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Plötzlich mittendrin Zuerst cooler Abend dann blankes Entsetzen

Er wurde zum Augenzeuge des blutigen Geschehens. In einem Blog beschreibt Damien Allemand er das Grauen der ersten Minuten. Allmand ist Journalist beim Nice Matin, dort zuständig für das Web.

Von: Damien Allemand

Stand: 15.07.2016

Anschlag Nizza | Bild: Reuters (RNSP)

Zuerst war es ein cooler Abend. Die Atmosphäre war gut, das Feuerwerk ziemlich klasse, die Kinder warfen Kieselsteine ins Wasser, und das Netz war ruhig. Kurz, es war ein cooler Abend. Die Promenade war schwarz vor Menschen. Wie an allen Feiertagen des 14. Juli. Ich hatte mich entschieden, den Abend am Strand zu verbringen, auf Höhe des High-Club. Genau an dem Ort, wo die Promenade zur Fußgängerzone wird.

Der Alptraum beginnt

Mit dem Ende der Show sind alle aufgestanden, zur gleichen Zeit. In Richtung der Stufen, alle eingezwängt wie die Sardinen. Ich ging zick-zack zwischen den Leuten, um zu meinem Roller zu kommen, der nicht weit weg stand. In der Ferne Lärm. Schreie. Mein erster Gedanke: Ein besonders Schlauer wollte sein eigenes Feuerwerk machen und hat es nicht beherrscht… Aber nein. Den Bruchteil einer Sekunde später raste ein riesiger weißer LKW mit verrückter Geschwindigkeit über die Leute, immer wieder das Lenkrad einschlagend, um möglichst viele Leute umzufahren.

Wie Kegel durch die Luft geschleudert

Dieser Todeslaster ist einige Meter vor mir vorbeigefahren und ich habe es nicht realisiert. Ich habe Körper gesehen, die – während er fuhr - durch die Luft flogen wie Kegel beim Bowling. Schreie gehört, Gebrüll, das ich nie vergessen werde. Ich war gelähmt. Ich habe mich nicht bewegt. Ich bin diesem Leichenwagen mit den Augen gefolgt. Um mich herum war die reine Panik. Die Leute liefen, schrien, weinten. Allmählich kam mir alles zu Bewusstsein. Und ich bin mit ihnen gelaufen. Richtung "le Crocodile" (Restaurant in Nizza an der Promenade des Anglais), das war die Richtung, in die alle flüchteten. Ich bin dort nur ein paar Minuten geblieben. Aber die erschienen mir wie eine Ewigkeit. "Bringen sie sich in Sicherheit." "Bleiben sie nicht hier!": "Wo ist mein Sohn? Wo ist mein Sohn?" Worte, die ich um mich herum aufgeschnappt habe.

Das Bild des Grauens

Ich wollte unbedingt wissen, was passiert war. Also bin ich rausgegangen. Die Promenade war verlassen. Kein Lärm. Keine Sirene. Kein Auto. Also habe ich den Mittelstreifen überquert, um dorthin zurückzukehren, wo der LKW gefahren war. Ich bin Raymond über den Weg gelaufen, dem 50-jährigen, in Tränen aufgelöst, der mir zugeflüstert hat: „Da sind überall Tote.“ Er hatte recht. Direkt hinter ihm lagen alle fünf Meter Leichen, abgetrennte Gliedmaßen… Blut. Stöhnen.

Unfähig zur Hilfe

Die Strandpächter waren die Ersten vor Ort. Sie haben Wasser geholt für die Verletzten und Tücher, die sie dort hingelegt haben, wo es keine Hoffnung mehr gab. In diesem Moment fehlte mir der Mut. Ich hätte helfen wollen, mit anfassen.. kurz irgendetwas tun. Aber ich konnte nicht. Immer noch gelähmt. Eine zweite Welle der Panik hat mich dann ins „Crocodile“ zurückgebracht. "Er kommt zurück! Er kommt zurück!" Das war falsch. Der LKW-Mörder hatte seine Fahrt in einiger Entfernung von uns beendet, von Kugeln durchlöchert. Ich hatte keinen Schuss gehört. Nur Schreie. Und nun Weinen. Nur Weinen. Ich bin gerast. Geradeaus. Habe meinen Scooter geholt, um möglichst weit weg von dieser Hölle zu kommen. Ich bin die Promenade wieder hinauf gefahren, und dabei ist mir das Ausmaß des Dramas bewusst geworden. Tote und Verletzte lagen verstreut über dem Trottoir bis auf Höhe des Lenval. (Gebäudekomplex an der Avenue de la Californie). Die ersten Rettungswagen kamen… Dieser Abend, das war der reine Horror.


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