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Winfried Kretschmann Als Landesvater konkurrenzlos?

Die CDU regierte über Jahre in Baden-Württemberg: Lothar Späth, Erwin Teufel, Günther Oettinger. Dann kam ein Grüner auf den Stuhl des Ministerpräsidenten. Und schon jetzt ist klar. Auch am Sonntag könnte es ungemütlich für CDU und SPD werden.

Von: Johannes Mayer

Stand: 09.03.2016 | Archiv

Portrait | Bild: dpa-Bildfunk

Weißer Bürstenschnitt und immer, wirklich immer, eine grüne Krawatte - das sind die Markenzeichen von Winfried Kretschmann, dem ersten grünen Ministerpräsidenten in der Geschichte der Bundesrepublik. Er kommt bestens an in Baden-Württemberg.

"Er ist unglaublich authentisch. Das, was er sagt, das ist er, das denkt er, das tut er. Und er schwätzt kein dummes Zeug raus."

Winfried Kretschmann-Fan

Ein etwas anderer Grüner

Winfried Kretschmann, Ministerpräsident von Baden-Württemberg

Umfragen zufolge würde sich sogar die Mehrzahl der CDU-Anhänger bei einer Direktwahl des Ministerpräsidenten für Kretschmann – und eben nicht für den eigenen Kandidaten Guido Wolf – entscheiden. Das hat dem früheren Biologielehrer den Vorwurf eingebracht, kein richtiger Grüner zu sein.

"Das kann ich nicht wirklich ernst nehmen. Wenn man ein Land regiert, kann man nicht nur Politik für seine eigenen Anhänger machen. Man ist Ministerpräsident des ganzen Landes, hat eine Koalition mit der SPD, muss da schon Kompromisse machen. Muss ja für alles auch Mehrheiten haben. Das kann nun die Grüne Jugend anders sehen, aber die muss ja auch das Land nicht regieren."

Winfried Kretschmann, Ministerpräsident von Baden-Württemberg, B90/Die Grünen

Traditionsverbundener Landesvater

Der Kompromiss sieht bei Kretschmanns Dienstwagen dann zum Beispiel so aus: zwar das Flaggschiff eines bekannten schwäbischen Autobauers, aber dunkelgrün lackiert und mit Hybridantrieb.

Der grüne Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann und seine Frau Gerlinde (l) stehen am 13.03.2016 auf dem Podium und nehmen nach den ersten Hochrechnungen den Beifall entgegen | Bild: dpa-Bildfunk/Daniel Maurer zur Übersicht Kretschmann und AfD triumphieren Regieren wird schwieriger

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Winfried Kretschmann gibt sich präsidial. Mit dem Etikett Landesvater hatte er anfangs noch gefremdelt, schon lange hat er es inzwischen verinnerlicht. Mit seiner großväterlichen Gelassenheit überstrahlt er andere.

Darunter hat vor allem sein Vize zu leiden, Nils Schmid von der SPD, Minister für Wirtschaft und Finanzen. Vor einem dreiviertel Jahr haben die Wahlkampfstrategen der SPD schon beschlossen, dass Schmid gar nicht mit dem Anspruch auf den Chef-Sessel antreten soll, sondern nur um eine Verlängerung seines Ministerjobs wirbt. Angesichts der schlechten Umfragewerte für die SPD erschien alles andere realitätsfern.

"Es ist im Bund wie im Land die gleiche Situation: Die SPD leistet hervorragende Regierungsarbeit – aber die Partei, die den Regierungschef stellt, hat mehr davon. Das hat etwas mit der Personalisierung von Politik zu tun. Umso wichtiger ist es, deutlich zu machen, dass man sich Grün nur leisten kann, wenn es eine starke SPD gibt."

Nils Schmid, SPD- Spitzenkandidat bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg

Das Flüchtlingsthema dominiert

Nils Schmid, Spitzenkandidaten der SPD

Nils Schmid, 42 Jahre alt, ist Realist – und er hat dem Land als Wirtschafts- und Finanzminister vier ausgeglichene Haushalte in Folge beschert. Doch das nützt ihm gerade auch nichts. Denn der Wahlkampf dreht sich die meiste Zeit um die Flüchtlingspolitik – auch wenn die eigentlich ein bundespolitisches Thema ist. Auch hier punktet Kretschmann. Sein Mantra: In Zeiten der Krise setzt er auf Konsens – auch mit dem politischen Gegner, auch mit der Kanzlerin.

"Die größte Herausforderung in diesem Wahlkampf ist, dass es ein Wahlkampf in einer großen Krise ist, nämlich der Flüchtlingskrise. Man muss einfach sehen, ein gewisser Bodensatz der Bevölkerung ist fremdenfeindlich. Und das kommt in solchen Krisen einfach hoch. Dagegen kann man erstmal nicht so viel ausrichten. Wir können nur versuchen zu verhindern, dass sich solche fremdenfeindlichen, angstbesetzten Dinge in die Mitte der Gesellschaft vorfressen."

Winfried Kretschmann, Ministerpräsident von Baden-Württemberg, B90/Die Grünen

Sorge wegen der AfD

Die drei Buchstaben AfD spart sich Winfried Kretschmann. Aber es ist klar, dass er sie meint. Die Partei erreicht mit ihrer Politik nicht nur den Rand, sondern auch die Mitte der Gesellschaft und nimmt anderen Parteien Stimmen weg. Auch der SPD.


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Olaf Walter, Sonntag, 13.März 2016, 16:58 Uhr

5. Wer immer einer ist, was immer einer macht oder sagt, wie immer einer sich gibt

Beliebt zu sein ist einfach erklärt: Du musst beliebt sein - nichts weiter.

Und ob Landesvater/Landesmutter oder Landesvertretung genannt (4. N. Schöttl, Sonntag, 13.März, 08:37 Uhr) ist fast schon so wie HB oder HHB* - auf den Inhalt kommt es an.

Olaf Walter (55), Tuttlingen

*
Streit um Aichacher "Hinterhofbräu"
Ein-Mann-Brauerei wehrt sich gegen Bier-Riesen
Stand: 08.03.2016
http://www.br.de/nachrichten/schwaben/inhalt/streit-hofbraeu-aichach-hinterhofbraeu-100.html

N. Schöttl, Sonntag, 13.März 2016, 08:37 Uhr

4. Vater und Mutter

Ich mag den Begriff Landesvater oder Landesmutter nicht. 1. Kann ein Mensch gar nicht Vater oder Mutter von so vielen Menschen in einem Land sein, es ist also biologisch schon mal falsch 2. schmälert es meiner Meinung nach die Verdienste der echten Väter und Mütter im Land. So ist zum Beispiel eine Schwangerschaft mit starken Schmerzen verbunden, ehe ein Kind zur Welt kommt. Doch wo soll das in der Politik der Fall sein? Die Beziehung: Wähler - Politiker , basieren da auf einer ganzen anderen Grundlage. Während das eine biologischer Natur entstammt, so ist das andere eher auf Fakten basierend. Statt Landesvater oder Landesmutti schlage ich eher den Begriff Landesvertretung vor. Die Person A oder B darf ein Land für eine begrenzte Zeit vertreten. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Die Begriffe Vater und Mutter finde ich da unpassend.

Grünenversionen, Freitag, 11.März 2016, 10:51 Uhr

3. Grüne und ihre zwei Gesichter - aber die hat jede Partei

Die einen sind Theoriepolitiker mit zuweilen Fantasiezielen und die anderen Realpolitiker mit pragmatischer Bodenhaftung!

Aber Oppositionen sind insgesamt meist nur mit dem Wunschzettel unterwegs ohne die Machbarkeit belegen zu müssen. Die Wähler fallen oft darauf rein, siehe AFD.
Oder Trump in den USA. Die Verführbarkeit von Massen ist auch nach Hitler noch nicht ausgeschlossen.

steffen, Mittwoch, 09.März 2016, 16:55 Uhr

2. Bester Grüner Politiker in Deutschland

leider ist er momentan in dieser Partei die grosse Ausnahme, ok der grüne Bürgermeister von Tübingen Boris Palmer ist unbedingt dazu zuzählen!
von den Bundesgrünen bin ich zur Zeit sehr enttäuscht! Ideologen und Realitätsverweigerer! Leider! Denn ich war bisher immer Grünwähler und bin heilfroh das in Bayern und im Bund gerade keine Wahlen sind, denn ich weiss nicht mehr wem ich wählen soll! Das wusste ich in den vergangenen 26 Jahren eigentlich immer.
Ich drücke dem Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg sehr den Daumen! Das dürfte der Grünen Bundesspitze erhebliche Bauchschmerzen verursachen.

Thomas, Mittwoch, 09.März 2016, 14:18 Uhr

1. Die Schwäble mögen Realisten.

Wäre Herr Kretschmann nicht der Realist der er ist, hätten die Grünen nicht den Zuspruch aus der Bevölkerung wie mit ihm. Die Schwäble mögen Realisten, die bodenständig sind und was schaffen. Solche Politiker gewinnen an Rückhalt in der Bevölkerung wenn sie dann auch noch Ergebnisse vorzuweisen haben.

Was die Flüchtlingskrise angeht, kann Baden-Württemberg froh sein das es keine direkte Grenze zu Österreich hat, denn dann hätte Herr Kretschmann mindestens die gleichen logistischen und personellen Probleme stemmen müssen wie Bayern, das ihm durch seine geographische Lage einiges an Druck bereits im Vorfeld abgenommen hat. Genau so wie den anderen Bundesländern, die wenn auch rot-grün regiert, sich auch nicht auch eher vornehm zurückgehalten haben bis sie sich "eingebrachten".

Die SPD hat es vor allem ihrer Bundesparteiführung zu verdanken das ihr Kandidat in B-W am 13.03. schlechte Ergebnisse erhalten wird. "Dankesreden" an Herrn Gabriel und seine Ausreden kann man sich schon ...

  • Antwort von Thomas, Mittwoch, 09.März, 15:38 Uhr

    Korrektur:

    Bei "Genau so wie den anderen Bundesländern, die wenn auch rot-grün regiert, sich auch nicht auch eher vornehm zurückgehalten haben bis sie sich "eingebrachten", muss es richtig heißen "sich auch oder eher vornehm zurückgehalten haben bis sie sich einbrachten."