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Identitätsdiebstahl Mit gefälschten Daten Schulden machen

Die Journalistin Tina Groll ist Opfer von Identitätsdiebstahl geworden – die Betrüger brauchten dafür nur ihren Namen und ihr Geburtsdatum. Schon jeder Fünfte in Deutschland soll einen Datenmissbrauch erlebt haben. Betroffene und Experten plädieren auf der Münchner Internationalen Konferenz gegen Identitätsdiebstahl für mehr Rechtsschutz und Aufklärung.

Von: Caroline von Eichhorn

Stand: 03.11.2016

Logo der BKA Cybercrime Intelligence Unit | Bild: picture-alliance/dpa | Boris Roessler

Tina Groll hat heute noch Herzklopfen, wenn sie den Briefkasten öffnet. Auch wenn der Identitätsklau schon sieben Jahre her ist, hat er bis heute Konsequenzen für die Berliner ZEIT-Journalistin. 2009, einen Tag vor Weihnachten, geht es los. Eine unbekannte Rechnung des Inkasso-Unternehmens "Creditreform" von über 200 Euro landet in ihrem Briefkasten.

Tina Groll wurde 2009 Opfer von Datendieben - noch heute merkt sie die Folgen

Sie habe eine Rechnung bei WMF nicht bezahlt, steht darin. Doch Tina Groll hat nie etwas bei WMF gekauft. Sie wundert sich, denkt sich, das ist doch bestimmt eine betrügerische Masche. Sie schreibt per Einschreiben an die Creditreform und WMF und stellt klar, dass sie dort nie einen Vertrag eingegangen ist. Im nächsten Jahr, 2010, geht es erst richtig los. Eine Zeit lang flattern fast jeden Tag Drohbriefe, Mahnungen und Rechnungen bei ihr ins Haus. Sie findet heraus, dass Haftbefehle gegen sie und Einträge im Schuldnerregister vorliegen. Groll hat Panik. Sie weiß erst nicht, wie sie sich wehren soll.

Bestellungen auf falschen Namen - und kaum Schutz

Identitätsdiebstahl kann jedem passieren. Auch den Kabarettisten und Buchautor Serdar Somuncu hat es erwischt, wie er in seiner Kolumne erzählt. In Somuncus und Grolls Fall haben die Betrüger dafür nur Namen und Geburtsdatum benutzt. Damit können sie sich für Email-Adressen registrieren, auf Rechnung bestellen und falsche Adressen oder Packstationen angeben. Die Betrüger haben in Grolls Namen Waren im Wert von mehreren Zehntausend Euro bestellt. Dahinter steckt meist organisierte Kriminalität.

„Identitätsfälschung wird immer leichter“, sagt Kriminalbeamter Peter Hessel, der im Polizeipräsidium Frankfurt mit Urkundenfälschung zu tun hat, auf der Münchner Internationalen Konferenz gegen Identitätsdiebstahl. Täglich lernt er etwas dazu über neue kreative Fälschungsmethoden. Das Problem sei komplex und vielfältig. Als Privatperson gibt es kaum Schutz davor. „Man kann nur empfehlen, immer kritisch zu sein und sich zu informieren.“ Es betrifft nicht nur Einzelpersonen, sondern die ganze Wirtschaft, sagt Jan Wolter, Geschäftsführer der Allianz für Sicherheit in der Wirtschaft e.V. Auch von Unternehmen würden mittlerweile Identitäten geklaut und falsche Webseiten angelegt. „Es ist wichtig, genau im Blick zu haben, was wo über mein Unternehmen oder mich kommuniziert wird“, sagt er.

„Der Schaden sind die falschen Daten im Umlauf.“

In Tina Grolls Fall hilft das allerdings nicht. Sie kann die Inkassounternehmen nicht davon überzeugen, dass sie betrogen wurde. Also sucht sie nach einem Anwalt, der sich in dem Bereich auskennt. Erst nach aufwändiger Recherche findet sie eine große, teure Kanzlei. Über ein Jahr lang dauert es, bis sie ihren Identitätsdiebstahl mithilfe des Anwalts beseitigt hat. Der Anwalt findet heraus, dass es viele weitere Opfer mit dem Familiennamen „Groll“ gibt, denen selbiges passiert ist.

Doch ganz behoben ist der Identitätsklau auch fünf Jahre später nicht. Tina Groll findet heraus, dass eine Auskunftei die Falschdaten immer noch nicht gelöscht hat. Sie wird dort weiterhin mit einer geringen Bonität geführt. Und das ist für Tina Groll der eigentliche Skandal. „Der Schaden sind die falschen Daten im Umlauf.“ 800 Arbeitsstunden hat sie investiert, um diese falschen Daten in Auskunfteien zu eliminieren. Der Anwalt hat Unsummen an Geld gekostet. Immer wieder musste sie auf Löschung der Daten drängen.

Noch ist Identitätsdiebstahl keine Straftat. „Heute wird es mal als Betrug, mal als Cybercrime abgestempelt. Daher existieren keine brauchbaren Statistiken“, sagt Groll. Immerhin können sich Identitätsopfer seit dem 1. September selbst bei der Schufa melden: www.schufa.de/identitaetsschutz

Heute hält Tina Groll Vorträge und klärt über das Thema auf. Wer der Betrüger ist, der ihre Daten gestohlen hatte, konnte sie allerdings nie herausfinden.


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