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Nach Clintons Zusammenbruch Gesundheit als Politikum

Kann man mit einer Lungenentzündung für das Amt des US-Präsidenten kandidieren? Viele würden dazu wohl sagen: Natürlich, warum nicht! Doch in den USA ist der Gesundheitszustand der Demokratin Clinton zum Politikum geworden. Es scheint, gesundheitliche Stärke wird mit politischer Stärke gleichgesetzt. Ist das auch in Deutschland so?

Stand: 16.09.2016

Hillary Clinton auf einer Gedenkveranstaltung zum 11. September | Bild: picture-alliance/dpa

Manuskript

Wie fühlen sie sich, Frau Clinton?, das ruft eine Horde Journalisten der US-Präsidentschaftskandidatin zu. Hillary Clinton hatte einen Schwächeanfall, bei der Gedenkfeier zum 11. September in New York. Wenige Stunden später tritt sie wieder lächelnd vor die Presse. Um zu zeigen, dass sie auf den Beinen ist. Denn wer als Politiker kränkelt, wird skeptisch beäugt, auch in Deutschland. Erkältungen muss man schon mal grundsätzlich wegstecken, erzählt Malu Dreyer, die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, in der NDR-Talkshow.

"Es ist eigentlich ganz schwierig für Politiker krank zu sein. Also ein normaler Politiker, wenn der einen Schnupfen hat oder eine schwere Erkältung hat, dann sagt der eigentlich nicht: Ich bin heute krank. Einen Termin abzusagen mit der Begründung Krankheit, das geht eigentlich gar nicht."

Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz Malu Dreyer

Malu Dreyer weiß, wie Krankheit und Politik zusammenspielen. Im Jahr 2006 verrriet sie der Öffentlichkeit, dass sie Multiple Sklerose hat. Damals war sie noch SPD-Landesministerin. Politisch geschadet hat ihr das nicht.

"Die Menschen hatten schon auch Mitgefühl: Ach ja, die arme Frau. Aber im Großen und Ganze haben die Rheinland-Pfälzer und Rheinland-Pfälzerinnen eigentlich nie einen Zweifel daran gelassen, dass sie mir jetzt, wo sie’s wissen, genauso die Aufgabe zutrauen wie vorher. Und das hat mir sehr gut getan, das auch festzustellen." Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz Malu Dreyer

Wer als Politiker schwer krank ist, der muss damit irgendwann an die Öffentlichkeit. Davon ist CDU-Politiker Wolfgang Bosbach überzeugt, wie er dem Bayerischen Rundfunk am Telefon verrät. Auch mit seiner eigenen Krebserkrankung geht der 64-Jährige Bundestagsabgeordnete offen um.

"Ich glaube nicht, dass man es auf Dauer verheimlichen kann. In dem Moment, wenn man anfängt, herumzudrucksen, wenn die Menschen das Gefühl bekommen: Naja, da stimmt aber wohl nicht alles, oder: Er sagt uns nicht alles, dann bekommt man ein Problem. Aber doch nicht, wenn man offen sagt, was Sache ist."

CDU Bundestagsabgeordneter Wolfgang Bosbach

Recht unverblümt sagt auch SPD-Landrat Michael Adam aus Niederbayern „was Sache ist“. Im Netz nennt er sich WDer gläserne Landrat“, schreibt von seinem persönlichen Kampf mit Diabetes, Übergewicht und Alkohol. Der Wähler habe nun mal ein berechtigtes Interesse an der Gesundheit seiner Vertreter – glaubt auch Wolfgang Bosbach.

Im Fall Hillary Clinton versuchten einige US-Medien aber genau das: Von außen entscheiden, ob die Kandidatin gesund genug ist. Sozusagen per Ferndiagnose. Für Simon Kruschinski steht fest: Das besondere Interesse an der Gesundheit ist ein Symptom des modernen Wahlkampfs. Der einzelne Kandidat werde immer wichtiger, sagt der Experte für politische Kommunikation an der Universität Mainz.

"Also erstens haben wir mit einer sinkenden Partei-Identifikation und einer steigenen Zahl an Wechselwählern das Bedürfnis, dass Themen und Kandidaten eine immer größere Bedeutung spielen. Wenn man sich moderne Wahlkampagnen anschaut, dann lässt sich auch in Deutschland dann der Trend zur so einer Inszenierung einer Person- statt einer Parteienwahl beobachten. Und dann wird auch die Gesundheit eines Politikers immer stärker Thema in der Öffentlichkeit."

Experte für politische Kommunikation Simon Kruschiniski

Wenn Partei und Parteipolitik nicht mehr so wichtig sind, dann suche sich der Wähler eben andere Kriterien: Zum Beispiel die Fitness der Spitzenkandidaten. Das kann ein Fehlschluss sein, warnt Simon Kruschinski.

"Also ich denke dass die Verknüpfung von gesundheitlicher und politischer Stärke nur teilweise berichtigt ist. Also der Politikeralltag ist hart und vor allem auch gesundheitsbelastend - wir haben wenig Schlaf, schnelles Essen, dauerhafter Stress. Aber vor allem lehren uns ja auch etliche Beispiele, dass gesundheitliche und politische Stärke zwei voneinander losgelöste Eigenschaften sind."

Experte für politische Kommunikation Simon Kruschiniski

Ein schillerndes Beispiele ist wohl John F. Kennedy. Der beliebte US-Präsident hatte zwar ein sportliches Image – in Wirklichkeit litt er aber an extremen Rückenschmerzen. Trug ein Korsett. Nahm Schmerzmittel, Antidepressiva und Cortison. In den Sechzigerjahrenn, ohne Internet und Social Media, ließ sich das sogar verheimlichen. Aufgehalten hat ihn das aber nicht. Kennedys Biograph sagte einmal: „Hätte die Nation gewusst, wie krank Kennedy ist, wäre er nie Präsident geworden.“


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