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Horst Seehofer im Interview "Das war kein Ruhmesblatt der CSU-Geschichte"

Die Personalentscheidungen in der CSU sind gefallen. Zum Machtgerangel in der Partei äußerte sich Horst Seehofer exklusiv im Bayerischen Rundfunk. Hier das Interview mit BR-Chefredakteur Christian Nitsche in voller Länge.

Stand: 04.12.2017 | Archiv

Horst Seehofer | Bild: BR

Christian Nitsche, BR-Chefredakteur: Herr Ministerpräsident, wie haben Sie diesen Tag empfunden? Sie haben gesagt: mit Wehmut - war das auch Überwindung, vielleicht auch Enttäuschung?

Seehofer: Nein, es war in erster Linie Wehmut, wenn man so lang ein Amt ausüben darf wie ich als Ministerpräsident, jetzt im zehnten Jahr, dann wächst einem das Land, dann wachsen einem die Menschen, auch die Aufgabe ans Herz und obwohl ich weiß, dass alles im Leben endlich ist, tut es dann doch irgendwo weh, wenn man sich entschließt, diese Lebensphase abzuschließen. Es war auch dringend notwendig, denn das Bild, das meine Partei und etliche Personen in den letzten Monaten abgeliefert haben, als ich in Berlin zu Verhandlungen war, das hat Schaden angerichtet, und es war höchste Zeit, dass diese Phase beendet wird und jetzt wir in eine hoffentlich geschlossene Zukunft gehen.

Sie haben gesagt, es tut weh: Tut es auch weh, weil im Grunde jetzt jemand Nachfolger wird, den Sie eigentlich verhindern wollten: Markus Söder?

Nein, das ist in der Politik keine Kategorie, dass Sie sagen können: Weil ich mit Personen Diskussionen hatte, will ich sie verhindern! Das wird zwar immer wieder gesendet, geschrieben, aber  das wäre eine sehr, sehr kleinkarierte Betrachtungsweise. Wir haben uns jetzt für eine Gesamtlösung entschieden, die geeignet ist, die Partei wieder zusammenzuführen und vielleicht auch wieder mehr politischen Erfolg zu haben.

Wer hat eigentlich in dieser Konstellation das letzte Wort? Der künftige Ministerpräsident? Der Parteichef?

Wenn wir klug sind - und wir haben den Vorsatz, klug zu sein, wird man sich immer so abstimmen, dass es um diese Frage nicht geht, also quasi Richtlinienentscheidungen oder Letztentscheidungen, da kann ein Team nicht funktionieren. Man muss den Willen zur Partnerschaft haben, wir haben uns lange darüber ausgesprochen, Markus Söder und ich, und der Wille zur Partnerschaft ist da. Aber es hilft nicht die Ankündigung, sondern für die Menschen ist entscheidend, ob dieser Wille im Alltag auch umgesetzt wird. Das heißt, die Bewährungsprobe steht uns noch bevor, dass wir jeden Tag diese Gemeinsamkeit leben.

Gibt's eine Richtlinienkompetenz?

Es gibt keine Richtlinienkompetenz vom Parteivorsitzenden zum Ministerpräsidenten oder umgekehrt, sondern Vertrauen in der Bevölkerung zu gewinnen, die Menschen zu überzeugen, das funktioniert zwischen den beiden. Das kann nicht mit Befehl und Gehorsam beantwortet werden, sondern nur im Miteinander, in der Teamlösung. Wir brauchen ja noch viele andere Männer und Frauen dazu, dass wir wieder einen Steigflug der CSU im Vertrauen der Bevölkerung erreichen. Und wie gesagt: Das geht nicht mit einer Basta-Politik.

Welche Empfehlungen haben Sie denn jetzt an Markus Söder? Im Politikstil - was soll er da adaptieren von Ihnen womöglich? Sie haben ja immer gesagt, er hat so einen ausgeprägten Ehrgeiz.

Ich habe ja immer gesagt: jeder Politiker hat seinen eigenen Stil, seine eigenen Überzeugungen, seine Wertehaltungen. Das Wichtigste für einen Politiker ist, authentisch Politik zu machen, dass die Mensch sagen: Ja, diese Politik passt zu dieser Person. Man darf der Bevölkerung kein Schauspiel vormachen, sondern man muss seine Lebenserfahrung, seine Überzeugung zum Ausdruck bringen und in die Politik umsetzen. Das ist mein Hauptrat an Markus Söder: authentisch so zu leben, so Politik zu machen, wie wir Markus Söder kennen. Die Leute wollen keine Inszenierung. 

Was die Menschen wahrscheinlich am meisten interessiert: Was ist denn jetzt die Politik der nächsten Monate im Land, aber auch im Bund? Wird es jetzt eine Verschiebung geben mit dieser Doppelspitze, wird es eine mehr rechts orientierte Führung geben, weil man die AfD ja auch an den Rand schieben möchte, muss man sich in der Mitte sammeln, was ist die Politik? 

Die, wenn Sie so wollen, Geografie der CSU, der politische Standort der CSU ist eine Mitte Rechts-Volkspartei, ein Sammelbecken für Konservative, Liberale, Nationalkonservative, für Menschen, die auf dem demokratischen Boden unseres Landes stehen. Das wird auch so bleiben, das wird sich nicht verändern. Anders sind Mehrheiten in der Bevölkerung für eine Volkspartei überhaupt nicht erreichbar. Und daneben ist wichtig, dass wir eine starke Stellung in Berlin behaupten.

Wir haben noch viel Respekt als Bayern und als CSU in Berlin, und das müssen wir festigen. Das ist ja der Hauptgrund, dass ich nochmal als Parteivorsitzender kandidiere, weil ich aufgrund der vielen Jahre natürlich dort große Erfahrung habe.

Jetzt müssen Sie sich ja nochmal wählen lassen als Parteivorsitzender. Das wäre dann eine Wahl, die ja über die Landtagswahl hinausgeht. Wollen Sie dann die vollen zwei Jahre Parteivorsitzender sein?

Man kandidiert immer für die volle Wahlperiode. Man kann ja nicht kandidieren und sagen nach einem halben Jahr: Ist vorbei. Dann würden die Leute sagen, dann wählen wir jemanden, der die volle Zeit zur Verfügung steht. Also man muss schon den Willen haben, eine Periode, für die man kandidiert, auch auszufüllen.

Wie viele Verletzungen gibt es denn jetzt eigentlich in der Partei? Sie haben das selbst angesprochen in den letzten Wochen für Sie. Aber es gab ja einen ausgeprägten Machtkampf im Hintergrund, auch öffentlich. Jetzt konzentriert sich vieles auf Markus Söder, aber andere hatten sich auch Chancen ausgerechnet.

Ja, andere, insbesondere der Joachim Herrmann, wenn sie an das Amt des Ministerpräsidenten denken, hat bemerkenswerte Diskussionsbeiträge eingebracht. Er möchte die Gräben nicht vertiefen, sondern Brücken bauen. Das war eine hochrespektable Entscheidung von Joachim Herrmann. Denn er hat auch viele Anhänger in der Bevölkerung.

Und, ja, es waren schwierige Monate von der Bundestagswahl bis heute. Ich war ja im Wesentlichen in Berlin, im Auftrag meiner Partei übrigens und mit dem Versprechen: in der Zeit wird keine Personaldiskussion geführt. Sie ist aber von vielen trotzdem geführt worden. Das hat uns geschadet als CSU, das hat auch Verletzungen zur Folge gehabt, aber ich habe mich entschieden, über diese Vergangenheit nicht mehr zu reden. Das würde ja die Gräben nur noch weiter vergrößern. Das ist passiert, das können wir nicht mehr ausradieren. Jetzt müssen wir alles in die Waagschale werfen, damit wir verlorenes Vertrauen wieder gewinnen. Das war kein Ruhmesblatt der CSU-Geschichte, die letzten Monate. Das hat ja jeder erlebt, ist ja breit berichtet worden. Ich habe dazu bisher geschwiegen, die letzten Wochen und Monate und habe auch nicht vor, dass ich mich jetzt nochmal mit der Vergangenheit beschäftige.

Wir haben das jetzt abgeschlossen. Ich habe den Weg zur Erneuerung an der Spitze des Freistaats Bayern freigemacht. Ist ja auch durchaus nachvollziehbar. 68 Jahre, seit 46 Jahren in der Politik. Da verstehe ich viele in der Bevölkerung, die sagen, jetzt wäre etwas Neues ganz gut. Das kann ich sehr gut nachvollziehen. Störend war nur der Stil, mit dem dies in den letzten Wochen und Monaten bewerkstelligt wurde.

Die Durchstechereien?

Das ist vorbei. Ich beschäftige mich jetzt nicht mehr mit Regelverletzungen. Das ist vorbei, wir wollen jetzt diese Teamarbeit im Alltag beweisen. Und wir wollen vor allem versuchen, dass wir für Bayern, das ja blendend dasteht, noch das eine oder andere besser machen. Das ist unser Auftrag.

Rückblickend - was ist schief gelaufen vor der Bundestagswahl? Was hätte man besser machen können?

Die Ursache für dieses Bundestagswahlergebnis liegt eindeutig in Berlin, nicht in München. In der Flüchtlingspolitik, die dort gemacht wurde. Und dieses Thema ist im September dieses Jahres wieder sehr nach oben gekommen und viele soziale Themen in unserem Lande sind verbunden worden mit der Flüchtlingsfrage.

Viele Menschen haben mir in der Phase des Wahlkampfes, in der Endphase des Wahlkampfes immer wieder gesagt: Für meine Rente habt ihr nicht das Geld, aber für die Zuwanderer habt ihr Geld!

So haben die Menschen das hergestellt. Die hohen Mieten und vieles andere mehr hat die Leute geärgert und gleichzeitig haben sie gesehen, dass Milliarden ausgegeben wurden. Das war nicht mehr beherrschbar im September, das war ein Trend - übrigens in Bayern nicht anders als im übrigen Bundesgebiet. Die CDU hat 20 Prozent ihrer Wähler verloren.

Die Ursache dafür liegt in Berlin und nicht in München. Wir haben nur den Fehler gemacht, die CSU hat den Fehler gemacht, dass sie durch ihre interne Diskussion den Eindruck erweckt hat, als sei die Ursache für München. Das hat man in Kauf genommen, um mich - ja - zu demontieren. Das ist ja auch ein Stück weit gelungen. Meine Umfrageergebnisse haben ja auch ihren Grund. Wenn meine eigene Partei immer wieder sagt: Ja, da fehlt's an der Glaubwürdigkeit und der ist zu alt und so weiter, dass die Menschen das auch aufnehmen.

Gut, aber ich habe ja gesagt, das ist für mich abgeschlossen. Wir haben jetzt eine neue Ära eingeleitet. Ich bin natürlich hoffnungsvoll, dass wir bei der Bevölkerung wieder mehr Vertrauen bekommen.

Letzte Frage: Sie haben ja in ihrem Keller in Schamhaupten eine Eisenbahn. Da wird ihr politisches Leben nachgebildet. Sie haben sie selbst aufgebaut. Gibt’s da auch eine Figur Markus Söder, und wo steht die? Nicht mehr auf dem Abstellgleis, sondern jetzt woanders?

Bisher gibt’s die nicht. Aber wenn das alles erfolgreich läuft, dann wird irgendeine Firma auch Markus Söder herstellen. Und da habe ich überhaupt keine Probleme, den auch auf meiner Eisenbahnanlage zu verewigen. Er ist ja ein Teil meines politischen Lebens und das ist ja der Sinn meiner Eisenbahnanlage, wichtige Bestandteile nachzubauen.

Vielen Dank, Herr Ministerpräsident.

Danke.


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Kommentieren

Francesco, Mittwoch, 06.Dezember 2017, 12:22 Uhr

3. Lieber Herr Seehofer,..

Sie hatten es immer selbst in der Hand, das unwürdige Theater jederzeit zu beenden. Allein die "Machtgeilheit" und der Altersstarrsinn haben das verhindert. Meine Oma hat mir mal gelehrt: Alles was man gut / schlecht macht in seinem Leben, kommt auf einen selbst zurück.Trifft bei mir bis heute immer zu. Aber jeder hat bekanntlich eine andere Oma, also bitte jetzt nicht jammern.... Mir tut ihr beide nicht leid und Söder wird meine Oma auch noch verstehen lernen.

archibald, Dienstag, 05.Dezember 2017, 05:51 Uhr

2.

Edmund Stoiber hatte man noch trauriger 'abgesägt'.

187, Montag, 04.Dezember 2017, 21:32 Uhr

1. Wenn er sein Versprechen hält...

... hat er alles richtig gemacht. Dann wird nähmlich Hr.Söder für die (verraussichtliche) Wahlschlappe verantwortlich gemacht. Somit ist dann nicht Seehofers Ruf kaputt, sondern der von Söder.

  • Antwort von Francesco, Mittwoch, 06.Dezember, 13:52 Uhr

    ... aber nur, wenn beim Bürger die Altersdemenz einsetzt. Ein solches Kasperltheater kann ein gesundes Hirn nie vergessen. Es ist / war einfach absolut primitiv und ekelhaft. Mein Hirn ist noch gesund, ich werde diese Schlammschlacht sicher nicht vergessen...