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Integration junger Flüchtlinge Wunschträume und Realität

In Deutschland leben mehr als 67.000 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge - Stand Ende Januar. Die meisten sind in Bayern untergebracht. Viele Stellen kümmern sich um die Integration, doch das ist schwieriger, als viele Politiker denken.

Von: Vera Cornette

Stand: 11.04.2016 | Archiv

Die Schülerin Hadeiatou aus dem afrikanischen Guinea absolviert am 24.02.2015 in der Metallwerkstatt der Allgemeinen Berufsschule in Bremen einen Kurs im E-Schweißen. | Bild: Ingo Wagner/dpa

Auf ihren Schultern lasten die Hoffnungen der Nation: Fachkräftemangel besiegen, Renten sichern und die Überalterung der Gesellschaft bremsen. All das sollen - vor allem - junge Flüchtlinge leisten, jedenfalls, wenn man der Bundesregierung, allen voran Arbeitsministerin Andrea Nahles und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (beide SPD), zuhört.

Der Erzieher Alexander Hübner betreut in einem Gemeinschaftsraum der Familienhilfe in Würzburg den 14-jährigen Samuel aus Eritrea

In den Kommunen, in denen die Flüchtlinge untergebracht sind, sieht es wie so oft ganz anders aus. Natürlich gibt es hie und da die Hoffnungsträger, die den Berliner Politikern gefallen: So macht in Oberbayern im Landkreis Miesbach seit einigen Monaten ein Somali erfolgreich eine Bäckerlehre. Auszubildende im Bäckerhandwerk sind schwer zu finden, viele scheuen den Job ob der frühen Arbeitszeiten. Doch längst nicht jeder Flüchtling strebt einen Ausbildungsplatz im Handwerk an.

Die Jugendlichen haben große Träume

 Flüchtlinge halten sich in München (Bayern) in der Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber auf dem Gelände der Bayernkaserne im Freien hinter einem Schild auf | Bild: picture-alliance/dpa zur Übersicht Dossier An den Grenzen Fluchtpunkt Bayern

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Das wird ganz offensichtlich in Niederbayern auf dem Burgberg in Frontenhausen, nicht weit weg von Landshut. Idyllisch gelegen mit Blick aufs Vilstal betreibt der Landesverband der Gehörgeschädigten einen Gartenbaulehrbetrieb. Das läuft so ab: Jugendliche, die auf dem ersten, also dem regulären Arbeitsmarkt, keine Chance haben, können hier wohnen und in geschützter Atmosphäre Gärtner werden. Als das Kreisjugendamt anfragte, ob es noch Plätze in den zum Lehrbetrieb gehörenden Wohnheimen gäbe, entschieden sich die Einrichtungsleiter eine Gruppe junger Afghanen aufzunehmen.

Einer von ihnen ist Eawaz. Gerade kniet er mit seiner Ausbilderin am Boden, lernt pflastern. Gärtner werden, sein Traumjob? "Nein, leider nicht", sagt er, "aber es war für mich die beste Chance, jetzt richtig Deutsch zu lernen." Der junge Afghane ist seit eineinhalb Jahren in Deutschland und ein Musterschüler: lernwillig, motiviert, schätzt sich realistisch ein.

Mancher verliert die Bodenhaftung

Das ist längst nicht überall so: Faisal erzählt, dass er früher als Lastenträger gearbeitet hat. Jetzt greift er beruflich nach den Sternen: Ingenieur wolle er werden bei BMW. Sein Betreuer schüttelt den Kopf. Der Sozialpädagoge Alfred Gruber glaubt nicht, dass der Junge das Zeug dazu hat: "Faisal soll jetzt mal ein paar Praktika auf dem ersten Arbeitsmarkt machen, da wird er auch negative Erfahrungen sammeln und sich wohl irgendwann wieder umorientieren", meint Gruber, der auch einer der Leiter des Burgbergs ist. Die jungen Afghanen bekämen bei ihm in der Einrichtung so viel positives Feedback, dass sie teilweise ein wenig die Bodenhaftung verlören und sich nicht mehr so ganz realistisch einschätzen können.

Das ist auch für Heinrich Trapp der Grund, warum er sich von einem Pilotprojekt, das mit großen Hoffnungen gestartet ist, verabschiedet. Trapp ist Landrat vom Landkreis Dingolfing-Landau, quasi BMW-Land. Dort wird gerade eine Logistikhalle mit 2.000 neuen Arbeitsplätzen gebaut. Bis zum Jahresende habe man versucht, 20 junge Flüchtlinge zu finden, die eine Ausbildung zum Logistiker beginnen wollen. "Die Voraussetzungen und Fähigkeiten der Flüchtlinge klaffen gewaltig auseinander mit den Erwartungen der Unternehmen", sagt Trapp.

Auf dem Burgberg sieht man die Lage längst nicht so düster: Manche der jungen Flüchtlinge müsse man "mal gegen die Wand fahren lassen" und sie unterstützen, dass sie sich einerseits frei für den Beruf entscheiden können, der ihnen gefällt, andererseits einen Job im Rahmen ihrer Möglichkeit finden.


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G. Fischer, Montag, 11.April 2016, 12:28 Uhr

11. Integration

Ich habe fast 15J. in Nordafrika und im Nahen Osten gearbeitet. Mich überrascht die "Arbeitsmoral" der aus diesen Ländern kommenden Migranten nicht.
Erfreulich, dass man bei uns inzwischen offen darüber sprechen und auf die uns noch zu erwartenden Probleme mit diesen Menschen hinweisen darf. In Okt. wurden meine entspr. Warnungen/Befürchtungen bei Tagesschau.de noch zensiert.
Besonders seitens unserer politisch Verantwortlichen will man von Integrationsproblemen nichts wissen. Daher habe ich den Verantwortlichen von SPD, Grünen und Linken vorgeschlagen Migranten als Praktikanten einzustellen und sie mal einen Monat hart zu fordern. Alle, die unser Flüchtlingsproblem immer noch durch ihre ideologischen rot-grünen Brillen sehen, werden überrascht sein, wie viele von diesen "Fachkräften" zum Schluss noch pünktlich zur Arbeit kommen.
Ich möchte hiermit nicht die Migranten kritisieren, weil die kennen das Arbeitsleben nicht anders, sondern unsere naiven politisch Verantwortlichen.

  • Antwort von Manfred, Montag, 11.April, 12:52 Uhr

    Wenn Sie nicht eine offensichtliche Aversion gegen "rot-grün" zeigen würden, könnte man Ihren Beitrag vielleicht eher ernst nehmen. - So ist es nur ein weiterer ideologisch gefärbter Beitrag aus der schwarzen Ecke.

  • Antwort von Truderinger, Montag, 11.April, 13:34 Uhr

    @G. Fischer: Da müssen Sie aber ganz schön viel Pech gehabt haben. Ich habe auch viele Jahre lang in der Region gearbeitet und völlig andere Erfahrungen gemacht. Und nein, ich hatte dabei keine rot-grüne Brille auf, sondern bin einfach offen und verständnisvoll auf die Menschen zugegangen. Ich weiß aber auch, dass viele unserer Landsleute im Ausland gerne den Herrenmenschen raushängen lassen und sich damit das Leben unnötig schwer machen.

  • Antwort von Babsi, Dienstag, 12.April, 11:20 Uhr

    @ Truderinger

    Jedem Anderen hätte ich diesen Satz mit "offen und verständnisvoll" abgekauft, Ihnen aber sicherlich nicht...

Paul H., Montag, 11.April 2016, 12:03 Uhr

10. Zum Thema Fachkräftemangel

Der betrifft die Unternehmen CDU / CSU und SPD besonders stark. Die Zeitarbeitsunternehmen FDP, Grüne und Linke setzen erst gar nicht auf Fachkräfte, die beschäftigen aus Prinzip nur Hilfskräfte und sind deshalb auch nicht vom Fachkräftemangel betroffen. Deshalb von deren Seite auch sehr hohe Fehleinschätzung.

Agan, Montag, 11.April 2016, 10:54 Uhr

9. Anspruchshaltung

Die Anspruchshaltung kommt nicht erst beim Berufswunsch. Eine gute Bekannte leitet eine Förderklasse. Sie berichtet, dass ihr mehr als die Hälfte der Jugendlichen erzählen, dass sie Anspruch auf ein Haus und ein Auto haben. Dass Schlepper so etwas versprechen, um ihr Geschäft zu fördern, ist verständlich. Aber irgendwann müssen die Menchen doch in der Realität ankommen.

Sozialarbeiter, Montag, 11.April 2016, 10:38 Uhr

8. Selbstüberschätzung

Die Selbstüberschätzung ist nicht auf jugendliche Migranten beschränkt. In den Asylbewerberunterkünften erleben wir dasselbe.

Die Menschen aus Afrika, Afghanistan und den Arabischen Ländern haben zum allergrößten Teil nicht die geringste Vorstellung, wie das Arbeitsleben in Deutschland abläuft, sie wissen nicht, wie Arbeit auf der Stufe einer Industrie- und Dienstleistungsgeselschaft abläuft, was man können muss , welche Ausbildung man braucht, kurz: sie wissen wirlklich rein gar nichts. Die Vorstellungen, die sie haben, knüpfen selbstverständlich an die Standards ihrer Herkunftländer an und nicht an unsere.

Seppl, Montag, 11.April 2016, 10:31 Uhr

7. Und nochmal: Erfahrungen aus Rosenheim

Der Vorstand der Bundesagentur für Arbeit (BA), Detlef Scheele, geht die BA davon aus, dass zehn Prozent der Flüchtlinge nach einem Jahr Arbeit finden, 50 Prozent nach fünf Jahren und 75 Prozent erst nach zwölf bis 13 Jahren. Der Rosenheimer Kreisjugendamtsleiter nennt den ersten Teil dieser Aussage „höchst optimistisch“. Der
zweite Teil sei „ausgeschlossen“. Von 100 bis 150 unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen macht nach seinen Angaben nur einer eine Ausbildung.
Für die meisten seien die Ausbildungsstandards deutlich zu hoch.

  • Antwort von Manfred, Montag, 11.April, 10:58 Uhr

    Die Aussagen von Herrn Scheele klingen vernünftig. Man muss dabei ein paar Dinge berücksichtigen:
    - Flüchtlinge dürfen sowieso nicht gleich arbeiten
    - Bei den Kindern und Jugendlichen dauert es naturgemäß etwas länger, bis sie dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen
    - Frauen sind - je nach Herkunftsland - wohl tatsächlich benachteiligt, weil sie in Ihrer Heimat keine Ausbildung bekommen haben.

    Die Aussagen des Rosenheimer Kreisjugendamtsleiter sind aber nicht ernst zu nehmen. Er hat da sicher den ganz großen Durchblick. (Ich vermute mal, er hat eher eine gewisse politische Einstellung....) Klar dass von den minderjährigen Flüchtlingen JETZT noch kaum einer eine Ausbildung macht. Wie auch? Die sind erst vor kurzem angekommen, leben oft noch in Massenunterkünften und müssen erstmal Deutsch lernen bzw. auf die Schule gehen.

  • Antwort von Seppl, Montag, 11.April, 12:28 Uhr

    Oh mein Gott! Der Leiter des Jugendamtes hat keine Ahnung, Flüchtlinge dürfen nicht gleich arbeiten, Jugendliche sind erst seit kurzem da ....
    Sie dreschen hier alle Klischees, die man aus der Welcome-Ecke jeden Tag hört.

    Viel Meinung, keine Information. Brauchts auch nicht. Wer will sich sein Weltbild durch Fakten stören lassen?

    Sowohl dieKosten von durchschnittlich 60.000 € pro Person als auch den Artikel in der FAZ kann man googeln.

  • Antwort von Manfred, Montag, 11.April, 12:49 Uhr

    Also ich glaube eher einem Vorstand der BA als einem "Seppl" im Internet. - Sie können das natürlich halten wie Sie wollen.

  • Antwort von wm, Montag, 11.April, 12:57 Uhr

    @Manfred

    Ein Teil der jugendlichen Flüchtlingen wollen keine Ausbildung,die wollen sofort das ganz große Geld verdienen.
    Viele haben bereits kurz nach Beginn einer Ausbildung das Handtuch geworfen,Vergütung zu gering!!!

  • Antwort von Manfred, Montag, 11.April, 14:53 Uhr

    @wm

    "Ein Teil" - Ja das mag schon, dann werden sie lernen müssen, mit den Realitäten zu leben.

    Von welchen Flüchtlingen reden wir hier eigentlich?
    Den Flüchtlingen aus Syrien usw., die größtenteils erst ein paar Monate hier sind? Wie kann man da jetzt schon großartig Aussagen machen?
    Von nordafrikanischen Wirtschaftsflüchtlingen, die ja schon lange ein Thema sind? Mag sein, aber die haben auf Dauer eh kein Aufenthaltsrecht.

    Etwas Differenzierung wäre nicht schlecht...