NSU-Prozess


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NSU-Prozess: Gerichtssaal-Protokoll 58. Verhandlungstag, 20.11.2013

An diesem Prozesstag wird die Befragung der Mutter des mutmaßlichen NSU-Terroristen Uwe Böhnhardt, Brigitte Böhnhardt, fortgesetzt.

Von: Tim Aßmann, Holger Schmidt, Christoph Arnowski, Gunnar Breske und Matthias Reiche

Stand: 28.04.2014 | Archiv

NSU Prozess Gerichtsprotokoll | Bild: BR

Sie berichtet weiter über ihre Kontakte zum untergetauchten NSU-Trio. Sie erzählt auch über die Beziehung ihres Sohnes Uwe zu Beate Zschäpe. Brigitte Böhnhardt beschreibt Zschäpe als "schüchtern" und "höflich" und sagt, die Angeklagte habe einen positiven Einfluss auf ihren Sohn gehabt.

Gutachter

  • Prof. Henning Saß (beauftragt mit psychiatrischem Gutachten über Zschäpe)

Zeugin

  • Brigitte Böhnhardt, Mutter von Uwe Böhnhardt

ARD-Reporter über das Geschehen im Gerichtssaal

(Tim Aßmann, BR)
Beginn 9.46 Uhr, Richter Götzl stellt Anwesenheit fest.
Erneut Brigitte Böhnhardt, Götzl belehrt nochmal.
Richter Götzl: Familiensituation. Schildern Sie wie Elternhaus aussah, Geschwister, Aufwachsen, wichtige Ereignisse darstellen.
Brigitte Böhnhardt: Hab ich doch gestern schon ausgesagt.
G.: Stichwort: Was macht ihr Mann?
B.: Ingenieur bei Jenaer Glas/Schott.
Richter Götzl fragt nach dem Tod eines der zwei Brüder von Uwe, Brigitte Böhnhardt will darüber nicht reden.
Richter Götzl bohrt nach.
B.: War für alle ein traumatisches Ereignis, Bruder 1988 im Alter von 17 Jahren tödlich verunglückt. - Möchte weiter nichts dazu sagen, würde mich zu sehr belasten, hat mit dem, was dann folgte sicher nichts zu tun.
G.: sagt, das könne Bedeutung gehabt haben.
B.: Nur, dass wir danach ganz besonders auf den Uwe aufgepasst haben.
G.: Name des Sohnes?
B.: Peter.

(Holger Schmidt, SWR)
Richter Götzl: Wie war die Rolle der Geschwister untereinander?
Zeugin Böhnhardt: Es sind drei Jungs gewesen, zwei relativ gleichen Alters und Uwe war der kleine Bruder.
G.: Da bleiben wir sehr an den Äußerlichkeiten, Sie sind dazu ja rhetorisch und verbal in der Lage!
B.: Sie meinen, das ist wirklich notwendig?
G.: Ich denke ja. Auch Verhältnis zum Vater. Das sind alles Dinge, die wir ansprechen müssen.
B.: Weil ich nicht möchte, dass wir wieder durch alle Zeitungen gehetzt werden, was wir alles schon an Dramen erlebt haben.

(Tim Aßmann, BR)
Brigitte Böhnhardt möchte nicht mehr dazu sagen, Richter Götzl versucht sehr ruhig und sensibel zu vermitteln, warum er das wissen möchte.
Böhnhardt: Wen interessiert das wirklich? (Sie hat Bedenken, dass in der Presse nochmal alles thematisiert wird.)
Götzl: Das Gericht interessiert das. (Götzl ist weiter ganz ruhig und bemüht). Dass Sie da Bedenken aus nachvollziehbaren Gründen haben, muss leider zurückstehen.
Verteidigerin Sturm (Verteidigung Zschäpe): Es geht um höchstpersönlichen Lebensbereich, der nicht nur den verstorbenen Sohn betrifft, sondern auch die ganze Familie. Beantrage Ausschluss der Öffentlichkeit.
Götzl will das erst in Betracht ziehen, wenn wirklich intime Fragen oder Bereiche (betroffen sind). Dann werde man darüber nachdenken.
RA Sturm: Das sind mitnichten oberflächliche Umstände.
Götzl: Frau Böhnhardt fragen, wie Sie es sieht.
B.: Mir ist klar, dass Uwe, unser dritter Sohn, oder seine Taten, die man ihm anlegt, im Mittelpunkt stehen, aber ich weiß nicht, was das mit den beiden anderen zu tun hat. Ältesten Sohn schützen, Enkel schützen, meinen Mann schützen. Sie haben eben gesagt, Sie wollen mich nicht belasten, aber es belastet mich trotzdem.
G.: Entwicklung Ihres Sohnes läuft nicht isoliert.

(Holger Schmidt, SWR)
Böhnhardt: Kürzen wir es ab, dann werde ich jetzt aussagen, egal, was auf mich zukommt. Erster Sohn 1969 geboren, zweiter Sohn 1971. Familienplanung damit abgeschlossen. Wir waren sparsam, wir waren fleißig. 1974 neue Wohnung, Vier-Raum-Wohnung, Neubau, Zentralheizung, zwei Kinderzimmer, das war super. Irgendwann kam der Wunsch auf, vielleicht noch ein Kind. Ich wünschte mir ein Mädchen. Für die Jungs war es toll, die wollten kein Mädchen. Für sie war der kleine Bruder das liebste und beste Spielzeug. Sie wollten ihn auch wickeln, wenn er gestunken hat. Ich konnte mich absolut und hundert Prozent auf die Großen verlassen. Das haben sie sehr gerne gemacht, Dreiradfahren, Rollerfahren, alles beigebracht, Uwe gehörte immer dazu. Mit kleinen Nöten und Lügen ist er immer erst zu den Brüdern gegangen, besonders zu Peter. Mein Mann und ich hatten zu tun, es gab Ärger, es gab Sorgen, es gab Stress. Was wir immer abgelehnt haben, war Gewalt in der Erziehung: Was uns oft vorgeworfen wurde war, dass wir Uwe nicht mal verdroschen haben. Wir haben das abgelehnt. Wir hatten immer einen höflichen Umgangston. Hat sich gehalten. Hat sich immer in einem vernünftigen Ton über uns geäußert. In der Schule hatte er Probleme beim Lesen, besonders Peter hat ihm da geholfen. Zwei Kinderzimmer. Das größere hatten die beiden Großen, Uwe das kleine. Die beiden haben ihn in der Schule geschützt. 1987: Großer hat ein Mädchen kennengelernt und ist ausgezogen.

Betont: Wir waren eine ganz normale Familie. Mein Mann war stolz auf seine drei Söhne, er hat geholfen, wo er konnte. Hat versucht, nebenbei noch Geld zu verdienen: Betriebsfeuerwehr. Zweimal im Jahr in den Urlaub gefahren, im Winter eine Woche, im Sommer zwei Wochen. Daneben auch noch Jugendlager. Wir sind mit dem Auto in die Tschechei gefahren, Abenteuerurlaub. Geschwister mögen gedacht haben, dass wir den Kleinen bevorzugen. Wir haben ihm auch mehr durchgehen lassen. Dann kam das dramatische Ereignis, dass Peter tödlich verunglückte, wir haben versucht ihn (Uwe) zu schützen und aufzufangen. Schulprobleme, Disziplinprobleme. Er hat gelitten, wir haben gelitten.

Schulpsychologe hat nicht viel gebracht. Wir haben versucht, ihn abzulenken. Häufig großen Bruder besucht, er (Uwe) durfte trauern, er durfte weinen, er durfte Bild aufstellen. Und wir mussten die Starken sein. Eigentlich hat uns dieser Verlust noch näher zusammen gebracht. Andere Ehen gehen daran kaputt, wir haben vereinbart, dass einer auf den anderen aufpasst. Es ging schulisch bergauf, wir haben uns gefreut, es ging bergauf. Es hätte alles anders kommen können, wenn nicht die Schulreform gekommen wäre. Bei Uwe kam so viel, zusammen: Die politische Umwälzung, die Schulreform und die Pubertät. Wir haben ihn nicht vor die Tür gesetzt, wir haben ihn nicht geschlagen, wir haben versucht, ihn zu schützen.

Götzl: Sohn Peter abgestürzt?
Böhnhardt: Es wurde nicht geklärt. Die Polizei hatte keine Zeit, kein Interesse. Vielleicht rührt schon von daher mein etwas gestörtes Verhältnis zur Polizei. Ein Satz hat sich mir eingeprägt: "Wir haben schließlich noch anderes zu tun, als die Eltern eines toten Jungen zu benachrichtigen." Sport: Fußball, Ringen, Handball. Er war immer kontaktfreudig, die Kinder durften auch immer kommen. Zu seinen Verwandten war er immer nett, war beliebt. Er hatte alle Sportgeräte, die es zu kaufen gab oder die es von den großen Brüdern gab. Nur mit der Schule hatte er es nicht so, sah sie als notwendiges Übel.

(Tim Aßmann, BR)
Götzl: Problematische Eigenschaftes Ihres Sohnes?
Böhnhardt: Außer, dass er schulfaul war, fallen mir nicht wirklich schlechte Eigenschaften ein. Keine wo ich jetzt sagen würde: hässlich. Hat uns nicht beschimpft, war nicht gewalttätig, hat sich nicht mal groß über Lehrer beschwert. Er hatte auch Freunde, die nicht hochkamen, weil sie gespürt haben, dass wir mit ihnen nicht einverstanden waren (damit meint sie aber nicht Mundlos, Zschäpe, Wohlleben, ...)
G.: Ab wann haben Sie Uwe Mundlos wahrgenommen?
B.: Kann ich zeitlich nicht zuordnen. Würde es einschränken auf Mitte der 90er Jahre, aber nicht beeiden. Kann es auch nicht an Ereignissen festmachen
G.: Wie gingen die beiden miteinander um?
B.: Tja. Wie ist Uwe Mundlos mit meinem Sohn umgegangen? Sind in Uwes Zimmer verschwunden, hab sicher auch mal gefragt: "Was machst du? Was macht dein Bruder?" - er hatte ja einen behinderten Bruder. Hab Hoffnung geschöpft, als er (Mundlos) mal erzählt hat, er wolle Abitur machen, nachholen. Hab mir gedacht, vielleicht gibt das Uwe Schub (nun meint sie ihren Sohn).
Götzl fragt erneut nach Mundlos-Besuchen.
B.: Kann nicht mehr sagen wie oft. Aber als Mundlos merkte, dass wir seine politischen Ansichten nicht teilen, ist er nicht mehr hochgekommen. Das hat ihm wahrscheinlich nicht so gefallen, dass ich versucht habe ihn auszufragen.
Pause bis 11 Uhr.

(Tim Aßmann, BR)
Weiter um 11.06 Uhr.
Götzl: Gespräche mit Mundlos über Politik. Was können Sie dazu sagen?
Böhnhardt: Was ich gestern gesagt habe.
G.: Sind wir nicht drauf eingegangen.
B.: An genauen Inhalt der Gespräche kann ich mich nicht erinnern. Hab ihn sicherlich gefragt, wie es zu Überzeugungen kam, er schweifte ab in die Geschichte, hat dann irgendwann gesagt: "Ach, Frau Böhnhardt", weil er merkte er kommt nicht weiter. Uwe Mundlos war sicherlich intelligenter als mein Sohn, soll nicht heißen, dass ich ihm die Schuld an der Entwicklung meines Sohnes gebe, Uwe hätte jederzeit nein sagen können.

B.: Mundlos war schlau genug, Gesprächen über Politik aus dem Weg zu gehen. Er hat gemerkt, dass ich mit seinen Überzeugungen nicht einverstanden war. Zum Teil haben wir diskutiert, aber er hat sich der Sache dann auch entzogen. Ich weiß, dass sein Großvater im Krieg war und mit ihm über die deutsche Vergangenheit gesprochen und die Sache vielleicht auch etwas glorifiziert hat. Dieses Glorifizieren der Verantwortlichen, das hat man so ein bisschen gemerkt bei dem Uwe. Hab das abgetan als: Du spinnst. Er war der erste in der Gruppe der leichte Tendenzen nach rechts gezeigt hat bei seiner Kleidung und, na ja, unser Uwe zog dann nach. Bomberjacke, schwarze Hose, diese doofen Springerstiefel, das konnte ich alles nicht leiden.

Sah mir zu militärisch aus (Springerstiefel), mochte ich gar nicht. Was er für Aufnäher hat? Die hab ich gar nicht erkannt. Hatte keine Ahnung, was was bedeutet.
G.: Was meinen Sie mit "Glorifizieren"? Was hat er gesagt?
B.: Inhalt kann ich nicht mehr sagen. Hat sich so geäußert. An die näheren Worte kann ich mich nicht erinnern. Dass die sich nicht haben unterkriegen lassen. Das fand er toll. Krude. Kinder in der DDR sind doch damit nicht konfrontiert worden. Ich kannte keine Alt-Nazis. Was wir uns vorwerfen ist, dass wir die ersten Tendenzen, als er sich dieser Gruppe angeschlossen hat, nicht (wahrgenommen) haben. Kann es zeitlich nicht eingrenzen. Dass wir die ersten Tendenzen spürten, als er mit Uwe Mundlos zusammen war, wäre möglich.
G.: Sie haben Zimmer Ihres Sohnes durchsucht. Warum? Wonach haben Sie gesucht?
B.: Grund: Als wir ihn das erste Mal bei der Polizei abholen mussten, weil sie in Kiosk eingebrochen waren, danach fand irgendwann Hausdurchsuchung statt. Waren dann schon wütend. Gab dann nochmal Durchsuchung, da hatten sie wieder irgendwo geklaut. Da haben sie unseren Computer mitgenommen. Und da hab ich angefangen Uwes Zimmer zu durchsuchen nach Sachen, die er sich nicht gekauft haben kann.
G.: Was gefunden?
B.: Süßigkeiten. Auch mal Zigaretten. Konnte ihm nicht nachweisen, ob er das geklaut hatte. Deswegen weiß ich, dass er nie im Leben eine Armbrust in seinem Zimmer hatte. Da kam Verdacht auf, vielleicht haben sie bei heimlichen Durchsuchungen etwas versteckt, das sie später dann fanden. Weiß von zwei heimlichen Durchsuchungen. Wir hatten eine Steinschleuder gegen Vögel und er hatte im Garten ein Schnitzmesser, aus Bayern hatte er kleines Messer mitgebracht wo er auf Wanderungen mit schnitzen konnte. Aber er hatte keine Dolche. Hat uns gegenüber nie ein Faible für Waffen gezeigt.

(Tim Aßmann, BR)
11.50 Uhr.
Richter Götzl: Jetzt kommen wir zu Frau Zschäpe. Wann haben Sie sie kennen gelernt?
Mutter Böhnhardt: Selbst das fällt mir schwer, könnte sie eher beantworten als ich. Könnte 1995 gewesen sein, 1996 schon Beate mit bei uns gewesen, wurde vorgestellt als Uwes Freundin. Kann auch schon 1994 gewesen sein, aber da leg ich mich nicht fest.
(Zschäpe reagiert nicht.)
Vorher haben wir über Beate noch gar nichts gehört. Wusste von meinem Sohn, dass sie früher mit Mundlos zusammen war. Hatte damit kein Problem. Die erste Freundin ist selten die letzte. Eines Tages fragte uns Uwe, ob er mal seine Freundin mitbringen darf. Ich sagte: Klar. Hatte Gefühl, sie hat Vertrauen zu mir. Hatten ein gutes Verhältnis. Uwe war verliebt und sie denk‘ ich auch. Hatte das Gefühl, dass sie gern zu uns kam. Hat ihr gut getan. Ihr ganzes Auftreten war genauso wie man sich eine junge Frau vorstellt.
(Zschäpe schaut zu ihr hin, zeigt aber ansonsten keine Reaktion, hat Hände gefaltet auf dem Tisch.)
War eigentlich froh, dass Uwe eine feste Freundin hatte, gehofft, dass er auf andere Gedanken kommt, habe als Mutter gedacht: Oh, das könnte schön werden, gründen Familie. Habe gehofft, dass sie ihn auf rechten Weg bringt. Ist uns nie durch rechte Kleidung aufgefallen. Man ist als Eltern glücklich, wenn das Kind glücklich ist. Ob 19 oder 20 spielt keine Rolle.
G.: Wie häufig Kontakt zu ihr?
B.: So wie es sich ergab. Selbst zu Familienfeiern war sie mit dabei. Sie war so verliebt. Sie war eigentlich integriert in die Familie. Sie gehörte einfach zur Familie und wir haben versucht, dass sie sich wohlfühlt.
G.: Veränderungen im Verhalten Ihres Sohnes seit er Zschäpe kannte?
B.: Ja, er wurde ernsthafter, verantwortungsbewusster, hat uns viel geholfen. Hatte das Gefühl: Der Junge wird erwachsen. Es fehlte nur noch eins: Eine Arbeitsstelle.
G.: Wie verhielt sich Zschäpe zu Ihrem Sohn?
B.: Kann ich mit einem Wort sagen: kuschelig. Sie waren so lieb zueinander.
(Zschäpe trinkt nun etwas Wasser.)
G.: Welche Rolle spielte Mundlos?
B.: Kam weiter zu uns. Konnte keine Eifersucht feststellen. Hat wahrscheinlich gedacht: OK, Beate hat sich umorientiert. Waren aber nur ein einziges Mal zu dritt bei uns. Im Garten. Zuhause nicht. Uwe hielt sich viel bei Beate auf, als sie dann die Wohnung hatte. Er rief dann abends an, wenn er nicht nach Hause kam. Kein Problem damit. Eigentlich hab ich gedacht, er ist in guten Händen.
B.: Kontakt 5. November 2011 (Der Tag, an dem Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos tot aufgefunden wurden): Bin ihr heute noch dankbar, dass sie diesen furchtbaren Anruf getätigt hat, damit wir vor der Polizei informiert waren.
(Zschäpe starrt auf den Tisch.)
Das war mein erster und bisher einziger Kontakt zu Beate nach 2002.
Sie sagte: "Hier ist Beate", und ich fragte "Welche Beate denn?" - "Uwes Beate." Meine nächste Frage war, denke ich: "Kommt ihr zurück? Wollt ihr Euch stellen?" War mein Traum, Wunsch. Dachte, wenn sie jetzt anrufen, dann weil sie sich stellen. Sie sagte nein. Ich fragte: "Warum nicht?" Dann sagte sie: "Der Uwe kommt nicht mehr." Ich sagte irgendwas und sie wiederholte: "Nein, der Uwe kommt nicht mehr." Traute mich erst nicht, aber ich musste die Frage stellen: "Ist der Uwe tot?" Und da sagte sie: "Ja, der Uwe ist tot."
"Dann hören Sie doch mal die Nachrichten, in Eisenach ist was passiert und das sind die beiden Jungs."
Konnte dann nichts mehr sagen. Hinterher fielen mir tausend Fragen ein, aber sie sagte, sie muss auflegen, hätte noch so ein furchtbares Telefongespräch, musste die Eltern von Uwe Mundlos informieren.
Erinnere mich, dass ihre Stimme dünn war und ganz zittrig.
(Zschäpe hat Hände im Schoß gefaltet, starrt auf Tischplatte mit zugeklapptem Laptop).

(Christoph Arnowski, BR)
Götzl: Stimmlage von Zschäpe?
Böhnhardt: Zittrig, sie war wohl genauso geschockt wie ich, stelle mir das ganz schwierig vor. Mein Mann hat mich dann später auf dem Sofa gefunden, wahrscheinlich hatte ich noch den Hörer in der Hand. Ihre Stimme habe ich nicht wirklich erkannt. Aber ich konnte mir nicht vorstellen, dass jemand so einen bitterbösen Scherz macht.
G.: Hat sie gesagt, woher sie die Info hat?
B.: Nein, hat sie nicht, hatte keine Gelegenheit mehr. Haben dann Nachrichten gesehen, irgendwann wussten wir, der eine ist ja unser Sohn, Polizei hatte das noch gar nicht bestätigt, mussten DNA-Probe abgeben.
G.: Wann (war Telefonat)?
B.: Um sieben.
B.: Konnte keine einzige Frage mehr stellen, da hatte sie das Gespräch beendet. Waren völlig ahnungslos.
Plötzlich spricht Frau Böhnhardt die Angeklagte Zschäpe direkt an: "Danke, dass Du es trotzdem gemacht hast!"
Ein Ruck geht durch den Saal.
Zschäpe sitzt angelehnt in ihrem Stuhl. Rutscht ein bisschen in ihrem Stuhl herum. Arme verschränkt.

(Tim Aßmann, BR)
12.07 Uhr.
Götzl: War die Rede davon, dass sie Ihnen etwas von Ihrem Sohn sagen sollte?
Böhnhardt: Nein.
Richter Götzl hält aus polizeilicher Vernehmung von Brigitte Böhnhardt vor: Beate Zschäpe: soll Ihnen von Uwe sagen, dass er seine Eltern sehr geliebt hätte.
Böhnhardt: Das ist sehr privat.
G.: Ist das damals gesagt worden von Beates Seite oder nicht?
B.: Es ist möglich.
G.: Was heißt, es ist möglich? Ich habe Sie belehrt, dass Sie die Wahrheit sagen müssen.
B.: Es ist möglich, dass sie das gesagt hat.
G.: hält weiter vor: Er hätte jeden Geburtstag und jedes Fest an sie gedacht.
B.: Es ist möglich dass sie das gesagt hat. Das sind die Erinnerungen, die wollten wir für uns allein behalten. Wenn es so aufgeschrieben wurde und ich es abgezeichnet habe, wird es so gewesen sein.
Richter Götzl hakt nach.
B.: Gut dann revidiere ich: Ja Beate hat es so gesagt, ich wollte es ganz für mich behalten.
G.: Hat sie was dazu gesagt wie Ihr Sohn zu Tode kam?
B.: Ich glaube ja.
G.: Hat sie gesagt, sie haben sich erschossen?
B.: Wäre möglich. Schauen Sie mal nach, was ich gesagt habe.
G.: hält wieder vor: Sie haben sich erschossen, weil sie keinen anderen Ausweg sahen.
B.: Ja gut, dann bestätige ich das so.
G.: Nochmal Kontakt vereinbart?
B.: Ja, habe ich gefragt: "Rufst Du noch mal an?" - "Nein, ich werde niemals wieder anrufen, ich gehe fort."
Pause.

(Gunnar Breske, MDR)
Fortsetzung 13.19 Uhr.
Böhnhardt: An dem gleichen Tag kamen zwei Beamte vom LKA - einer davon W., ich erkannte ihn wieder. Ziemlich barscher Ton: Er hätte schließlich frei, verlangte zu wissen, was Beate erzählt hat. Könnte sein, dass ich das ganz Private weggelassen habe. Er war sicher, dass der eine mein Sohn ist und der andere Mundlos. Er war der erste, der uns darauf hinwies, dass unser Sohn erschossen wurde. In der Tür beim Rausgehen drehte er sich in der Tür um und sagte: Ach ja, herzliches Beileid. Im Gespräch kam auch raus, dass unser Telefon abgehört wurde.

(Gunnar Breske, MDR)
Götzl: Vorhalt aus Vernehmung: "Er schien ein Doppelleben geführt zu haben"?
Böhnhardt: Ja, würde ich heute auch so sagen.
G.: Vorhalt: "Stundenlange Diskussion"?
B.: Eltern haben ein Gespür, wenn Kinder nicht alles sagen. Stundenlange Diskussionen bis in den Abend. Wollte uns nicht sagen, was er tagsüber gemacht hat.
G.: Vorhalt: "Haben von Polizei erfahren, dass Uwe Interesse an Waffen hatte"?
B.: Weiß nicht, wann.
G.: Was hat Zschäpe über ihre Familie berichtet?
B.: Hatte mit ihrer Mutter große Probleme. Liebte ihre Großeltern. Mutter war einmal da, suchte Beate Zschäpe, da wussten wir aber nicht, wo sie war. Vielleicht Anfang 1996.
G.: War Zschäpes Familie Thema bei Telefonaten und Treffen?
B.: Kann sein - Details kenn ich nicht. Habe vielleicht gefragt, ob ich jemanden grüßen soll, aber sie hat das verneint.
G.: hält vor: Herbst 1996 bis Weihnachten (lebte Zschäpe bei Familie Böhnhardt) - "war traurig und böse auf Mutter, weil diese die Wohnung wegen finanzieller Probleme verloren hatte."
B.: Ja, die Info hatten wir erhalten.
G.: Wie gekleidet?
B.: Normal, wie eine junge Frau - keine Bomberjacke. Hatte sogar den Eindruck, dass Uwe sich etwas abgeschaut hatte und nicht mehr so spinnert rumlief.
G.: "Es gab nur zwei Freunde, die ich sympathisch fand: Wohlleben und Mundlos."
B.: André K. war mir nicht sympathisch, sein Auftritt, die Haare - das war so aggressiv.

(Matthias Reiche, MDR)
Allerdings hatte sie André K. eingeschaltet, ihren Sohn aus Frankreich zurückzuholen, wo er durch eine Drückerkolonne hingekommen war. Telefonierte mit Sohn (nach dessen Abtauchen) von Telefonzelle in Lobeda-West in der Nähe des Arbeitsamtes, nach deren Abriss, lag neuer Zettel im Briefkasten mit anderer Zelle, mal stand auf dem Zettel eine Nummer und die sollte Familie Böhnhardt anrufen, mal wurden sie angerufen.

(Gunnar Breske, MDR)
Götzl: zweites Treffen? Nochmal zeitliche Einordnung?
Böhnhardt: Denke jetzt eher 2000 als 2001. Erstes Treffen: Frühjahr oder Herbst. Drittes Treffen: Juni 2002.
G.: Vorhalt zu drittem Treffen: "Beate hatte glatte Haare und schwarz gefärbt - sonst braun mit Locken"?
B.: Ja.
G.: hält weiter vor: Ab dem zweitenTreffen - "Uwe würde sich eher erschießen, als ins Gefängnis zu gehen"?
B.: Ja, nachdem der Deal geplatzt war, war das so.
G.: Äußerung zu Aufenthaltsort? Vorhalt: "Vermuteten ab zweitem Treffen, dass sie in Sachsen sind. Ja, der Mundlos sagte einmal was, das habe ich mitgehört, vielleicht sollte ich das gar nicht. "Ich glaube nicht dass wir in Thüringen das so hinbekommen hätten, wie die Leute hier in Sachsen drei Leute unterzubringen."
G.: Vorhalt zu Opfern: "Tun mir sehr leid".
B.: Furchtbare Situation, sie tun uns unheimlich leid. Wie mag diese Aussage wohl gewirkt haben, es tut uns unendlich leid. Ich würde bestimmt etwas drum geben, um das ungeschehen zu machen. Ich kann leider, vielleicht noch am ehesten, verstehen, wie die Opferfamilien sich fühlen - einen Angehörigen verloren zu haben.

(Matthias Reiche, MDR)
Weiter 14.48 Uhr.
Frage von Nebenklage-Anwältin, ob Frau Zschäpe beim letzten Treffen mit ihr über die Wohnsituation des Trios gesprochen habe.
Böhnhardt: Nur, dass jeder sein Zimmer hat, um sich mal zurückziehen zu können. Außerdem koche Frau Zschäpe gern.
Frage RA Narin (Nebenklage) nach möglichen Geldboten neben André K., Brigitte Böhnhardt kann sich nicht erinnern.
Videomaterial und Fotos mit relevanten Personen jener Zeit werden gezeigt, Böhnhardt erkennt niemanden.
Nebenklage fragt nach Gesprächen mit Familie Mundlos.
B.: Ein oder zwei Gespräche.
Es geht noch einmal um die Aussage von Herrn Mundlos, dass er von Brigitte Böhnhardt erfahren habe, die Drei seien in Mecklenburg abgetaucht, tatsächlich lebt die Schwester von Brigitte Böhnhardt in Rostock und ihre Nichte hat eine Wohnung in dem Rostocker Stadtteil (Toitenwinkel), in dem einer der Morde stattgefunden hat (an Mehmet Turgut, Februar 2004).
Nach Aussage der Mutter war der Sohn nicht dominant und nicht aggressiv.
Nebenklage hält Aussagen von Bekannten Ihres Sohnes vor, die Uwe Böhnhardt als sehr dominant und aggressiv beschreiben.
Nebenklage hält Passage aus dem Abschlussbericht des Untersuchungs-Ausschusses des Bundestages vor. Danach war Uwe Böhnhardt in Untersuchungs-Haft in einer Zelle mit Sven R. - ebenfalls ein Rechtsextremist. Der beschrieb Uwe Böhnhardt als aggressiven Häftling, der unter anderem zum Bau eines Sprengkörpers anstiftete. Später sei Uwe Böhnhardt aus disziplinarischen Maßnahmen mit erwachsenen Häftlingen zusammengelegt worden.
Rechtsanwalt Daimagüler (Nebenklage) fragt, ob Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe beim Treffen 2002 noch ein Paar waren,
Brigitte Böhnhardt weiß es nicht, hatte es nur immer gehofft.
RA Daimagüler will wissen, was sie von Wohlleben hält, sie spricht von Enttäuschung und dass sie ihn als sozusagen zwei Personen sah, als sie von seiner NPD-Karriere erfuhr.
Daimagüler spricht Böhnhardt auf Mitgefühl an. Sie klingt glaubwürdig, wenn sie davon spricht, dass sie mitfühlen kann, was die Angehörigen der Opfer durchleiden und durchlitten haben. Auch dankt sie, dass ihre Familie nie bedroht wurde von den Opfern. Ihre Familie hatte davor große Angst.
Brigitte Böhnhardt wird gefragt, ob sie noch wisse, in welcher Situation ihr Sohn ihr gesagt habe, dass er und Zschäpe über Aufgeben nachdenken. Sie weiß es nicht, auch nicht, ob Mundlos und Zschäpe dabei waren. Mutter Böhnhardt erklärt noch einmal auf die sich wiederholenden Fragen, dass sie auch gern wüsste, was passiert war. Sie suche natürlich nach Erklärungen, wie es sein konnte, dass ihr Sohn diese schlimmen Taten begangen habe. Die drei waren gleichberechtigt, allerdings hätten sich die Uwes nicht von Beate Zschäpe dominieren lassen.

(Holger Schmidt, SWR)
17.20 Uhr.
Richter Götzl hat die Befragung wieder übernommen, glaubt, Frau Böhnhardt mauere. Verteidiger Stahl (Verteidigung Zschäpe) beanstandet Fragen von Götzl, Böhnhardt fühlt sich von Götzl verunsichert. Stahl, Götzl und Bundesanwaltschaft/GBA streiten. Zahlreiche Nebenkläger warten darauf, ihre Fragen stellen zu können.
Pause bis 17.25 Uhr - zur Beruhigung.

(Holger Schmidt, SWR)
18.00 Uhr.
Vernehmung wird heute Abend fortgesetzt bis zum bitteren Ende, scheint mindestens noch eine Stunde zu gehen.

(Tim Aßmann, BR)
Weiter.
Rechtsanwalt Lucas (Nebenklage, Anwalt von Semiya Simsek): Beschreiben Sie einen ganz normalen Tag im Hause Böhnhardt, wenn Beate zu Besuch kam.
Böhnhardt: Sie sind sehr nett miteinander umgegangen. Wie ein verliebtes Pärchen. Es hat keine Spannungen gegeben. Sie war eher ein bisschen schüchtern, scheu.
RA Lucas will jetzt ganz viel wissen.
B.: Wir haben uns wie eine ganz normale Familie unterhalten.
Lucas: Konkret?
B.: Mein Mann hat vom Betrieb erzählt, ich von der Arbeit, kann mich an kein konkretes Gespräch erinnern. Nehme es mal so an.
Lucas: Wie hat sich Beate eingebracht?
B.: Sicherlich sehr vernünftig, sonst hätte sie ja gar nicht bei uns gewohnt.
Lucas: Wie sah das aus?
B.: Das glaub ich jetzt nicht ... Sie hat sich in die Hausarbeit eingebracht, hinten aufgeräumt, war schüchtern, zurückhaltend, freundlich, hat mal für mich eingekauft. Sie war ein erwachsener Mensch, sie hat sicher eigene Meinung gehabt.
Lucas: Warum?
B.: Weil sie erwachsen war.
Lucas: Wir reden ja jetzt nicht über ganz normale Menschen. Wir reden über Beate Zschäpe. Wie sah so 'ne Diskussion aus? Hat sie mitgemacht? Gab es Momente, wo sie mal gesagt hat, "ich sehe es nicht so"?
B.: Ich weiß es nicht. Aber wird sicher mal so gewesen sein.
Verteidiger Stahl (Verteidigung Zschäpe) interveniert, meint, das sei schon gefragt worden.
Richter Götzl will jetzt mal über Organisatorisches reden: Ihr Zug geht um 18.45 Uhr. Können Sie übernachten?
B.: Wenn es nicht anders geht, würd' ich nochmal übernachten und morgen wieder kommen.
Götzl eruiert, wie viel Fragebedarf noch da ist - durchaus noch einiger.
RAin Lunnebach (Nebenklage): Heute Frau Böhnhardt zu Ende machen und sie kann morgen in Ruhe fahren.
Verteidigerin Schneiders (Verteidigung Wohlleben): Fragen, wie fit sie noch ist.
B.: Fakt ist, dass um sieben mein letzter Zug fährt. Wenn Sie es bis halb sieben schaffen, können wir es machen.
Götzl: Wie fit sind Sie denn?
B.: Mit der Aussicht, dass ich morgen hier wegkomme, halt ich noch durch.
Götzl: Dann machen wir jetzt weiter und schauen mal.
RA Rabe (Nebenklage): Ich sag' gleich: Ich gebe mich nicht mit Ihrer Antwort zufrieden. Sie sind Lehrerin, haben gelernt zu beobachten, da ist mir Ihre Beschreibung "schüchtern und freundlich" zu wenig.
Böhnhardt: Waren nur zwei, drei Monate. Kommunikation hat sich in Grenzen gehalten. Wenn ich sage, ich kann mich nur an harmonisches Zusammenleben erinnern, das müssen sie mir dann einfach so glauben. Zu dieser Zeit war sie ein schüchternes, freundliches Mädchen.
Verteidiger Stahl (Verteidigung Zschäpe): Schon zigmal gefragt und es wird auf subtile Art versucht, Äußerung heraus zu drücken.
Richter Götzl hält Verteidiger Stahl jetzt einen Vortrag, dass das sehr wohl geht und er (Götzl) auch nochmal fragen wird.
RA Rabe: Sie sind eine sehr strukturierte Person, Sie haben Zschäpe bewertet als schüchtern. Wie kamen Sie darauf?
B.: sagt, dass sie dazu nicht mehr sagen kann (es wirkt jetzt so, als drücke sie sich darum herum), sagt, sie kann sich an konkrete Gespräche nicht erinnern.
RA Rabe: Was fällt Ihnen noch ein zu Frau Zschäpe?
B.: Höflich, hilfsbereit, liebevoll auch - zu unserem Sohn. War in der Lage, eigene Meinung zu vertreten, auch in der Lage, Diskussionen zu führen.
RA Rabe: Beschreiben Sie mal.
B.: Kann ich nicht mehr.
RA Rabe: Aber sie hatte zu manchen Positionen eine eigene Meinung?
B.: Natürlich. Sie war eine erwachsene Person.
Richter Götzl: Wir drehen uns im Kreis, Herr Rabe.
RA Rabe: 5. November 2011: In welchem Kontext wurden Zschäpe die letzten Worte aufgetragen?
B.: Erklären Sie das bitte.
Richter Götzl versteht die Frage auch nicht.
RA Rabe: Wissen Sie, wann Ihr Sohn Zschäpe gebeten hat, Ihnen auszurichten, dass er Sie liebt?
B.: Nein.
RA Rabe: Sexueller Missbrauch im Gefängnis. Was hat Ihr Sohn da gesagt?
B.: Berichtete von Vorfall mit anderem Gefangenen. Er sagte, das betraf ihn nicht. Ich habe mir Sorgen gemacht.
RA Kaplan (Nebenklage): Haben Sie sich auf diese Vernehmung hier vorbereitet?
Böhnhardt: Natürlich.
RA Kaplan: Alleine?
B.: Mit meinem Mann, kein Anwalt.
Kaplan: Sie sagten vorhin es wurden Grüße übermittelt durch Holger G. Was hat G. vorhin dazu gemacht?
B: Ich dächte, er hätte genickt. Habe das als Bejahung aufgenommen.
RA Kaplan: Haben Sie Ihren Sohn gefragt, warum sie Spenden bekommen, welche Freunde das waren?
B.: Oh nein. Das hätte er uns nicht gesagt und wir haben das auch nicht wissen wollen. War sicher ein Freundschaftsbeweis in dem Kreis. So wie ich das auch machen würde mit Freunden, die in Not geraten. Aus Jena konnte das nicht sein, denn da waren sie nicht mehr. Gehe davon aus, dass es Freunde in Sachsen waren und davon kennen wir keinen. Wir haben nicht erfahren welche Freunde ihn unterstützt haben.
Rechtsanwältin Pinar (Nebenklage): Wollten Sie heute irgendwen nicht verraten, weil er Ihrem Sohn geholfen hat?
Böhnhardt: Nein, das hab ich nicht. Damals war ich überhaupt nicht daran interessiert, Namen von Helfern zu erfahren, und mein Sohn hätte sie mir auch nicht genannt.
RA Pinar: Konnte Zschäpe Trauer zeigen, Empörung zeigen?
B.: Ja, sie konnte diese Mimik zeigen.
RA Reinecke (Nebenklage): Haben Sie sich bemüht zu erfahren, ob Ihr Sohn ein Mörder ist oder nicht?
B.: Wir haben immer wieder gefragt, gibt es Beweise? Und ich habe klar gemacht, dass wir mit der Täterschaft von Uwe nicht leben können. Weil ich mir meinen Sohn nicht als eiskalten Mörder vorstellen kann.
B.: Ich kann es nicht begreifen. Keiner hat das Recht, Menschen zu töten, und das soll ausgerechnet mein Sohn getan haben? Ich kann das nicht glauben. Die Opferfamilien sind zumindest in der Lage öffentlich zu trauern. Ich kann das nicht. Jedes Mal, wenn ich das Trauern zulassen will, steigt das Entsetzen in mir hoch, was er getan haben soll.
RA Reinecke: Haben Sie mal versucht, von Frau Zschäpe Gewissheit zu bekommen?
B.: Wollte ihr schreiben, aber nachdem ihre Briefe veröffentlich wurden, habe ich davon Abstand genommen. Vielleicht hab ich mal Gelegenheit, sie in einer Haftanstalt zu besuchen.
(Es wirkt so als ob Zschäpe jetzt ganz schön schlucken muss.)
Stahl fragt nun, es geht um die Verhandlungen, die Drei zum Aufgeben zu bewegen.
Brigitte Böhnhardt berichtet von den Gesprächen mit Anwalt T., das Bedingung war, die Fahndung einzustellen.
Verteidiger Stahl: Hat T. Ihnen mal erklärt, in welcher Funktion er tätig wird? Als Verteidiger? Als Kontaktmann?
B.: Er wäre der Verbindungsmann zwischen dem Verfassungsschutz und den Eltern und er wäre dann auch bereit, den Uwe als Verteidiger zu vertreten. Wir haben Herrn T. bis zu gewissen Grenzen vertraut, haben ihm nicht gesagt, wie die Kontakte stattfinden.
Verteidiger Stahl: Hat T. Ihnen mal erklärt, wann die Vorwürfe verjährt wären?
B.: Kann ich mich nicht mehr erinnern
Stahl: "Dann und dann ist es sowieso egal..." - hat er so was mal erzählt?
B.: Nein. Kann ich mich nicht dran erinnern
Stahl: Treffen mit den Dreien: Aussage zu geplatztem Deal: "Gleich gesagt, das wird sowieso nichts." Von wem kam das?
B.: Ich meine Mundlos.
Verteidigerin Sturm: Wie oft wurden Sie nach 2011 von der Polizei vernommen?
Böhnhardt: Die erste Vernehmung war an dem Sonntag mit Kripo Gotha, am Samstag davor mit LKA und dann hatten wir Gespräche mit BKA, erst mein Mann und dann ich
Sturm: Weitere Vernehmung im Februar. 24. Februar 2012 und 26. Januar 2012?
B. verneint beziehungsweise kann sich nicht mehr erinnern.
Sturm: Als Holger G. Sie unerwartet besuchte. Sie sagten, es könne sein, dass Grüße von Uwe kamen.
Sie sagten noch, er habe Ihnen heute in dieser Frage zugenickt (und das Ausrichten der Grüße bestätigt).
Sturm hält vor: Auf Durchreise nach Jena hatte er uns auch besucht, wusste, dass Uwe weg war, sagte, er wolle mal bei uns vorbei schauen, hatte auch nach Uwe gefragt, aber wir haben ihm nichts gesagt.
B.: Dann kann er mir ja auch keine Grüße ausgerichtet haben.
Sturm: So versteh ich das.
Sturm: Wenn Sie jetzt nochmal nachdenken. Holger G. - Grüße von Uwe ausgerichtet?
B.: Nochmal intensiv nachgedacht und kann mich nicht genau erinnern. Haben wir ihn gefragt oder hat er ausgerichtet? Das kann doch eigentlich gar nicht sein.
Die Zeugin ist nun erkennbar erschöpft und hat Schwierigkeiten zu folgen.
Götzl merkt das auch, lässt aber Zschäpe-Verteidiger Heer noch fragen. Das geht schnell.
Verteidiger Pausch (Verteidigung Carsten S.) fragt auch noch: Wohlleben Kontakt?
B.: Nicht gesucht.
Pausch: War Wohlleben bei erstem Treffen mit dem Trio dabei?
B.: Nicht dabei
Pausch: Vorhalt: Quelle Tino Brandt: Gespräch mit Wohlleben: Erzählte, dass er die drei einmal zusammen mit der Mutter besucht hat.
B.: Um Gottes Willen, nein. Diese Aussage trifft nicht zu. Herr Wohlleben ist nicht mit uns gefahren.

Gutachter Professor Henning Saß: Verhältnis Mundlos und Ihr Sohn?
Böhnhardt: Freunde. Ich sehe sie auch immer noch nebeneinander laufen. Wir können ja Weg zur Straßenbahnhaltestelle einsehen. Haben sich sicher respektiert und geachtet.
Saß: Wer hat was am anderen geachtet?
B.: Nehme an, Uwe hat gesehen, dass Mundlos intelligent war, selbstständig. Was hat Mundlos an meinem Sohn gefallen? Wissen Sie, ich hab ihn gar nicht mal danach gefragt. Er hat ihn sich als Freund gewählt.
S.: Gab es einen, der überlegen war?
B.: Sie waren einfach nur junge Leute, die gut drauf waren (sie meint einen gemeinsamen Grillabend).
S.: Sie haben mal körperliche Auseinandersetzung geschildert. Was denken Sie, wer der Stärkere war?
Verteidiger Klemke (Verteidigung Wohlleben) moniert die Frage
S.: Haben Sie eine Einschätzung, wer der Stärkere war?
Klemke: Frau Böhnhardt ist mit Sicherheit keine Sportmedizinerin.
Richter Götzl: Darum geht es nicht.
Er regt an, dass Gutachter Saß umformuliert.
S.: Ich wäre dankbar, wenn ich einen gewissen Raum hätte.
Er versucht es nochmal.
Nun beanstanden die Verteidiger Heer und Klemke im Chor.

Pause: zehn Minuten

Gutachter Saß: Haben Sie Beobachtungen gemacht, wie Kräfteverhältnis war, was das Gedankliche betrifft?
Brigitte Böhnhardt: Mundlos intelligenter und so hat es auch mein Sohn eingeschätzt. Körperlich: mein Sohn stärker, Mundlos cleverer, wer zuerst auf dem Rücken gelegen hätte, weiß ich nicht. Habe Mundlos auch als Mitläufer eingeschätzt, er war sicherlich nicht der Wortführer.
S.: Mal Auseinandersetzung mit Zschäpe über gesellschaftliche Fragen?
B.: Bevor sie untertauchten kannte ich sie nicht als Trio. Bei einem Gartenfest gemeinsam, sonst getrennt.
S.: Können Sie was sagen, Verhältnis Zschäpes und Mutter?
B.: Nein, habe nur kurzes Gespräch mit ihr geführt, machte sich Sorgen und suchte ihre Tochter. Beate sagte, sie liebt ihre Großeltern.
Böhnhardt berichtet dann, wie Mutter von Zschäpe die Wohnungsmiete nicht mehr bezahlen konnte und es zur Zwangsräumung kam. Daraufhin bat Uwe seine Eltern um Aufnahme von Beate.
S.: Wissen Sie was über psychische Probleme der Mutter oder Alkohol-Probleme?
B.: Nein. Beate war scheu uns gegenüber. Sie hat uns gesiezt. Wir haben sie geduzt. Ich würde sie auch heute noch duzen.
S.: Selbstsicher?
B.: Altersgemäß. War ja etwas älter als Uwe und hatte auch gesundes Selbstbewusstsein.
Oberstaatsanwalt Jochen Weingarten: Sie hatten mehrfach angesprochen, Forderung an Anwalt T. war die Fahndung einzustellen. Trifft das zu?
B.: Ja.
W.: Zusage mal erteilt?
B.: Nein.
Weingarten hält vor: Schreiben Verfassungsschutz/LfV an T.: Bescheinigung, dass bis Abschluss der Verhandlungen keine Überwachungsmaßnahmen gegen Angehörige Böhnhardt - ist Ihnen der Inhalt bekannt?
B.: Wann ist der Brief geschickt worden?
W.: 18.12.1998.
W.: Hat er (Anwalt T.) ihnen davon berichtet?
B.: Das nehme ich mal an. Wir selber hatten kein Schreiben.
W.: Warum empfinden Sie das nicht als Zusage?
B.: Weil wir als Eltern das nicht bekommen haben. Wir haben keine schriftliche Zusage bekommen.
W.: Wenn T. Ihnen sagt, Schreiben bekommen, haben Sie dem nicht geglaubt?
B.: Hat er es uns gesagt oder nicht? Nehme es an, aber kann Ihnen nicht mit Sicherheit sagen: Ja.
Weingarten hält vor: Böhnhardts wurde versichert: Aussteigerprogramm wird zugesichert, aber nur vom LfV und nicht von Staatsanwaltschaft. Erinnern Sie das?
B.: Nein.
Weingarten: Ist mal über Aufhebung Haftbefehl gesprochen worden?
B.: Daran kann ich mich auch nicht erinnern.
Weingarten: Hat Ihr Sohn mal gesagt, mit wie viel Freiheitsstrafe er denn einverstanden wäre?
B.: Habe ihm klar gemacht, mit wie viel weniger er rechnen kann, aber nachdem das dann gescheitert war ...
Weingarten: Wissen Sie eigentlich, ob die Staatsanwaltschaft jemals von dem Angebot abgerückt ist?
B.: Angebot bestand nicht mehr.
W.: Mit T. mal konkret darüber gesprochen?
B.: Könnte sein, telefonisch. Hat mir gesagt, Verfassungsschutz hat Rechnung bezahlt und möchte in der Sache weiter nichts mehr unternehmen.
W.: Hat sich das vielleicht nur auf Zusage zur Fahndung bezogen?
B.: Nein, bezog sich auf‘s ganze Angebot: Staatsanwalt hat gesagt, die werden sich bald bei uns melden, da müssen wir keine Zugeständnisse machen.
Böhnhardt zu Weingarten: Es ist schwer, aus Ihren Äußerungen den Sinn zu erfassen. Würde mir leichter fallen, wenn Sie mir Aussagen vorlegen würden.
Weingarten: Sie merken doch, worum es thematisch geht. Da kommen doch Erinnerungen.
B.: Wenn Haftbefehl aufgehoben worden wäre, hätten wir es ja wohl erfahren. Haben uns auf Mitarbeit des Herrn T. verlassen.
Richter Götzl: Welche Strafvorstellungen hatte Ihr Sohn?
Böhnhardt: Für ihn waren schon alleine diese fünf Jahre der absolute Horror. Weiß nicht, ob Uwe überhaupt konkrete Vorstellungen hatte. Nehme an: Geheimster Wunsch war alles auf Bewährung. Meiner auch.
Götzl hält vor: "Zschäpe war traurig und böse auf ihre Mutter wegen der Wohnung." Das klingt jetzt nicht so, als wenn sie das nur von Ihrem Sohn gehabt hätten.
B.: Das sehe ich nicht so.
Nebenklage-Anwalt: Wie viel Zeit verging zwischen dem Herausstellen der Säcke (mit Kleidung und anderem) und der Abholung?
B.: Minuten. Vorher angerufen, ein, zwei Tage vorher. Auf jeden Fall wusste ich einen Termin, einen Tag. Und als er unten klingelte, wusste ich Bescheid, bin zum Fahrstuhlvorraum, sah Fahrstuhl hochkommen, habe mich zurückgezogen.
Nebenklage: Gingen Sie davon aus, dass abgehört wird?
B.: Wir wussten nie, wann wir abgehört werden. Für mich als Eingeweihte war die Sache klar, für jemand, der abhört, vielleicht nicht.
RA Narin (nebenklage): Sprachen von Auseinandersetzungen mit Staatsmacht und kritischer Einstellung zur Polizei. Nennen Sie mehr Vorfälle.
B.: Eines Tages war auch Mundlos ziemlich zusammengeboxt worden. Sie haben ihn mal alleine angetroffen (gemeint ist Polizei) und mit Böhnhardt angesprochen. Als er sagte, er ist Uwe Mundlos, haben sie ihn laufen gelassen. Haben die drei Mal aufgegriffen, die beiden Uwes haben sie (gemeint ist Polizei) mitgenommen und Beate mitten in der Nacht in Kahla am Bahnhof raus geschmissen. "Sieh zu wie du nach Hause kommst." Stand da nun sicherlich ängstlich rum und hat uns angerufen, geweint, ich hab gesagt, ich komme. Und dann setzte sich hinter mir auch ein Auto in Bewegung, blieb hinter mir kleben und kurz vor Kahla stand das Auto mit eingeschaltetem Licht, er wartete bis ich durchfuhr, der hinter mir bog ab und der andere folgte. Hab ihm später zugewinkt, war dann auch ein bisschen zynisch. Hab Beate eingesackt, bis zu ihrer Wohnung gebracht. Noch mehr Beispiele? Reicht das?
RA Narin: Bitte.
Richter Götzl: Erläutern Sie mal bitte Herr Rechtsanwalt Narin. Wir werden jetzt bald mal zu Ende kommen müssen.
RA Narin: Kommen wir.
Götzl: Ich habe nicht den Eindruck.
Narin: Als Sie von Bombenattrappen hörten, warum fragten Sie ihn da, ob er was damit zu tun hätte?
B.: In der Presse waren schon Namen von Verdächtigen.
RA Langer (Nebenklage): Wann war Kleidungsübergabe ungefähr im Verhältnis zum Abtauchen?
Böhnhardt: Monate später.
Langer: Vor den Geldübergaben?
B.: Weiß ich nicht mehr.

Zeugin wird aus der Befragung entlassen.

Richter Götzl: Auf Wiedersehen.
Brigitte Böhnhardt: Lieber nicht.

Hinweis

Diese Texte sind eine Auswahl der Mitschriften der Reporter der ARD und des BR während der zentralen Verhandlungstage im sogenannten "NSU-Prozess", eines beispiellosen Verfahrens der deutschen Rechtsgeschichte. Wir dokumentieren diesen "Originalton", weil es in der deutschen Praxis des Strafprozessrechts, selbst bei derartig wichtigen Verfahren, kein offizielles und umfassendes Gerichtsprotokoll gibt. Wir erfüllen damit unsere Informationspflicht, um allen, die keinen der begehrten Sitzplätze im Gerichtssaal erhalten haben, einen - durchaus auch subjektiven - Eindruck der Prozessereignisse zu vermitteln. Die Zusammenfassungen der sogenannten "Saalinfos" unserer Reporter sind redaktionell bearbeitet, zum Teil gekürzt. Es wird kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben und es kann natürlich auch keine Gewähr für die Richtigkeit jedes einzelnen Wortes gegeben werden. Die Redaktion distanziert sich ausdrücklich von den Inhalten der Aussagen der Prozessteilnehmer.


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