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Raben-Trainer de Brandt "Der Volleyball in Deutschland lebt"

Vom Lehrer zum Volleyball-Coach: Das ist Jan de Brandt, neuer Trainer der Roten Raben. Im BR-Interview spricht er von seiner Leidenschaft für fremde Sprachen, über die Besonderheit von Volleyballerinnen im Training und die Stärke seines Teams.

Von: Christian Höb

Stand: 17.10.2014 | Archiv

Jan de Brandt vor zwei Reihen Volleyball | Bild: Rote Raben Vilsbiburg; colourbox.com; Montage: BR

Die Roten Raben Vilsbiburg starten am Samstag (18.10.14, 14.30 Uhr) mit der Partie beim VC Wiesbaden in die Bundesliga-Saison. Gecoacht werden sie von ihrem neuen Trainer Jan de Brandt (55). Der Belgier arbeitete vor seiner Trainer-Karriere als Sportlehrer und spielte 350 Mal in der belgischen Nationalmannschaft. Als Trainer holte er mit Fenerbahce Istanbul das Triple aus Meisterschaft, Pokal und Supercup und gewann mit der ungarischen Nationalmannschaft die Europameisterschaft.

br.de: Herr de Brandt, Sie sprechen acht Sprachen: Niederländisch, Englisch, Deutsch, Türkisch, Französisch, Spanisch, Italienisch und Portugiesisch. Wie begrüßt man sich denn auf bayerisch?

Jan de Brandt (lacht): Grüß dich oder Grüß Gott?

Oder "Servus". Haben Sie das schon mal in Vilsbiburg gehört?

Ja, richtig, Servus! (lacht)

Warum haben Sie denn so viele Sprachen gelernt?

Das interessiert mich einfach. Und es hilft mir, mit meinen Spielerinnen besser zu kommunizieren. Wenn ich die Sprache beherrsche, ist vieles einfacher. Vor allem im Ausland. Ich bin nach Teneriffa gegangen und habe Spanisch gelernt. Ich bin in die Türkei und habe Türkisch gelernt. Man bekommt einen viel besseren Zugang zu den Menschen. Die wissen das auch zu schätzen, dass man ihre Sprache kann.

Welche Sprache wird denn im Training der Raben gesprochen?

Englisch, das verstehen einfach alle. Wenn ich mit Spielerinnen einzeln rede, wechsle ich auch mal. Es macht Spaß, den Spielerinnen Tipps in ihrer Sprache zu geben. Es macht die Kommunikation viel einfacher. Wir reden ja nicht nur über Volleyball, und dann kann ich den Spielerinnen andere Dinge in ihrer Sprache mitgeben. Das finde ich schön.

Sie waren u.a. in Belgien, der Schweiz, Ungarn, Spanien und der Türkei als Volleyball-Trainer tätig. Wie stark ist die deutsche Volleyball-Liga im internationalen Vergleich?

Meiner Meinung nach gibt es drei Ebenen. Die stärkste Gruppe spielt auf Top-Niveau. Dazu gehören zum Beispiel Russland und die Türkei. Die zweite Gruppe hat ein gutes, aber kein Top-Niveau. Dazu zähle ich zum Beispiel Deutschland und Frankreich. Und dann noch das unterste Niveau, das von Mannschaften aus Portugal, Spanien und der Schweiz gespielt wird.

Wie unterscheidet sich die deutsche Volleyball-Mentalität im Vergleich zu den anderen Ländern?

Ich fühle, dass Volleyball in Deutschland lebt. Das sehe ich zum Beispiel an den Erfolgen der Nationalmannschaft. In Deutschland wird professionell gearbeitet und ich glaube, dass sich das noch weiterentwickeln kann. Was Deutschland von den anderen Ländern wirklich unterscheidet, ist die sehr gute Organisation.

Und bei den Fans?

Die Übertragungszeiten im deutschen Fernsehen taugen beim deutschen Volleyball nicht zum Vergleich, du musst in die Hallen schauen: Wenn 2.000 Zuschauer das Spiel gucken, ist das echt schön. Das gibt es nicht überall - auch die großen Vereine in der Türkei haben nicht so viele Zuschauer. Hier gehst du nach Aachen, Schwerin oder Dresden und es ist immer was los.

De Brandts Trainerstationen

  • 1994 - 1998 Zonhoven (Belgien)
  • 1998 - 2001 Asse-Lenik (Belgien)
  • 2001 - 2005 Tongeren (Belgien)
  • 2005 - 2008 Belgische Nationalmannschaft
  • 2008 Santa Cruz de Tenerife (Spanien)
  • 2009 - 2010 Fenerbahce Istanbul (Türkei)
  • 2011 - 2015 Iqtisadci Baku (Aserbaidschan)
  • 2013 Volero Zürich (Schweiz)
  • 2014 Datovoc Tongeren (Belgien)
  • seit 2014 Coach der ungarischen Frauen-Nationalmannschaft
  • seit 2014 Trainer der Roten Raben

Sie haben in Ihrer Karriere sowohl Männer- als auch Frauenmannschaften gecoacht. Welchen Unterschied macht es, ob man Männer oder Frauen trainiert?

Frauen sind viel emotionaler, wenn sie gewinnen oder verlieren. Die Tränen kommen viel einfacher als bei Männern. Damit musst du als Trainer umgehen. Und wenn Frauen einmal für deine Idee und deine Trainingsmethoden brennen, gehen sie für dich durchs Feuer. Bei Männern gibt es das selten. Sie sind egoistischer.

Brennen die Raben-Spielerinnen denn schon für ihre Idee?

Sie setzen das schon gut um. Aber wir trainieren ja erst seit zwei Monaten. Im Volleyball muss man viel trainieren und miteinander sprechen. In einem halben Jahr sieht man die Trainingserfolge dann besser.

Warum haben Sie sich dazu entschieden, Trainer bei den Raben zu werden?

Eine belgische Managerin hat mich darauf hingewiesen, dass Vilsbiburg einen neuen Trainer sucht. Sie sagte mir: Die haben eine schöne Halle, alles ist top organisiert und du kannst dir 70 Prozent deines Kaders selbst zusammenstellen. Außerdem ist Vilsbiburg nicht weit von meiner belgischen Heimat entfernt. Ich kann mein Leben und meine Arbeit also gut miteinander verbinden.

Die Raben hätten als Vizemeister in der kommenden Saison in der Champions League spielen können. Aus finanziellen Gründen hat der Klub darauf verzichtet. Ein Rückschlag für Sie?

Nein, es ist kein Rückschlag, sondern ein Weg, den dieser Verein eingeschlagen hat. Wir wollten das ja nicht machen, weil es zu teuer ist. Für das Geld kannst du eine oder zwei neue Spielerinnen holen. Sportlich ist der Europacup besser für uns. Das Niveau ist etwas leichter und wir können mehr erreichen. Und wenn wir im Europacup verlieren, sind wir immer noch im Challenge Cup. Klar willst du als Trainer Champions League spielen, aber du musst zuerst an den Verein denken. Mir ist viel wichtiger, dass die Raben ein gesunder Verein bleiben und nicht ein Abenteuer werden, das nach hinten losgeht. Da spiele ich lieber nicht in der Champions League.

Warum werden die Roten Raben heuer Deutscher Meister?

(lacht) Abwarten! Kommt auf die Gegner an. Natürlich wollen wir Meister werden und den Pokal gewinnen. Wir können auf jeder Position viel wechseln. Unsere Stärke ist das Team. Am Ende einer Meisterschaft steht immer ein Team und nicht nur sechs Spielerinnen. Unser kleines Ziel sind die Playoffs. Und dann kommt das große Ziel: Meister werden.

Die Geschichte der Roten Raben

70er Jahre

Am 2. Oktober 1971 gründen neun volleyballbegeisterte Jugendliche eine eigene Volleyball-Abteilung im TSV Vilsbiburg. Die Abteilung heißt zunächst "Turnspiele". 1972 bildet sich eine Frauenmannschaft, 1976 erhält das Team die Spielberechtigung für die 2. Liga. In der Mannschaft spielen ausschließlich Vilsbiburgerinnen.

80er Jahre

1981 gelingt dem Damen-Team der Aufstieg in die 1. Bundesliga. Spielerinnen aus dem Ausland werden verpflichtet, mit Beppo Stolarik kommt ein Trainer aus der CSSR. Das Budget wird immer größer, darum wird die Abteilung Volleyball 1987 aus dem Hauptverein herausgelöst. Es entsteht ein eigener Verein: der VSV Vilsbiburg.

90er Jahre

Nach neun Jahren in der 1. Liga steigt die Mannschaft 1990 ab. Für einen Wiederaufstieg ist kein Geld da, darum geht der Klub 1992 freiwillig in die Bezirksliga. 1995 übernimmt Klaus-Peter Jung-Kronseder das Ruder beim VSV. Er baut eine immer stärkere Mannschaft auf und intensiviert die Nachwuchsförderung. 1998 wird der Klub in "Rote Raben" umbenannt, ein Jahr später gelingt der Aufstieg in die 1. Bundesliga.

2000er Jahre

2005 und 2006 werden die Raben Vizemeister. Der Argentinier Guillermo Gallardo führt die Roten Raben 2008 und 2010 zur Deutschen Meisterschaft und 2009 zum DVV-Pokalsieg. Das Volleyball-Internat, das als Stützpunkt Süd des Deutschen Volleyball-Verbandes anerkannt ist, wird 2011 mit dem "Grünen Band" des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) ausgezeichnet. 2014 gewinnen die Raben erneut den DVV-Pokal.


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