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Hightech für den Krieg Rüstungsforschung an bayerischen Universitäten

Bayerische Hochschulen forschen für die Rüstungsindustrie. In Politik und Wissenschaft sind solche Kooperationen umstritten. Es geht um Drittmittel in Millionenhöhe, zeigen Recherchen des Bayerischen Rundfunks auf Grundlage einer bisher unveröffentlichten Landtagsanfrage der Grünen.

Von: Kilian Neuwert

Stand: 08.06.2018

04.06.2018, Afghanistan, Kabul: Ein Soldat sitzt im Geschützturm eines gepanzerten Fahrzeugs. Bei einem Selbstmordanschlag auf ein Klerikertreffen in der afghanischen Hauptstadt Kabul sind mehrere Menschen getötet worden. Die Polizei sprach von mindestens sieben Toten und mindestens neun Verletzten. Der Attentäter hatte eine Bombe vor dem Eingang eines Zeltes gezündet, in dem die Geistlichen getagt hatten. Foto: Rahmat Gul/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ | Bild: dpa-Bildfunk/Rahmat Gul

"Vorsicht Laserstrahlung", grüßt ein Schild an einem Labor der Technischen Hochschule Deggendorf. Auf langen Tischen: Instrumente, Kabel, Lötkolben. Aus einer Schublade zieht Hochschulpräsident Peter Sperber eines der Produkte, an denen hier gearbeitet wird: "Detektor" nennt Sperber den Computerchip.

Es ist ein Laserentfernungsmesser, so groß wie ein Zwei-Euro-Stück. Das Bauteil erkennt schwächste Lichtimpulse, selbst wenn sie aus großer Entfernung zurückkommen, und berechnet so die Entfernung.

Australische Rüstungsfirma bekommt Hightech aus Deggendorf

Schild am Labor der Technischen Hochschule Deggendorf

Auftraggeber der Entwicklung ist die Australische Firma EOS. Unter anderem stellt sie sogenannte Waffenstationen für Militärfahrzeuge her, in denen die Deggendorfer Bauteile Verwendung finden könnten. Die Fahrzeugaufbauten erlauben es einem Schützen, ein schweres Maschinengewehr auf dem Dach ferngesteuert zu bedienen. Selbst in Gefahr begeben muss er sich dafür nicht, er kann im gepanzerten Fahrzeug bleiben.

Die Chips aus Deggendorf stehen stellvertretend für zahlreiche militärisch relevante Projekte an Bayerischen Unis und Hochschulen.

Über 13 Millionen Euro für militärische Forschungsaufträge

In den letzten Jahren haben bayerische Hochschulen Forschungsaufträge im Rüstungsbereich mit einem Volumen von mindestens rund 13,3 Millionen Euro erhalten. Das geht aus einer bisher unveröffentlichten Antwort der Staatsregierung auf eine Landtagsanfrage der Grünen hervor, die dem Bayerischen Rundfunk vorliegt.

Die Antwort des bayerischen Wissenschaftsministeriums listet bezahlte Einzelprojekte auf, an denen im Zeitraum von 2011 bis 2018 gearbeitet wurde. Konkret erfasst sind neben den Deggendorfer Entwicklungen unter anderem Forschungen an Gefechtshelmen oder Computersimulationen.

Das meiste Geld floss an die Technische Universität München. Das ergibt eine Auswertung der Daten durch den BR. Die Uni erhielt entsprechende Drittmittel in Höhe von etwa fünf Millionen Euro. Laut TU gibt die Liste den korrekten Stand wieder. Allerdings sei es höchst umstritten und nicht klar definiert, was rüstungsrelevante Forschung sei, so ein Sprecher.

Drittmittel für Rüstungsforschung von Passau bis Hof

An zweiter Stelle rangiert die Ludwig-Maximilians-Universität München. Zudem wurde an den Universitäten Passau und Erlangen sowie an den Hochschulen Deggendorf, Regensburg, Ingolstadt, Hof, Nürnberg und München (HaW) an entsprechenden Drittmittelprojekten gearbeitet.

Maßgebliche Auftraggeber waren das Verteidigungsministerium, die Bundeswehr sowie privatwirtschaftliche Rüstungsunternehmen. Das Ministerium erklärt auf Anfrage, spezielle Universitäten oder Hochschulen hätten zu bestimmten Forschungsfragen die besten Qualifikationen für deren Bearbeitung. Auch der Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie, BDSV, sieht in zivilen Unis und Hochschulen wichtige Partner.

"Die Mitgliedsunternehmen unseres Verbandes haben ein Interesse, sich im Rahmen ihrer Technologie- und Produktentwicklung mit Institutionen der Spitzenforschung im universitären Bereich auszutauschen."

Bundesverband Sicherheits- und Verteidigungsindustrie

Grüne wollen Unis auf zivile Forschung verpflichten

In der Wissenschaftslandschaft hingegen sind solche Forschungen umstritten. Etwa macht sich die rüstungskritische Vereinigung Deutscher Wissenschaftler gegen derartige Projekte stark. Und auch die Landtags-Grünen würden Rüstungsforschung am liebsten verbieten.

"Wir sehen diese Forschungen als ethisch durchaus fragwürdig an. Gerade in einer Zeit, in der uns Flucht und Vertreibung einerseits und Fluchtursachenbekämpfung andererseits beschäftigt. Hochschulen haben eine gesellschaftliche Verantwortung, der sollen sie auch gerecht werden. Deswegen wollen wir den zivilen Zweck der Forschung festschreiben."

Verena Osgyan, Grünen-Abgeordnete im bayerischen Landtag

Die Grünen fordern außerdem ein sogenanntes Transparenzregister. Darin sollten nach ihren Vorstellungen alle externen Forschungs- und Entwicklungsaufträge verzeichnet sein. Anfang Juli ist im Wissenschaftsausschusses des Landtags eine Anhörung zum dem Thema geplant.

Dual Use: Zivile und militärische Forschung schwer abgrenzbar

Offen ist, ob es weitere Projekte mit militärischem Bezug gibt, die in der Liste des Wissenschaftsministeriums nicht erfasst sind. Das Bayerische Wissenschaftsministerium teilte auf BR-Nachfrage mit, bei den Angaben handle es sich um Näherungswerte, die auf einer Umfrage unter den Unis und Hochschulen basierten. Häufig sei eine eindeutige Zuordnung, ob Projekte relevant für Militär oder Rüstung seien, nicht möglich. Dies liege unter anderem daran, dass Forschungsergebnisse teils sowohl militärisch als auch zivil genutzt werden könnten - Stichwort Dual Use.

Prof. Peter Sperber, Präsident Technische Hochschule Deggendorf

Auch bei den Entwicklungen aus Deggendorf ist dies der Fall. Hochschulpräsident Peter Sperber kann Kritik an derartigen Entwicklungen deshalb nicht nachvollziehen. Die Idee, Forschungsarbeit auf reine zivile Felder zu beschränken, kommt für Sperber einer Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit gleich: "In meinen Augen ist das Augenwischerei. Im Ingenieursbereich fällt mir fast nichts mehr ein, was ich dann noch machen dürfte."


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Studi, Sonntag, 10.Juni 2018, 12:38 Uhr

8.

Was ist an der Drittmittelfinanzierung falsch ?

Fragt doch mal bei den Autoherstellern nach, die Drittmittelfinanzierung ist weitaus höher.

MobReservist_dR , Freitag, 08.Juni 2018, 21:41 Uhr

7. Grüne Heuchler ...

... ist in meinen Augen eine Verharmlosung der Tatsachen. Die Bündnis/Grünen sind in meinen Augen der legale politische Arm der Linksterroristen, völlig egal ob die sich AntiFA oder sonstwie nennen. Der G20 Gipfel von Hamburg hat doch gezeigt, wer, was, wo und warum unser Land und unsere Heimat zerstören will. Wer jedoch seine Heimat liebt, verteidigt diese! Und am besten mit den neusten, effektiven und effizienten millitärischen Kampfmitteln. Und dafür braucht man eine sachbezogene qualitativ hochwertige Forschung. Übrigens, war es nicht Fischer, der die Bundeswehr in den ersten Kampfeinsatz führte?

Yoda, Freitag, 08.Juni 2018, 18:21 Uhr

6. Bei Grundlagenforschung ist immer "Dual Use" möglich !

Prof. Peter Sperber kann ich nur vollumfänglich zustimmen. Bin selbst Dipl. Ing. Univ. und kenne unzählige Beispiele aus Forschung und Entwicklung bei denen sich zivil und militärisch nicht trennen lässt. Einfaches Beispiel aus der Materialforschung: Extrem hitzebeständiger super leichter Spezialstahl. Damit lässt sich die nächste Generation von Jagdflugzeugen bauen, aber eben auch Satelliten, Raumstationen, etc. Dass eine Hightech Nation wie Deutschland insbesondere Spitzenforschung braucht ist unstrittig - aber ebenso der uralte Spruch: "Der Krieg ist der Vater aller Dinge", was sehr häufig, wenngleich nicht immer zutrifft. Sollten die 5-8% "Grüne" hiermit ein Problem haben, dann einfach auswandern, anderes Bundesland, anderes Land oder noch besser anderer Planet und gut ist's - es nervt nämlich auf Dauer gewaltig nur unsinniges Jammern zu hören von Figuren, die von so gut wie nichts wirklich Ahnung haben !

Wolfgang, Freitag, 08.Juni 2018, 11:02 Uhr

5. DAs zum Thema machen ist gut... und naiv...

Das Deutsche Volk wählte Regierungen die maximalen Wohlstand hier auf Kosten der irdischen Recourcen verpsrechen, dazu gehört eben auch militärische "Interessenssicherung".

Praktisch, wer zwei SUV für die Familie will, 150m² Haus freistehend und zwei Flugreisen im Jahr, dazu auch intensiven öffentlichen Wohlstand wie dritter Konzertsaal, Elbphilharmonie und Sozialleistungen für Millionen Zuwanderer, der muß auch ja sagen zu Militarismus inkl. Waffenforschung.

"von nischt kommt nisch....t"

Gruber, Freitag, 08.Juni 2018, 09:42 Uhr

4. Nachhilfe

Der Forderung der "Grünen", Unis zu ausschließlich ziviler Forschung zu verpflichten ist schlicht Artikel 5, Absatz 3 des Grundgesetzes in Erinnerung zu rufen: " Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur verfassung."

  • Antwort von Politi, Freitag, 08.Juni, 11:29 Uhr

    Aber nirgendwo steht, dass Drittmittel (furchtbarer Begriff und Euphemismus für Kommerzialisierung der Universitäten) nicht an eine Absage an Kriegsindustrie gebunden werden kann.

    Und zur "Freiheit von Forschung und Lehre" gehört auch, dass alle (!) Ergebnisse öffentlich und für jedermann nutzbar sein müssen. Das wird in den Verträgen zur Finanzierung von Kriegs- aber auch von Pharma-forschungsprojekten aber so gehandhabt! Und auch in den Verträgen, in denen die Universitäten als staatlich finanzierte Entwicklungsbuden mißbraucht werden, wie im genannten Beispiel. Oder in der Zusammenarbeit von Münchner Unis mit Handelsunternehmen. Oder in......