NSU-Prozess


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Tagebuch der Gerichtsreporter 51. Verhandlungstag

Elif und Gamze Kubasik, Mutter und Tochter des vom NSU in Dortmund ermordeten türkischstämmigen Kioskbesitzers Mehmet Kubasik, sagten heute als Zeugen aus. Der 51. Verhandlungstag machte noch einmal deutlich, welches Martyrium die Opferfamilien erleben mussten. Nach dem Tod der geliebten Angehörigen kamen die Verdächtigungen.

Von: Alf Meier

Stand: 05.11.2013 | Archiv

Alf Meier | Bild: BR

05 November

Dienstag, 05. November 2013

"Jeder Mensch, ob alt oder jung, ob klein oder groß, mochte meinen Mann", sagte Elif Kubasik. "Wir haben uns geliebt. Mit seiner Ermordung sind all unsere Träume zerbrochen." Auch sieben Jahre nach seiner Ermordung trauert die 49-jährige Hausfrau noch um ihren Ehemann. Elif Kubasik erscheint auch vor Gericht in schwarzer Kleidung. Seit dem Tod von Mehmet Kubasik leidet sie an Neurodermitis und Schlaflosigkeit.

"Es gibt nichts mehr, was weiß ist für mich"

  Elif Kubasik

Laut Anklage erschossen die Neonazi-Terroristen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos Mehmet Kubasik am Mittag des 4. April 2006 in seinem Kiosk in der Dortmunder Mallinckrodtstraße. Der Anschlag hätte auch Elif treffen können: Diese stand normalerweise vormittags hinter dem Tresen. Rein zufällig war ihr Mann an dem Tag früher da.

"Frau Kubasik, Ihr Vater ist tot"

Gamze Kubasik versucht stark zu sein, doch auch sie hat der Tod des Vaters aus der Bahn geworfen. Die 28-Jährige leidet noch heute unter Angstzuständen, vor allem wenn sie alleine ist. Mit zitternder Stimme schildert Gamze Kubasik dem Gericht wie sie kurz nach der Tat am Kiosk eintraf, wie die bereits anwesenden Polizisten ihr sagten, dass der Vater verletzt sei, es aber schaffen würde und sie unbedingt helfen wollte. Dann die Mitteilung eines älteren Beamten: "Frau Kubasik, ihr Vater ist tot".

Der Albtraum beginnt

Die Nachricht zieht ihr den Boden unter den Füßen weg. Gamze Kubasik fühlt sich wie im Traum. In der folgenden Nacht schläft sie nicht. Am nächsten Morgen müssen Verwandte ihr sogar beim Ankleiden helfen. Es ist der Tag der ersten Vernehmung durch die Polizei. Die Beamten fragen nicht, wie es ihr geht, belehren sie nicht, dass sie einen Anwalt beiziehen könne, sagt Gamze Kubasik. Einmal hat sie sogar das Gefühl, dass sich ein Ermittler über sie lustig macht. Bei der Heimkehr ist die Haustür offen, Drogenfahnder durchsuchen mit Hilfe von Hunden die Wohnung.

Die Gerüchteküche kocht

Nachbarn werden befragt, Die Polizei will wissen ob Mehmet Kubasik mit Drogen gehandelt hat. "Dass wir mit Mafia zu tun hätten, mit Drogengeschichten. Dass die Ermordung mit Frauengeschichten zu tun hätte - solche Gerüchte sind in die Welt gesetzt worden", sagte Elif Kubasik heute aus. Sie und ihre Tochter hätten ein Jahr lang kaum nach draußen gehen können. Die Leute hätten mit Fingern auf sie gezeigt.

"Nazis oder Junkies"

Am Nachmittag erzählte dann eine Zeugin von zwei Männern, die sie kurz vor dem Mord in der Nähe des Tatorts beobachtet hatte. Einer von ihnen sei mit einem Fahrrad gefahren und habe sie "extrem böse" angeschaut. Die beiden hätten ausgesehen wie "Nazis oder Junkies". Als die Hotelangestellte dann vom Mord an Mehmet Kubasik erfuhr, habe sie zu ihrer Mutter gesagt: "Ich weiß, wer das war." Bei der Polizei seien ihr rund 2.000 Bilder vorgelegt worden, erkannt habe sie jedoch niemanden.


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