NSU-Prozess


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NSU-Prozess: Gerichtssaal-Protokoll 18. Verhandlungstag, 03.07.2013

Nachdem am Vortag bereits zwei Ermittler zu den Aussagen Beate Zschäpes im November 2011 Stellung genommen haben, kommt heute ein weiterer Ermittler vom Bundeskriminalamt (BKA) zu Wort: Rainer B. hatte Zschäpe 2012 auf einem Gefangenentransport von Köln nach Jena begleitet.

Von: Oliver Bendixen, Paul-Elmar Jöris, Holger Schmidt

Stand: 03.07.2013 | Archiv

NSU Prozess Gerichtsprotokoll | Bild: BR

Bei diesem Transport habe Zschäpe geäußert, sie sei bereit auszusagen und unzufrieden mit ihrem Anwalt. Die Verteidiger Zschäpes beantragen, die Berichte der Ermittler nicht zur Verwertung zuzulassen, sie seien illegal.

Zeuge:

  • Rainer B. (Kriminalhauptkommissar, BKA Meckenheim, Gespräche mit Zschäpe)

ARD-Reporter über das Geschehen im Gerichtssaal

(Oliver Bendixen, BR)
9.51 Uhr.
Kaum Zuschauer, keine Nebenkläger.
Zeuge Rainer B., BKA Staatsschutz. Soll Aussage machen zu Zschäpe-Transport.

(Paul-Elmar Jöris, WDR)
9.40 Uhr, Beginn.
Beate Zschäpe heute wieder im schwarzen Hosenanzug, die Haare zum modischen Kurzknoten geflochten.
Zeuge Rainer B., 57 Jahre, BKA Meckenheim, Transport Frau Zschäpe von Köln nach Jena und zurück.
RA Wolfgang Heer (Verteidigung Zschäpe): Zeuge soll ausschließlich aus Erinnerung aussagen, nicht mit Hilfe seines Vermerks. Antrag: Notizen, die sich Zeuge zur Vorbereitung gemacht hat. Heer verlangt Senatsbeschluss.

(Holger Schmidt, SWR)
10.00 Uhr.
Zeuge Rainer B., Kriminalbeamter, BKA Meckenheim. Hat Zschäpe am 25. Juni von Justizvollzugsanstalt (JVA) Köln nach Gera und zurück gebracht. Ziel: Oma und Mutter Zschäpe sehen.
Bericht hierüber aber derzeit unterbrochen: Heer will schriftliche Aufzeichnungen des Zeugen haben. Beratung.
Pause bis 10.05 Uhr.

(Holger Schmidt, SWR)
10.20 Uhr.
Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH), wonach Frau Zschäpe Oma und Mutter besuchen darf. Im Vorfeld Schreiben des Verteidigers an Bundesanwaltschaft, Zschäpe wolle nicht aussagen. Deswegen gehe er davon aus, keine förmliche Vernehmung.
25. Juni, 8.00 Uhr: Abfahrt Ossendorf, VW-Bus Bundespolizei, vorher durchsucht. Anordnung: Zschäpe mir gegenüber, dazwischen Tisch, Kollege L. neben Zschäpe, ich mit Rücken zur Fahrtrichtung.
Zu Beginn der Fahrt belehrt: Keine Vernehmung, allerdings können wir über alles reden oder gar nicht reden. Zschäpe hat zu erkennen gegeben, dass sie das weiß. Wir haben gesagt, dass wir das, was gesprochen wird, für die Akten protokollieren. Sie hat gesagt, dass sie das weiß. Keine Notizen gemacht, kein Laptop, kein Block, nur Zigaretten. Zwischendurch Rauchpause bei Autobahnpolizei Bad Hersfeld, Rückweg Herborn zum Rauchen und Toilette.
Antrag Heer: will die Unterlagen haben.
Senatsbeschluss verlangt.
Senatsbeschluss: keine Dringlichkeit erkennbar, Beschluss des Vorsitzenden bestätigt.
Anfang des Gesprächs war sinngemäß so: Sie freut sich auf die Fahrt und freut sich auf Oma und Mutter und dass sie mal aus der JVA rauskommt. Sorge, Presse könnte Wind bekommen und Foto von ihr machen. Sei ihr gar nicht recht. Hat Aufwand des Transports (Straßensperre durch Streifenwagen) mitbekommen.
Sie hat blonde Strähnen im Haar. Habe sie drauf angesprochen. Sie sagte: Friseurmeisterin in JVA, Extraleistungen 10 Euro. Dann haben wir über das Wetter gesprochen, war kein schöner Tag. Durch abgedunkelte Scheiben sah es aus wie Regen.
Habe von Fehmarn erzählt, weil ich die Insel durch Urlaube mit meinen Kindern gut kenne. Habe sie darauf angesprochen, ob sie das Wetterphänomen Fehmarn kennt. Zschäpe: "Wer sagt denn, dass ich je auf Fehmarn gewesen bin?" Habe gedacht, das sei geklärt.
Gespräch kam auf die Zellenbedingungen: Nur 18 Grad, vorher war es wärmer.
Gespräch kam darauf, ob sie schon mal in die Akten geschaut habe, die ihr zur Verfügung gestellt worden seien. Ja. Hat aber nur die Zeugenvernehmungen gelesen. Hat sie interessiert, was die Nachbarn in Frühlings- und Polenzstraße über sie gedacht haben. Die anderen Dinge noch nicht so zur Kenntnis genommen, weil die Beschäftigung mit der Akte sie sehr belasten würde.

(Holger Schmidt, SWR)
11.00 Uhr.
Habe ihr geraten, die Brandakte zu lesen: 23 Stellen, an denen Brandbeschleuniger ausgebracht wurden, 1.800 Asservate. Ermittlungsstand würde immer weiter fortschreiten, wäre vielleicht gar nicht schlecht, wenn sie das mal lesen würde.

Habe das überlegt, mein Anwalt sagt: Selbst Polizeibeamte nehmen sich einen Rechtsanwalt, wenn sie mal was gemacht haben. Habe ihr gesagt, das müssen sie so sehen, Polizeibeamter hat in einem Verfahren keine Akteneinsicht. Deswegen nimmt er einen Anwalt. Sie war sehr, sehr unzufrieden mit der Arbeit ihres Verteidigers. Er macht ja eigentlich sehr wenig und ständig liest sie was in der Presse. Und dann war da noch die Sache mit der "Süddeutschen Zeitung" und da hat sie immer wieder Aktenteile gesehen und hat gefragt, wie das sein kann, dass da immer wieder Aktenteile veröffentlicht worden waren.

Mein Verteidiger hat ja hervorragende Kontakte zu Herrn Leyendecker, der hat mir ein kostenloses Abo angeboten. Hat gefragt, ob wir das gewesen sind. Habe gesagt, wir können uns das gar nicht vorstellen. Ein Tag, nachdem sie verschickt worden ist, hat sie "Die Welt" gehabt. Sie habe auch ihren Verteidiger angesprochen, ob er die Akten weitergegeben habe. Nein, er sei das nicht gewesen, die Verteidiger der Nebenklage. Zschäpe war nachhaltig erbost, das merkte man, weil sie mehrfach auf das Thema kam. Ihr Verteidiger sei ständig in der Presse, darüber sei sie sehr erbost. Außerdem mache er ja nichts. Das wissen Sie nicht, er bekommt 1.000 Euro oder Mark am Tag, wenn die Verhandlung beginnt, und Reisekosten bekommt er auch noch.
 
So einen Fall wie mich hat es noch nie gegeben. Och, da täuschen Sie sich. Sie sind ja in der DDR groß geworden. Ich bin schon etwas länger im Geschäft. Wir hatten hier die RAF, überall hingen Fahndungsplakate. Willy Peter Stoll ist bei Polizeikontrolle erschossen, Christian Klar an Erddepot bei Hamburg festgenommen worden, Susanne Albrecht hat sich in der DDR befunden. 1990 sind mehrere Terroristen in der DDR festgenommen worden. Albrecht hat von Anfang an alles gesagt, was sie wusste. Klar hat meines Wissens über 20 Jahre verbüßt. Frau Albrecht war nach ein paar Jahren wieder draußen. Urteil 13 Jahre, 3 Jahre offener Vollzug, 6 Jahre Reststrafe auf Bewährung. Das wäre auch das, was Frau Zschäpe gerne hätte. Als es um das erkennungsdienstliche Bild ging, das es von ihr in der Presse gibt: schrecklich, aber andererseits gut, dann erkennt sie niemand hinterher. Will auch ihren Namen ablegen.

Mittlerweile Buch erschienen. Haben wir in Gera gekauft, habe ich ihr auf der Rückfahrt angeboten. Hat sie dankend angenommen, 30 Minuten drin gelesen. Angenehme Atmosphäre auf der Fahrt, Zeit verging wie im Flug.

Auf der Rückfahrt: Dinge, die nicht so wichtig gewesen sind. Sah Kölner Dom, würde ich gerne mal besichtigen. Muss ja ganz toll sein, sagen Gefangene, würde gerne am Rhein spazieren, Biergarten sitzen, schloss ich Gespräch über Biersorten an. In JVA viele Gefangene mit Drogen, strenge Kontrollen. Wollte nie was mit Drogen zu tun haben, schlimm genug, dass ich rauche, Geld reicht nicht für die Zigaretten.

Kleine Tüte Gummibärchen gegeben, aus dem Hotel, kenne ich schon, JVA-Bedienstete bringen Wurfmaterial nach Karneval mit. Gespräch über Haribo, Werk in Zwickau, in dem DDR-Bürger nicht einkaufen konnten. DDR-Bürger hätten nicht gewusst, was sie mit ihrem Geld machen sollen.
Habe eine Situation vergessen: Hinfahrt an Jena vorbei. Man sieht da schon von weitem die Plattenbauten und als wir dann unmittelbar davor waren, vor Tunnel: Übrigens - da oben habe ich vor einiger Zeit mal die Eltern von Uwe Böhnhardt vernommen und wollte mal sehen, wie sie reagiert, das waren ja nette Leute, die konnten sie gut leiden. Zschäpe: Ja, das sind ja wirklich nette Leute, Vater Böhnhardt sieht dem Sohn ja wie aus dem Gesicht geschnitten aus. Zschäpe schaute aus dem Fenster, schaute auf die Plattenbauten - und ich meine, dass sie ein klein wenig feuchte Augen hatte.

Richter Manfred Götzl: Stichwort M. Dienelt, Holger G.
Zschäpe: Wer ist denn entlassen worden? Dienelt! Ach ja. Es sei ihm gegönnt. Hat aber hinzugefügt: Bei anderen sieht sie das nicht so. Holger G. in JVA Köln gewesen, hat sie erst später aus der Zeitung erfahren.

Brief [des norwegischen Rechtsextremisten] Breivik?
Ach ja! Sie hat in der Zeitung gelesen, dass es den Brief gibt, hat ihn aber nicht bekommen und glaubt auch nicht, dass sie den Brief noch bekommen wird.
Können Sie Englisch?
Mit Wörterbuch wird es gehen.

Götzl: Noch was zu Breivik gesagt?
B: Dass sie ihn nicht kennt.
G: Ausbildung?
B: In der JVA Hausmädchen, das würde ihr nicht gefallen. Da man dabei unangebracht viel arbeiten müsse.
G: JVA Chemnitz?
B: Chemnitz angenehmer, Zelle wärmer, deswegen Chemnitz besser.
G: Bruder von Böhnhardt Gesprächsthema?
B: Stimmt. Erinnere mich. Kannte die Geschichte schon. Mittlerer Bruder ist zu DDR-Zeiten unter nicht geklärten Umständen zu Tode gekommen. Muss 1988 gewesen sein, ist der Bruder tödlich verunglückt, lag morgens tot vor Haus oder Wohnungstür. Eltern oder Nachbarn haben ihn gefunden, lag da und war tot, kein Knochen war mehr ganz, Sturz aus großer Höhe oder Autounfall. Volkspolizei hat überhaupt nichts unternommen. Frau Böhnhardt habe daraufhin bei den Freunden gefragt: Was ist passiert. Herausbekommen: Am Abend, bevor er gefunden wurde, auf der Lobdeburg herumgeklettert, aus großer Höhe heruntergefallen. Freunde haben ihn gefunden und zu Hause abgelegt.

(Paul-Elmar Jöris, WDR)
10.10 Uhr.
Zeuge sprach sie auf Satz an: "Ich habe mich nicht gestellt, um zu schweigen." Sie sagte, sie wollte das auch, aber Anwalt riete davon ab.

(Paul-Elmar Jöris, WDR)
11.00 Uhr.
Götzl: War Arbeit in der JVA ein Thema?
B: Sie erwähnte, dass es Möglichkeit gebe, in JVA Handwerk zu erlernen. Für sie komme nur "Hausmädchen" in Betracht, doch das wolle sie nicht. Bleibe in Zelle und friere. Einmal am Tag Hofgang, zum Teil Joggen. Keine Kondition mehr, früher habe sie im Wald gejoggt. Vielleicht lasse sich schlechte Kondition auch mit ihrem Rauchen erklären. In Chemnitz sei JVA besser gewesen, weil wärmer.

(Holger Schmidt, SWR)
12.04 Uhr.
RA Wolfgang Stahl (Verteidigung Zschäpe): Erinnerungen daran, ob im Vorfeld gesprochen wurde, weswegen sie diese Fahrt begleitet haben?
B: Ja, aber keine Aussagegenehmigung. Ich habe mich sicherlich nicht selbst eingeteilt, um mit Frau Zschäpe nach Gera zu fahren.
Stahl: Hatten Sie im Vorfeld dieser Fahrt Kontakte mit Oberstaatsanwalt Kilmer oder Oberstaatsanwältin Greger?
B: Speziell zur Fahrt nicht.
Stahl: Im Besitz der fortgeschriebenen Sachakten?
B: Kann mich nicht erinnern, eher nein.
Stahl: Schreiben Heer 5. Juni 2012: keine Befragung und keine informatorische Befragung. Wer war Ansprechpartner für die Organisation der Fahrt?
B: Habe mit Organisation nichts zu tun gehabt, habe keine Absprachen getroffen.
Stahl: Vermerk Heer 18. Juni mit Oberstaatsanwalt Kilmer: "Schriftsatz sei sehr einleuchtend und respektabel - er hätte das an meiner Stelle nicht anders gemacht und habe auch noch mal mündlich deutlich gemacht." Dienstrang Erster Kriminalhauptkommissar. Üblich, dass sie bei Gefangentransporten mitfahren?
B: Dienstinterne Besprechung. Keine Aussagegenehmigung!
Stahl: Bestimmtes Ziel außer der Betreuung?
B: Also … Wir haben nach dem zu erwartenden Aussageverhalten gefragt. Sie hat es ja zu verstehen gegeben. Und sie hat es ja auf der Fahrt ja auch noch mal gesagt. Und sie war ja froh, mal eine andere Meinung zu hören. Und hat sich über ihren Anwalt beschwert.
Stahl: Sie haben das Gespräch mit Ihren Urlaubserzählungen von Fehmarn begonnen. Ich habe Sie so verstanden, dass das rein zufällig war?
B: Ja, natürlich.
Stahl: Konkrete Angebote während der Fahrt von Ihnen oder von L., unter welchen äußeren Umständen eine Vernehmung stattfinden könnte? Stichwort "Biergarten"?
B: Kann ich mich nicht erinnern. "Biergarten" kam in anderem Zusammenhang. Rheinbrücke Köln. Zschäpe wollte gerne in einen Biergarten. Natürlich hätten wir gerne eine Vernehmung gemacht, aber die Umstände waren doch klar.
Stahl: Haben Sie etwas dazu gesagt, wie Sie zur Verfügung stehen, wenn es sich die Mandantin anders überlegt?
B: Kann sein, aber keine konkrete Erinnerung.
Stahl: Konkret - hat einer von Ihnen gesagt: Frau Zschäpe, Sie können uns jederzeit anrufen?
B: Halte ich für denkbar, kann mich aber nicht daran erinnern.
Stahl: Wurden Ton- oder Bildaufnahmen gefertigt?
B: Nein. Das wäre strafbar, das wissen Sie besser als ich. Wir halten uns an die Spielregeln. Halt! Verstehe, worauf sie hinaus wollen. Zum Glück fällt mir das noch ein: Bundespolizei hat bei der Pause eine Bildaufnahme gemacht, wie Frau Zschäpe aus dem Auto ausgestiegen ist und in das Polizeigebäude gegangen und wieder zurückgekommen ist. Hatte keine Auswirkungen auf den Innenraum im VW-Bus. War eine Einsatzdokumentation der Bundespolizei.
Stahl: Über Verteidiger diskutiert?
B: Habe den Satz gesagt: So ein Verteidiger ist dazu da, dass er das Beste für den Mandanten herausholt.
Stahl: Nachfragen zu Verteidiger und Kommentierung?
B: Über das Gesagte hinaus keine Erinnerung.
Stahl: Hatten Sie den Gesprächsverlauf, den Themenbereich Kritik an der Verteidigung, haben Sie das aus Ihrer kriminalistischen Sicht als Teilerfolg gewertet?
B: Nein, rein objektiv, Werten ist auch nicht meine Aufgabe. Ich erhebe nur Sachverhalte, werten tun andere.
Stahl: Hätten Sie sich einen anderen Verteidiger gewünscht?
B: Das Vertrauensverhältnis hat zu diesem Zeitpunkt nicht bestanden, das hat uns Frau Zschäpe mehr als deutlich gesagt. Ich meine auch, gesagt zu haben, es gibt Anwälte, die in ihrer Situation zur umfangreichen Aussage raten würden.
Anja Sturm (Verteidigung Zschäpe): Wer ist ihr Dienstvorgesetzter?
B: Keine Aussagegenehmigung.
Sturm: Wann waren Sie denn zuletzt auf Fehmarn?
B: Das ist schon sehr lange her. Mehr als zehn Jahre. Aber mehr sage ich nicht dazu, ist meine persönliche Angelegenheit.
Sturm: Rein zufällig soll es gewesen sein?
B: Na klar, war es auch.
Sturm: Wollen Sie daran festhalten, dass es rein zufällig war?
B: Ja.
Sturm: Kein dienstliches Interesse, das Gespräch auf Fehmarn zu bringen?
B: Natürlich wusste ich, dass es einen Bezug gibt. (Zeuge muss selbst lachen.) Wenn man jemanden nicht kennt, worüber redet man, übers Wetter?

Sturm: Warum John Goetz-Buch ["Die Zelle"] in Gera gekauft?
B: Ich kannte es noch nicht. Ich weiß nicht, woher der Anstoß kam.
Sturm: Wie kam das zustande?
B: Weiß ich nicht mehr. Ich glaube aber, das kam im Zusammenhang mit "Panorama", mit dem Interview, weiß es nicht mehr.
Sturm: Wer hat die Unterhaltung geleitet, geführt, mehr gesprochen?
B: Geführt hat die Unterhaltung eigentlich niemand so richtig, meine Kollegin kannte Frau Zschäpe ja schon. Einer von uns beiden hat immer ein Thema begonnen oder aufgegriffen und immer, wenn wir fertig waren, hat jemand anderes von uns ein anderes Thema begonnen. Es war keine informatorische Befragung!

(Paul-Elmar Jöris, WDR)
12.49 Uhr.
Zeuge fällt noch ein, dass Zschäpe unzufrieden mit Verteidiger gewesen sei. Sie könne ja drei Verteidiger haben. Haben darüber gesprochen, wie sie an anderen Verteidiger komme. Ihr Anwalt habe empfohlen, dass ihre Mutter mit Herrn Goetz von "Panorama" ein Interview mache. Goetz sei ein Freund des Anwalts. Zschäpe erzählte, dass die anderen Gefangenen schlecht über Heer redeten. Der zweite Anwalt, Stahl, sei immer gleicher Meinung wie Heer.

Vorhalt: Sie habe Misstrauen gegenüber allen. Sie habe Eindruck, alle wollten etwas für sich, Geld, Presseaufmerksamkeit oder Ermittlungsansätze. Sie darüber fast paranoid. Aktenstudium belaste sie sehr und sie sei eine Meisterin im Verdrängen geworden.

Vorhalt Vermerk: Weckte Eindruck, dass ihr nicht klar ist, wie viel Asservate gefunden wurden. Zeuge berichtet, ihr gesagt zu haben: Lesen Sie den Bericht des Brandermittlers. Zählte auf Papiere, nur am Rand angeschmort, Festplatten etc. In ihren Socken Kohlenwasserstoff festgestellt, nicht in Schuhen, deshalb Schluss, dass sie Schuhe gewechselt.

Götzl: Wie Reaktionen auf Vorhalte?
B: Keine Reaktion in Erinnerung. Hat es ruhig und sachlich zur Kenntnis genommen. Sie zeigte keine Überraschung. Fragte nach Namen seiner Kollegin. Zschäpe habe dann gesagt: Dann haben Sie Vermerk geschrieben, in dem Beate Zschäpe als "bauernschlau" bezeichnet wurde. Darüber sei sie sehr verärgert. Bei uns sei das eine Beleidigung. Kollegin erläuterte, dass diese Charakterisierung vom Sicherheitsbeauftragten der JVA benutzt worden sei.

Nebenklage-Anwalt: Vorhalt: Ankündigung Zschäpe, ihre Aussage werde in jedem Fall umfassend etc.
B: Sie sagte, wenn ich aussage, wird das vollständig und umfassend sein.
Nebenklage-Anwalt knüpft an Vergleich mit RAF-Täter an: Erinnern Sie sich, ob Strafmaß?
B: Nicht sicher, aber sie glaube nicht daran. Aber sie wolle ihrer Oma gerne erklären, wie es dazu gekommen sei und sich entschuldigen. Weiß nicht, ob er nachgefragt habe.
RA Mehmet Daimagüler (Nebenklage-Anwalt der Angehörigen der ermordeten Ismail Yasar und Abdurrahim Özüdogru): Hat sie erwähnt, wem geschrieben und was gelesen?
B: Keine Erinnerung, nur "Süddeutsche Zeitung" erwähnt. Hat gesagt, dass sie ab und zu andere Gefangene in ihrer Zelle treffen dürfe. Keine Einzelheiten in diesem Zusammenhang, keine Erwähnung, ob auch ausländische Gefangene.
Stahl: Noch Erinnerung, ob in Vorfeld gesprochen, warum Zeuge Fahrt begleitet?
B: Ich habe mich nicht selber eingeteilt. Doch Inhalt dienstlicher Besprechung, keine Aussagegenehmigung.
Stahl: Vorhalt: Brief Heer, 5. Juni: Keine Versuche förmlicher Vernehmung oder informatorischer Befragung?
B: Hatte ich in Erinnerung. Mit Vorbereitung der Fahrt war ich nicht beschäftigt. Das hat Kollegin gemacht.
Stahl: Vorhalt: Gesprächsvermerk Heer, Gespräch mit Bundesanwalt Kielmann.
B: Ja, erfahren, kein Vernehmungsbeamter, haben wir ja auch nicht gemacht.
Stahl: Ist es üblich, dass Erster Kriminalhauptkommissar Ausfahrt begleitet?
B: Keine Aussagegenehmigung, weil dienstinterne Frage. Es war keine Vernehmung. Sie war froh, eine andere Meinung zu hören. Sie war mit ihrem Verteidiger unzufrieden. Wir wollten feststellen, wie das mit ihrem künftigen Aussageverhalten aussieht.
Pause bis 14.00 Uhr.

(Holger Schmidt, SWR)
15.55 Uhr.
Bundesanwaltschaft: Antrag von RA Thomas Bliwier (Nebenklage-Anwalt der Angehörigen des ermordeten Halit Yozgat) zur Beweiserhebung rund um Brief zurückgewiesen.

Schluss für heute.

Hinweis

Diese Texte sind eine Auswahl der Mitschriften der Reporter der ARD und des BR während der zentralen Verhandlungstage im sogenannten "NSU-Prozess", eines beispiellosen Verfahrens der deutschen Rechtsgeschichte. Wir dokumentieren diesen "Originalton", weil es in der deutschen Praxis des Strafprozessrechts, selbst bei derartig wichtigen Verfahren, kein offizielles und umfassendes Gerichtsprotokoll gibt. Wir erfüllen damit unsere Informationspflicht, um allen, die keinen der begehrten Sitzplätze im Gerichtssaal erhalten haben, einen - durchaus auch subjektiven - Eindruck der Prozessereignisse zu vermitteln. Die Zusammenfassungen der sogenannten "Saalinfos" unserer Reporter sind redaktionell bearbeitet, zum Teil gekürzt. Es wird kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben und es kann natürlich auch keine Gewähr für die Richtigkeit jedes einzelnen Wortes gegeben werden. Die Redaktion distanziert sich ausdrücklich von den Inhalten der Aussagen der Prozessteilnehmer.


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