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Mafia in Bayern Wenige kassieren - die Rechnung zahlen alle

Die Mafia macht kriminelle Geschäfte - unschön, aber was hat das mit mir zu tun? Das könnte man denken. Eine ganze Menge, denn indirekt schädigt diese Schattenwirtschaft die legale in erheblichem Maß.

Stand: 14.03.2011 | Archiv

Symbolbild: Eine dunkle Gestalt steckt geldscheine ins Revers | Bild: BR

In Italien gibt es bei Fehden zwischen verfeindeten Mafia-Clans regelmäßig Tote. Auch Unbeteiligte fallen bei Schießereien ab und an einem Querschläger zum Opfer. In Russland herrscht zum Teil regelrecht Krieg zwischen verschiedenen Organisationen. Jedes Mitglied lebt dort beständig in Lebensgefahr. 

In Italien kann es für einen Anti-Mafia-Schriftsteller sehr gefährlich werden: Roberto Saviano.

In Deutschland kommen solche Mafia-Exzesse nicht vor, die Morde von Duisburg waren eine Ausnahme. Die Clans scheuen hierzulande normalerweise wie der Teufel das Weihwasser, ins Visier der Medien und ins Fadenkreuz der Ermittler zu geraten.

Dennoch agieren sie in großem Stil, legen aber Wert darauf, die kriminellen Geschäfte in aller Stille abzuwickeln. "Die Unterschiede liegen nur in der Menge der Toten. Es wäre unklug, wenn sich die Mafia in Deutschland so benehmen würde wie in Italien - also Bomben legen, Leute ermorden, terrorisieren", meint die in Venedig lebende, deutsche Mafia-Spezialistin Petra Reski.

Wenig Blut, viel Umsatz

Reskis Autoren-Kollege Jürgen Roth äußert sich ähnlich: "Es ist eine breite Palette, wo der Bürger betroffen ist. Die einzige Ausnahme: Es fließt hier wenig Blut. Aber das bedeutet auch, dass die Geschäfte umso besser gehen." Roth meint damit: Nur weil die Öffentlichkeit die Präsenz der Mafia nicht wahrnimmt, heißt das noch lange nicht, dass ihre Aktivitäten die deutsche Gesellschaft nicht verändert.

"Es gibt keinen Bereich der Wirtschaft ohne mafiöse Aktivitäten."

Francesco Forgione

Gefahr für Mittelstand, für Marktwirtschaft

"Die Organisierte Kriminalität ist ja auch immer organisierte Wirtschaftskriminalität", so Roth weiter, der darauf hinweist, dass der Mafia horrende Summen zur Verfügung stehen. "Für die Bürger hat das gravierende Auswirkungen. Einerseits wird der freie Wettbewerb ausgeschaltet. Der kleine Handwerksunternehmer, der mittelständische Unternehmer kann gegen jene, die ihr Geld kriminell erwirtschaftet haben, nicht mithalten", so Roth.

Das enorme Kapital häuft die Organisierte Kriminalität vor allem auch durch Geldwäsche an. Das "bedeutet, dass ein anständiger Unternehmer nicht mit den Summen konkurrieren kann, die ein mafiöser investiert. Damit wird die Wirtschaftsdemokratie kaputt gemacht. Die Konkurrenz ist kaputt", bestätigt Reski ihren Frankfurter Kollegen.

Legal, illegal - die Grenzen verschwimmen

Mit Geldwäsche ist ein weiteres Problem benannt: Die illegal erworbenen Summen speist man in den legalen Wirtschaftskreislauf, die kriminelle Herkunft ist kaum nachzuweisen. Italienische Mafiosi, die längst nicht mehr dem Bild des Marlon-Brando-"Paten" aus dem Film von Francis Ford Coppola entsprechen, investieren das Geld wie Manager in Immobilien oder spekulieren damit an der Börse.

"Das Kapital, das die Organisierte Kriminalität zur Verfügung hat, ist so groß, dass das auch entsprechend Einfluss in Deutschland gewinnen kann."

Jürgen Roth

Mafia borghese und Manager-Paten

Die heutigen Mafiosi sind laut Roth "clevere Geschäftsmänner, haben teilweise Hochschulausbildung, halten sich im Bereich von großen Anwaltskanzleien auf", kurz: bewegen sich innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft, pflegen Kontakte zu Politikern und Wirtschaftsbossen. Sollte ihnen jedoch jemand in die Quere kommen, beschäftigen sie für die "Drecksarbeit" immer noch den klassischen Killer. "Manager-Paten" nennt der italienische Experte Francesco Forgione den modernen Mafia-Boss. Dieses Prinzip der "Mafia borghese" wurde in Italien schon vor Jahrzehnten etabliert. Ob einst Ex-Premiers wie Giulio Andreotti oder Bettino Craxi und heutzutage Silvio Berlusconi - sie alle wurden bzw. werden direkt oder indirekt mit Organisierter Kriminalität in Verbindung gebracht.

"Mafia borghese" - ein Phänomen, das sich nun auch in Deutschland ausbreitet? Nach Beobachtungen mancher Experten gibt es Alarmzeichen: Syndikatsmitglieder seien auch hierzulande zum Teil schon in bürgerlichen, ja höchsten Gesellschaftsschichten angekommen. Im Hinblick auf München hat Reski nach eigenen Angaben bestimmte Hinweise, die sie aber bislang nicht offenlegt.

Aus gutem Grund: In ihrem Buch "Mafia. Von Paten, Pizzerien und falschen Priestern" musste sie nach Klagen von namentlich genannten Personen einige Passagen schwärzen lassen. Konkrete Beispiele zur Verquickung von Mafia und Gesellschaft in Bayern können oder wollen auch hiesige Ermittler nicht benennen.

Laut Reski versucht die Mafia, in die Gesellschaft einzudringen, um sie für ihre Zwecke einzuspannen: "Man braucht deutsche Helfershelfer, man braucht die Unterstützung von Politikern, von Baudezernenten." Letztere etwa könnten sich für die Mafia als hilfreich erweisen, wenn es um die Vergabe öffentlicher Aufträge geht. Die Chancengleichheit unter Bewerbern bleibe auf der Strecke.

Mafia und Energiepreise

Gasleitungen

Doch das Einsickern krimineller Organisationen in Wirtschaft und Gesellschaft scheint damit noch nicht am Ende angelangt. "Vor allem während der Wirtschaftskrise konnte sich die Mafia in strategische Sektoren einkaufen, etwa in den Energie- oder Telekommunikations-Bereich", sagt Forgione.

Auch nach Erkenntnissen von Roth "ist es der russischen Mafia gelungen, strategische Konzerne im Energie- und Rohstoffbereich zu erobern, um dadurch ihr kriminell erwirtschaftetes Kapital zu legalisieren." Am Ende könnten solche scheinbar fernen Verkettungen bis auf jedermanns Nebenkosten-Abrechnung durchschlagen: "Wir sind auf Erdgas und Erdöl angewiesen. Wir wissen, woher es kommt: ganz sicher nicht aus Staaten, in denen die Kriminalität nicht bis in Teile des Staates vorgedrungen ist. Jederzeit kann hier der Gaspreis hochgehoben werden", warnt Roth.

Der Steuerbürger zahlt die Rechnung

Nach Lesart einiger Experten ist eine Finanzkrise wie die von 2008/2009 für die Mafia geradezu ein Nährboden; die Chance, um noch mehr zu investieren, noch mehr abzukassieren, noch mehr Geld zu waschen - zum Beispiel über Investmentbanken. Diese würden auch in Zeiten, in denen schwer an Kredite heranzukommen ist, die Gelegenheit nutzen, um über die Geldwäsche dennoch "einen steilen Anstieg der Profite und Boni zu erreichen, gleichgültig, woher das Geld wirklich kommt", stellt Roth in seinem 2010 erschienen Buch "Gangsterwirtschaft" fest. Auf der anderen Seite schnürt die Politik milliardenschwere Rettungspakete für die angeschlagene Finanzwelt. "Leidtragende sind prinzipiell die Steuerzahler wie die Kommunen, die kein Geld haben, um notwendige Infrastrukturmaßnahmen zu finanzieren", bilanziert Roth.


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