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Grant Der Blues des Südens

Thomas Grasberger macht sich in seiner akustischen "Grantologie" nicht nur auf die Suche nach einem Lebensgefühl und passionierten Grant-Darstellern; er sammelt auch - "Zefix halleluja!" - Argumente dafür, den Grant in die UNESCO-Liste des immateriellen Kulturerbes aufzunehmen.

Von: Thomas Grasberger

Stand: 03.05.2018 | Archiv

Es soll ja Menschen geben, die meinen, er existiere gar nicht (mehr), der bairische Grant. Sie irren. Als illegitimes Kind der bairischen Hochsprache blickt er nicht nur auf eine lange Tradition zurück, sondern erlebt auch eine höchst lebendige Gegenwart. Gelegenheiten bieten sich schließlich zuhauf. Wenn das Bier mal wieder zu warm, der Kaffee zu kalt, die Suppe zu salzig oder das Ei zu hart ist, dann schlägt die Stunde des Grantlers (und natürlich der Grantlerin). Von Klimawandel, Finanzkrise und anderen Grant-Beschleunigern des Alltags ganz zu schweigen.

Aber was ist das eigentlich genau, der Grant? Und was ist so bairisch an ihm?

Früh übt sich, wer ein echter Grantler werden will!

Schlecht gelaunte Zeitgenossen gibt es schließlich überall auf der Welt. Der bairische Grant jedoch ist mehr als nur ein griesgrämiges Vor-sich-hin-Schimpfen! Er ist eine Haltung und ein Lebensgefühl, kann große Oper sein oder kleines Vorstadttheater, je nachdem, wer ihn gerade aufführt.

Manchmal kommt er düster und pessimistisch daher, renitent oder wütend, ein andermal ist er auftrumpfend-heiter, um dann wieder leise, fast poetisch zu werden.

Grant-Recherche bei der Kabarettistin Franziska Wanninger

Die Kabarettistin Franziska Wanninger (Passau, 2015)

"Ja mia gangsd! Ja freile, er wieder! Ja, ned gschimpft ist globt gnua! Des hädsd besser aa macha kenna!"

Franziska Wanninger, Jahrgang 1982, ist im oberbayerischen Landkreis Altötting aufgewachsen. Irgendwo da unten bei Marktl, Simbach am Inn, Braunau. Also dort, wo quasi der Grant-Canyon Europas verläuft. Sowas färbt natürlich ab. Humormäßig. Als Kabarettistin ist Franzi jedenfalls längst kein Geheimtipp mehr. Natürlich, sagt sie, sei das Leben nicht einfach, wenn man jemanden um sich hat, der immer vor sich hingrantelt. Andererseits: Gibt es etwas Humoristischeres als einen Grantler?

"Also ich glaub, das ist was sehr typisch Bairisches, der Grant. Begegnet einem eigentlich jeden Tag, wenn man draußen unterwegs ist, dann kommt das schon vor, dass man sagt: (spielt) 'Du, bin I letztmoi in der S-Bahn, steigt einer ein, mit einer Mordsdtrumm Semmel in der Lätschn, dassd sagsd, gibt’s des. Ja sag amoi, muass des sei? Muass ich mir als moderner Mensch um hoibe oife Vormittag eine halbes Pfund Aufschnitt ins Gsicht neistecka?' Sowas zum Beispiel. Dass jemand irgendwie unkontrolliert vor sich hin grantelt und dann auch völlig wurscht, ob jemand zuhört oder nicht. Des is ziemlich typisch."

Das Entscheidende dabei ist natürlich der Mutterwitz in der Sprache, meint Franziska Wanninger. Weil zum Granteln brauchts die richtigen Wörter und Ausdrücke.

Grant ist der Blues des Südens

Grant, das ist auch eine Form des Widerstands – gegen die Zumutungen des Lebens; gegen depperte Zeitgenossen; gegen den Gute-Laune-Terror einer globalen Verblödungsmaschinerie. Grant ist gelebte bairische Philosophie. Bairisch mit ai natürlich. Und das reicht weit über den Freistaat Bayern hinaus, bis nach Wien hinunter. Grant, das ist der Blues des Südens! Und wie der Blues nie nur traurig, sondern manchmal aufmüpfig und zornig ist, so bewegt sich auch der Grant zwischen Melancholie und Renitenz. Und wenn man es recht bedenkt, dann hätte der Grant es eigentlich längst verdient, in die UNESCO-Liste des immateriellen Kulturerbes aufgenommen zu werden.


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