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Zeitstrahl Der Brexit - Vorgeschichte, Entscheidung, Folgen

Ein aus taktischem Kalkül geborenes Referendum. Eine erbitterte Wahlschlacht, die eine junge Politikerin das Leben kostet. Der Schock eines von allen seltsam unerwarteten Ergebnisses und seine Folgen. Die Stationen des britischen Dramas in Wort und Bild - to be continued.

Von: Michael Kubitza

Stand: 19.01.2017

  • 1. Januar 2013
    Premierminister David Cameron am 19.02.2016 in Brüssel. | Bild: pa/dpa/Stephanie Lecocq

    1. Januar 2013

    Der Premier zockt

    Großbritanniens Premierminister David Cameron in Bedrängnis: Die Anti-EU-Partei Ukip gewinnt permanent Zulauf. Auch immer mehr Mitglieder seiner eigenen Konservativen Partei, die zusammen mit den Liberalen die Regierung stellt, weigern sich, Camerons EU-Politik mitzutragen. Der Premier versucht einen Befreiungsschlag und verkündet, die Briten bis spätestens 2017 über den Verbleib in der EU abstimmen zu lassen.

  • 1. März 2013
    David Cameron am 20.02.2016 | Bild: dpa-Bildfunk/Julien Warnand

    1. März 2013

    Forderungen an Brüssel

    Cameron stellt sieben Forderungen zum Verbleib in der EU. Dazu gehören strengere Einwanderungsregelungen, der Abbau von Handelsschranken mit Ländern in Amerika und Asien sowie eine größere Zurückhaltung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte.

    Im November legt er nochmal nach: Der britische Premier verknüpft die Frage des EU-Austritts mit Forderungen zur Migrationspolitik. So sollen Einwanderer aus EU-Ländern nach Großbritannien erst nach vier Jahren Wohngeld, Kindergeld und andere Leistungen beanspruchen können.

  • 7. Mai 2015
    In Glasgow werden Stimmzettel ausgezählt - Unterhauswahl in Großbritannien | Bild: dpa-Bildfunk

    7. Mai 2015

    Pyrrhus-Sieger Cameron

    Gegen alle Umfragen fahren die Tories um Cameron bei der Parlamentswahl 2015 einen Sieg ein und erobern die absolute Mehrheit zurück. Der Premier erneuert sein Versprechen eines EU-Referendums.

  • 5. Januar 2016
    Boris Johnson auf einer Brexit-Veranstaltung | Bild: BR

    5. Januar 2016

    Die Lager formieren sich

    Cameron gibt seinen Ministern in der Frage eines EU-Austritts freie Hand - sie dürfen vor dem geplanten Referendum sowohl für als auch gegen einen Austritt Werbung machen. Womit er nicht rechnet: Gleich fünf Minister nehmen das Angebot an, Justizminister Michael Gove gehört zu den rührigsten Verfechtern des Brexit. Wenig später entscheidet sich auch der populärste Tory - der Londoner Ex-Bürgermeister und Cameron-Rivale Boris Johnson schlägt sich trotz anderslautender Ankündigungen auf die Seite der Brexiteers.

  • 19. Februar 2016

    19. Februar 2016

    Die EU kommt Cameron entgegen

    Wochenlang wird in Brüssel gefeilscht. Am 19. Februar ist klar: Die Staats- und Regierungschef aller EU-Staaten kommen den Briten mit einem Reformpaket entgegen. Zugewanderte Arbeitnehmer aus anderen EU-Staaten sollen zeitweise weniger Sozialleistungen bekommen (siehe Video). Einen Tag später kündigt Cameron das Brexit-Referendum für den 23. Juni an, will seinen Landsleuten aber zu einem Verbleib in der EU raten.

  • 22. April 2016
    US-Präsident Barack Obama und Queen Elizabeth II. im Buckingham-Palast in London. | Bild: Str

    22. April 2016

    Obama warnt

    Die Queen hält sich wie gewohnt auch beim Thema Brexit zurück. Dafür warnt US-Präsident Barack Obama bei einem Besuch in London eindringlich vor einem EU-Austritt Großbritanniens. Es werde im Falle eines Brexits in absehbarer Zeit kein bilaterales Handelsabkommen zwischen Großbritannien und den USA geben. Boris Johnsons Reaktion: Obama hege wegen seiner teilweise kenianischen Abstammung eine Abneigung gegen das britische Kolonialreich.

  • 9. Mai 2016

    9. Mai 2016

    Die heiße Phase beginnt

    Gut sechs Wochen vor dem Referendum eröffnen Befürworter und Gegner einen beinharten Wahlkampf. Dass in beiden Lagern Konservative neben Wirtschaftsliberalen und Linken agitieren, trägt nicht zur Klarheit bei. Cameron warnt im Fall des Brexits vor Risiken für die Wirtschaft und die Sicherheit. Boris Johnson, prominentester Befürworter eines EU-Ausstiegs, will Migration zu einem zentralen Wahlkampfthema machen. Ukip-Chef Nigel Farage (Video) erklärt das Referendum zur Abstimmung über die Regierung. Der Ton auf allen Seiten wird zunehmend giftig.

  • 16. Juni 2016

    16. Juni 2016

    Attentat auf Pro-EU-Aktivistin

    Ein politischer Mord schockt das United Kingdom: Die junge Labour-Abgeordnete Jo Cox wird bei einem Besuch in ihrem nordenglischen Wahlkreis Yorkshire von einem Mann mit einem Messer attackiert und stirbt. Während der Tat ruft der offenbar verwirrte Attentäter "Britain first!" Zwei Tage trauert das Land (Video), der Wahlkampf macht Pause. Dann geht es weiter.

  • 22. Juni 2016
    Ein Wahlzettel zum Volksentscheid über den Brexit liegt auf einem Tisch | Bild: colourbox.com

    22. Juni 2016

    Ahnungslose Wähler, hilflose Demoskopen

    Einen Tag vor dem Referendum ist der Ausgang der Abstimmung völlig offen. Meinungsforscher gehen von einem Kopf-an-Kopf-Rennen aus. Der Durchschnitt von acht Umfragen seit dem 15. Juni ergibt einen hauchdünnen Vorsprung von 45:44 Prozent für das Pro-EU-Lager. Viele Befragte sind noch immer unentschlossen. Die Buchmacher immerhin tippen auf einen Sieg der Pro-Europäer. Kurz vorm Referendum erholen sich plötzlich auch die zuvor stark gefallenen Börsenkurse.

  • 23. Juni 2016

    23. Juni 2016

    Der Tag der Entscheidung

    Die Briten haben die Wahl: Rund 46,5 Millionen registrierte Wahlberechtigte können mitentscheiden, ob ihr Land auch künftig Mitglied der EU sein oder aus der Gemeinschaft ausscheiden soll. Die Wahllokale haben bis 23 Uhr geöffnet. Die Nacht über schwanken die Resultate zwischen "Brexit" und "Bremain".

  • 24. Juni 2016
    Brexit - Schlagzeilen | Bild: dpa-Bildfunk

    24. Juni 2016

    Schock und Triumph am "Independence Day"

    Am Morgen steht fest: 51,9 Prozent der Briten wollen die EU verlassen. Eine Mehrheit für Europa gibt es nur in London, Schottland, Nordirland - und unter den jungen Wählern, die aber überwiegend zu Hause geblieben sind. Schlagartig stürzen die Börsen ab, das Pfund verliert an Wert. David Cameron, der kurz zuvor noch erklärt hatte, in jedem Fall Premier bleiben zu wollen, erklärt seinen Rücktritt bis spätestens Oktober.

  • 27. Juni 2016

    27. Juni 2016

    Die Ruhe nach dem Sturm

    Am Wochenende nach dem Referendum: In Europa wird hektisch konferiert. Auf der Insel herrscht eine beinahe gespenstische Ruhe. Die Protagonisten des Brexit sind abgetaucht - erwartbar David Cameron, aber auch Nigel Farage und Michael Gove; der potentielle Cameron-Nachfolger Boris Johnson, der am Freitagmorgen vor seiner Haustür in London ausgebuht wird, spielt am Wochenende lieber Cricket. Einziges klares Statement aller Beteiligten: Jetzt, da der Brexit beschlossen sei, habe es mit der Umsetzung keine Eile. Fehlt den Brexiteers der Plan?

  • 29. Juni 2016

    29. Juni 2016

    28 - 1 = 27

    Wir sind verheiratet oder geschieden, sagt Luxemburgs Ministerpräsident, aber nicht irgendwas dazwischen. Ein zweitägiger EU-Gipfel soll (Aus-)wege finden. Am Dienstag bereiten die verbliebenen EU-Staatschefs David Cameron einen kühlen Empfang. Am Mittwoch muss Cameron nach Hause fliegen. Der erste Gipfel der 27 beschwört die Einheit Europas. Wie die aussieht? Angela Merkel will Kurs halten, Italien und Griechenland fordern mehr Solidarität, die osteuropäischen Staaten wollen weniger EU. Am Horizont erscheint das lang verdrängte "Europa der zwei (oder mehr) Geschwindigkeiten".

  • 30. Juni 2016

    30. Juni 2016

    Der Abgang der glorreichen Brexiteers (1)

    Boris Johnson verzichtet völlig überraschend auf die Nachfolge von Premier Cameron. Er sei nicht der Richtige für den Job, erklärt er. Eigentlich war der Frontmann des Brexit-Lagers der klare Favorit. Dann aber hat Johnsons bisheriger Verbündeter Michael Gove seine eigene Kandidatur angekündigt und Johnson die Eignung abgesprochen: Das Todesurteil für Johnson's Ambitionen?

  • 4. Juli 2016

    4. Juli 2016

    Der Abgang der glorreichen Brexiteers (2)

    Vier Tage nach Boris Johnson zieht sich auch der zweite Hauptakteur des Brexit aus der Verantwortung. Ukip-Chef Nigel Farage sagt zur Begründung: "Ich will mein Leben zurückhaben." Er habe politisch alles erreicht, was er sich vorgenommen habe. Sein Mandat im EU-Parlament will Farage aber behalten.

  • 5. Juli 2016
    Andrea Leadsom - Theresa May | Bild: picture-alliance/dpa

    5. Juli 2016

    Eine muss es ja machen

    Unterdessen beginnt bei den Torys die Suche nach einem Nachfolger für David Cameron. Fünf Kandidaten treten an, um von den Mitgliedern der Fraktion nach und nach aussortiert zu werden, bis die verbliebenen zwei sich im September der Urwahl der konservativen Parteimitglieder zu stellen. So der Plan ...

  • 11. Juli 2016

    11. Juli 2016

    Du-duuu-du-du: Right!

    Und dann geht alles ganz schnell - und ganz ohne eine Beteiligung der Wähler, mit der die Torys ja gerade schlechte Erfahrungen gemacht haben. Am 11. Juli zieht mit der Brexit-Befürworterin Andrea Leadsom die vorletzte Bewerberin für die Dienstwohnung in Downig Street 10 ihre Kandidatur zurück. Theresa may do it - nämlich Theresa May, 59, seit 2010 bekannt als toughe Innenministerin im Kabinett David Camerons. Der verkündet's sichtlich erleichtert - und verschwindet mit offenem Mikro an der Brust und einem Liedchen auf den Lippen (Video).

  • 13. Juli 2016

    13. Juli 2016

    Two things that may surprise you

    Die Queen hat sie besucht, in Downing Street Nr. 10 eingezogen ist die neue britische Premierministerin Theresa May auch. Jetzt stellt sie ihr Kabinett vor - eine fein austarierte Mischung aus Brexit-Gegnern und Befürwortern. Überraschung 1: Brexit-Wortführer Boris Johnson wird Außenminister. Überraschung 2: Mit dem Brexit wird er nicht viel zu tun haben. Darum kümmert sich der zumindest im Ton verbindlichere Parteiveteran David Davis. Offizielle Bezeichnung des neu geschaffenen Brexit-Ministeriums: Her Majesty's Principal Secretary of State for Exiting the European Union.

  • 13. August 2016
    Baustelle in London | Bild: picture-alliance/dpa

    13. August 2016

    Sommerbaustelle Brexit

    Das Prinzip kennen wir von Sommerbaustellen: Erst wird großräumig abgesperrt, schweres Gerät rückt an, und dann passiert - wenig. Erst 2017 will die neue britische Regierung ihren Austrittsantrag stellen. Nur hinter den Kulissen wird geplant und taktiert. Die Bank of England senkt den Leitzins, die Wirtschaft macht sich wetterfest. London-Touristen freuen sich derweilen über purzelnde Pfunde.

  • 2. Oktober 2016

    2. Oktober 2016

    Parteitag der Tories

    In Birmingham treffen sich die Konservativen zum Parteitag und feiern ihre Premierministerin Theresa May. Liam Fox, der neue Handelsminister, träumt von den alten Zeiten als die kleine Insel die Handelsnation Nummer Eins war und die Weltmeere beherrschte. Wichtiger für Europa die harten Fakten: Die Regierung will volle Fahrt raus aus der EU. Im Frühjahr 2017 will Theresa May das Kündigungsschreiben in Brüssel übergeben. Dabei setzt sie auf einen harten Brexit - eine Teilhabe am Europäischen Binnenmarkt nach dem Vorbild der Nicht-EU-Länder Norwegen oder Schweiz schloss sie aus.

  • 5. Dezember 2016

    5. Dezember 2016

    Brexit vor Gericht

    Darf die britische Regierung das Brexit-Verfahren einleiten, ohne das Parlament in London zu befragen? Darüber muss jetzt der Oberste Gerichtshof des Landes entscheiden. Premierministerin May wollte das Austrittsverfahren ohne das Parlament in die Wege leiten.

  • 3. Januar 2017
    Ivan Rogers | Bild: Reuters (RNSP)|FRANCOIS LENOIR

    3. Januar 2017

    Der Rücktritt des Botschafters

    Der blasse Blonde mit der Brille geht: Sir Ivan Rogers, der britische EU-Botschafter, verlässt Brüssel vorzeitig. Eigentlich sollte er bei dem bald beginnenden Brexit-Verfahren eine entscheidende Rolle spielen. Sofort wird über Rogers Beweggründe spekuliert. Einen Tag später wird klar, dass Rogers mit dem Kurs der Regierung alles andere als einverstanden ist. Seinen Mitarbeitern mailt er: "Ich hoffe, ihr werdet weiterhin schlecht begründete Argumente und wirre Gedanken in Frage stellen. Und, dass Ihr niemals Angst haben werdet, den Machthabenden mit der Wahrheit zu konfrontieren."

  • 17. Januar 2017

    17. Januar 2017

    Kein halber Abschied

    "Brexit means Brexit", verkündet Theresa May seit einem halben Jahr. Doch was bedeutet Brexit? "Wir wollen keine Teilmitgliedschaft, keine privilegierte Partnerschaft, kein halb drin halb draußen". Und natürlich keine größeren Beiträge mehr zahlen. Ihr Finanzminister entwirft derweilen das Drohszenario eine Steueroase Großbritannien. Der freundliche Ton von Mays Grundsatzrede wirkt da wie ein Samthandschuh über eiserner Faust. Immerhin will sie jetzt das britische Parlament über die künftigen Ergebnisse abstimmen lassen.


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