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Karl Valentin Kein Widerstandskämpfer

Stand: 31.05.2004 | Archiv

Karl Valentin (undatierte Aufnahme) | Bild: picture-alliance/dpa

Während des Zweiten Weltkriegs schrieb Valentin einen Dialog mit dem Titel "Funkreportage". Gegenstand der Betrachtung ist eine Grubenentleerungsanstalt, also ein Unternehmen zur Entsorgung brauner Masse. Der Dialog endet mit der Zeitansage: "Mit dem Gongschlag ist es genau 25 Uhr mitteleuropäischer Hungerszeit."

Natürlich schrieb Valentin die "Funkreportage" nicht während des Weltkriegs, sondern 1947. Die Parallelen, die sich hier aufdrängen, wären sogar tumben Nazi-Funktionären aufgefallen. Valentin streute aber durchaus Provokationen in das Bühnenprogramm ein: "Gut, dass Hitler nicht Kräuter heißt, sonst müsste man ihn mit 'Heil Kräuter' grüßen" war eine davon. Valentin war aber kein Autor, der gegen ein Regime anschrieb. Nach 1945 verfasste er zwar einige Texte mit pazifistischer Tendenz, die aber nicht veröffentlicht wurden.

Keine linke Galionsfigur

Der Komiker war kein politisch-engagierter Schriftsteller, dennoch fehlte es nicht an Versuchen, ihn als linken Gesellschaftskritiker oder als verkappten Klassenkämpfer zu stilisieren. So wurde als Beleg herangezogen, dass er in manchen Sketchen die elende materielle Situation von Arbeitern, Handwerkern oder Kleinbürgern zeigte - wie im "Firmling", im "Umzug" oder im "Theaterbesuch". Hat er auch, aber erstens, weil er dieses Milieu aus eigener Erfahrung bestens kannte; zweitens inszenierte Valentin seine Darstellungen ärmlicher Verhältnisse nicht in der Absicht, Sozialkritik zu üben - was nicht bedeutet, dass das gezeigte Elend den Zuschauer nicht trotzdem betroffen machen sollte und macht. Drittens stattete Valentin auch seine Unterschicht-Figuren mit einer gehörigen Portion Bösartigkeit aus: Sie solidarisieren sich gegen die Obrigkeit, um sich in der nächsten Sekunde gegenseitig bei selbiger anzuschwärzen. Solch ein Personal taugt kaum als Hoffnungsträger für eine bessere Gesellschaftsordnung.

Valentin war grundsätzlich zu desillusioniert, um gegen ein politisches System zu agieren - schon gar nicht gegen ein so repressives wie das Nazi-Regime. Aber er war auch alles andere als ein Mitläufer. Weder trat er jemals in die NSDAP ein, noch machte er einen Hehl aus seiner Abneigung gegen Hitler. Er biederte sich auch nie an. Nach 1945 wäre es Valentin daher ein Leichtes gewesen, sich als Widerständler feiern zu lassen. In der Tat stellte ihm ein Journalist die Frage, wie er auf eine Aufforderung, in die Partei einzutreten, reagiert hätte. Er hätte nicht abgelehnt, antwortete Valentin, aus Angst.

Von Humoristen und Komikern

Weltmeister im Frechsein: Szene aus "At the Circus" (1939) - deutscher Titel: "Die Marx Brothers im Zirkus"

Faschistischen und auch anderen Machthabern war und ist in der Regel die seichte Unterhaltung harmloser Humoristen willkommen, weil diese mit versöhnlichen Späßen dem Publikum ermöglichen, von der rauen politischen Realität wegzusehen. Wahre Komiker wie die Marx Brothers, Chaplin und auch Valentin - darin unterschieden sie sich von Humoristen - arbeiteten mit unterminierendem, aufklärerischem Witz, was sie suspekt macht(e).

Die Nazis zählten Valentin infolge von Verwechslung zunächst zur ersten Kategorie. Hitler gab sich zwar zuweilen als Valentin-Fan zu erkennen. Das änderte aber nichts daran, dass Valentins Film "Die Erbschaft" (1936) auf den Index kam. Begründung: Er zeige "Elendstendenzen" - damals eine übliche Begründung bei Aufführungsverboten. Offiziell gab es im "Dritten Reich" keine derart verarmten Menschen wie in der "Erbschaft".

Geplatzter Deal mit Hitler

Valentin besaß eine sehr umfangreiche und wertvolle Sammlung von Postkarten mit Motiven aus dem München des 19. Jahrhunderts. Als der Komiker Ende der 1930er-Jahre in arge Finanznot geriet, wollte er die Bilder verkaufen. Unter anderen interessierte sich Hitler für die Sammlung. Dessen Fotograf Heinrich Hoffmann, auch ein Bekannter Valentins, fungierte als Vermittler. Valentin forderte die damals astronomische Summe von 100.000 Mark. Hitler war sogar bereit zu zahlen, allerdings unter der Bedingung, dass Valentin das Geld nicht für Filme verwende. Valentin akzeptierte keine Auflagen und ließ über Hoffmann ausrichten: "Sagen S' dem Herrn Führer, I bin wie er - alles oder nichts!"

Verzicht auf Nazi-Karriere

Valentin war einer der wenigen Volkskomiker, die der Versuchung widerstanden, unter den Nazis Karriere zu machen - im Gegensatz zum anderen local comical hero Weiß Ferdl, der sich mit den neuen Machthabern durchaus anzufreunden wusste. Valentin unterschied sich auch von vielen Kollegen, indem er komplett auf antisemitische Witzeleien verzichtete. Er arbeitete nicht aktiv gegen die Nazis, musste aber mit ihnen auch nicht kooperieren. Weitgehend wurde er von ihnen in Ruhe gelassen, teils, weil sein abstrakter Sprachwitz sie überforderte, teils, weil er nicht auf die Thematisierung sozialer Realität angewiesen war. Valentin wurde sogar mehr in Ruhe gelassen, als ihm lieb war: Während des Zweiten Weltkriegs strahlte der NS-Rundfunk seine Dialoge nur noch spärlich aus. Tantiemen blieben damit aus.

Böse Ironie der Geschichte: Nachdem er sich ab 1940 vom Theaterbetrieb zurückgezogen hatte, war er auf die Nazis als Brotgeber angewiesen. Während der Kriegsjahre verfasste er pro Monat einen Artikel für die "Münchner Feldpost". In dieses Propagandablatt der Wehrmacht versuchte er zuweilen mit Erfolg, halbwegs freche Texte hineinzumogeln.


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