schwer verärgert und antwortet: "Verschweigen ist auch Falschaussage!"

Später wird die Zeugin von einem anderen Anwalt der Nebenklage befragt. Was für eine politische Gesinnung sie habe? Antwort: "Normal. Wie jeder Mensch auch, oder?" Und ihr Ehemann? Gegen diese Frage protestieren die Verteidiger Zschäpes, doch es hilft nichts: P. muss den Saal vorübergehend verlassen und der Anwalt berichtet von der Facebook-Seite des Ehemanns, aus der die rechte Gesinnung des Gatten erkennbar wird: ein Gedicht gegen Ausländer wird zitiert ("Der Deutsche hat Kohlen, der Ali hat Drogen. Wir Deutsche wir zahlen und werden betrogen"), dann zeigt der Anwalt auf dem Account ein Foto von Pink Panther, darauf der Spruch:"I love you".

Als die Zeugin wieder hereingerufen wird: "Ist das Ihrer Ansicht nach 'normal', will der Anwalt wissen. Schließlich wird die Zeugin entlassen. Zuvor hat sie noch gesagt: "Ich teile seine Einstellung nicht. Darüber soll er sich mit Ihnen selbst unterhalten."

Zu Ende geht ein ganz 'normaler' Verhandlungstag, wie wir ihn schon einige Male mit Zeugen aus dem Umfeld der Hauptangeklagten erlebt haben.


6