0

66. Verhandlungstag, 9.12.2013 Eine Frau mit vielen Namen

Die wichtigste Erkenntnis dieses trüben Montags: Schon Anfang 2007 - also noch vor dem letzten Mord - verhedderte sich Beate Zschäpe im komplizierten System ihrer Tarnidentitäten. Doch die Polizei reagierte nicht.

Stand: 10.12.2013 | Archiv

Ein Zufall hat die Polizei lange vor dem Ende des Terrortrios in dessen Zwickauer Wohnung geführt. Genauer: ein Wasserschaden in der Wohnung darüber. Am 66. Verhandlungstag berichtete ein Polizist, wie er damals bei "Dienelt" geklingelt und Beate Zschäpe die Tür geöffnet hatte. Freilich habe sie sich als Lisa vorgestellt. Lisa Dienelt? Bei einer späteren Befragung auf dem Revier habe die Angeklagte erkärt, Lisa sei nur ihr Spitzname - eigentlich heiße sie Susann E.

Eine "etwas komische Sache" sei das gewesen, sagte der Polizist aus - nachgegangen ist er ihr nicht. Er habe in der Woche sehr wenig Zeit gehabt, zudem sei die Frau für die weitere Aufnahme des Wasserschadens nicht mehr benötigt worden.

Auf der Polizeidienststelle war Zschäpe zusammen mit ihrem "Ehemann" erschienen - tatsächlich der Mitangeklagte André E., der dem Verfassungsschutz bereits als Rechtsextremist bekannt war. "Er war halt gleich mit da", berichtete der Beamte. "Sie sagten, sie kümmern sich in der Wohnung um die Katzen, weil Dienelt oft weg sei." Das ganze sei eine kurze "Standardvernehmung" gewesen. Für den Beamten war die Sache damit erledigt - und Zschäpe und André E. verließen die Polizeidienststelle unbehelligt. Rund vier Monate später ereignete sich der letzte der zehn Morde, die der rechtsextremen Terrorzelle NSU zugeschrieben werden: der Mord an einer Heilbronner Polizistin.

Zschäpe nach der Verhaftung: "Durcheinander und nervös"

Eine Beamtin des Bundeskriminalamts berichtete danach unter anderem über die Tage zwischen dem Selbstmord von Böhnhardt und Mundlos und Zschäpes Gang zur Polizei, wo sie sich am 8. November 2011 gestellt hatte. Dabei ging es um einen Anruf Zschäpes auf dem Handy von André E. und um Anrufe bei Böhnhardts und Mundlos' Eltern. Die Beamtin gab Zeugenaussagen wieder, wonach Zschäpe in dieser Zeit sehr durcheinander und nervös gewesen sei.

Ihr eigener Eindruck, den sie auf mehrstündigen Transportfahrten mit Zschäpe im Sommer 2012 gewonnen hatte, war dann ein anderer. Es sei eine sehr lockere Atmosphäre gewesen. "Frau Zschäpe machte zu keinem Zeitpunkt den Eindruck, dass sie nicht sprechen wollte." Nur einmal habe es eine "Veränderung" gegeben: als man an Jena vorbeigefahren sei und ein Beamter gesagt habe, das sei doch da, wo Uwe Böhnhardt aufgewachsen sei.

"Als wir auf der Höhe waren, haben wir auch dorthin geguckt - woraufhin Frau Zschäpe sehr ruhig geworden ist für längere Zeit. Das haben wir auch nicht unterbrochen."

Aussage einer BKA-Beamtin

Zschäpes Verteidigung forderte, die Aussage der Beamtin für das Urteil nicht zu verwerten. Die Beamtin betonte, sie habe Zschäpe explizit darauf hingewiesen, dass es keine Vernehmung sei, habe aber auch gesagt, dass man sich für die Ermittlungen Notizen mache.


0