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Bayerns DGB-Chef Matthias Jena im Interview DGB-Chef Jena: "Wer Vollzeit arbeitet, muss vom Mindestlohn leben können"

Am Mittag gibt eine Kommission in Berlin bekannt, welchen Mindestlohn es ab 2019 geben soll. Derzeit liegt er bei 8,84 Euro – deutlich zu wenig, wie der bayerische DGB-Vorsitzende Matthias Jena im B5-Interview klarmacht.

Von: Veronika Beer

Stand: 26.06.2018 | Archiv

Der bayerische DGB-Vorsitzende Matthias Jena | Bild: picture alliance / dpa

Der bayerische DGB-Vorsitzende Matthias Jena zieht eine gemischte Bilanz seit der Einführung. Ein Erfolg sei es gewesen, den Mindestlohn nach zehn Jahren Diskussion durchzusetzen. Aber er müsste höher sein, damit man in Ballungszentren wie München oder Nürnberg, Augsburg, Ingolstadt oder Regensburg davon leben könne.

Betrug bei 2,2 Millionen Beschäftigten

Aus den Zahlen des statistischen Bundesamts gehe hervor, das immer noch 2,2 Millionen Beschäftigte in Deutschland um den Mindestlohn betrogen würden. Die Arbeitgeber fänden Tricks, um sich um den Mindestlohn herumzuwinden, kritisiert Jena. Er fordert deshalb stärkere Kontrollen.

"Wir erleben, dass sich Arbeitgeber um den Mindestlohn drücken."
Matthias Jena, DGB-Vorsitzender Bayern

Kein massenhafter Abbau von Arbeitsplätzen

Als ausgesprochen positiv bewertet Jena, dass der Mindestlohn nicht zu einem massenhaften Abbau von Arbeitsplätzen geführt habe, wie es zum Beispiel Arbeitgeber vor der Einführung im Jahr 2015 behauptet hätten. Von einer Million Arbeitsplätze war damals die Rede.

Allein für Bayern prognostizierten die Arbeitgeber laut Jena 100.000 Jobs, die wegbrechen würden. Das sei nicht eingetreten. "Der Mindestlohn stärkt die Binnennachfrage, und tut deswegen auch dem Arbeitsmarkt gut", betonte Jena in einem Gespräch mit B5.

Mehr Kontrollen nötig

Doch ein Gesetz wirke nur dann, wenn es auch kontrolliert wird, sagt Jena. Aus diesem Grund müsse stärker überprüft werden, ob Arbeitgeber die gesetzliche Untergrenze für den Mindestlohn unterlaufen. Bei den einschlägigen Unternehmen müssten mehr Kontrolleure eingesetzt werden, etwa beim Bau oder im Hotel- und Gaststättengewerbe.

Die Kontrolleure müssten in die Betriebe gehen, sich dort die Arbeitszeitnachweise vorlegen lassen und sie mit dem Gehaltszettel vergleichen. Dafür gebe es spezielle Beamte beim Zoll – bundesweit rund 7.000 Stück. Für eine vernünftige Überprüfung bräuchte es allerdings mindestens 10.000 Beamte, fordert Jena.

Hartz IV trotz Vollzeitjobs mit Mindestlohn

In Bayern gibt es laut Jena ungefähr 17.000 Menschen, die trotz Vollzeitjobs auf Hartz IV angewiesen seien. Auch Zweitjobs seien trotz Mindestlohns keine Seltenheit. Das liege daran, dass der Mindestlohn zu niedrig angesetzt sei, sagt Jena: "Wir erwarten schon, dass der Mindestlohn mittelfristig so steigt, dass er wirklich zum Leben reicht."

"Sogar in der Bayerischen Verfassung steht: Der Lohn muss zum Leben reichen. Ein Mensch, der Vollzeit arbeitet, muss also davon auch leben können."
Der bayerische DGB-Vorsitzende Matthias Jena –Matthias Jena, DGB-Vorsitzender Bayern

Mindestens 9,19 Euro – eigentlich aber mehr

Für Jena steht deshalb fest: Der Mindestlohn muss auf wenigstens 9,19 Euro erhöht werden, die sich aus einem statistischen Mittel aus den Jahren 2016 und 2017 berechnen. Nimmt man das erste Halbjahr von 2018 noch zu, läge man bei 9,28 Euro. Und weil laut Gesetz auch die wirtschaftliche Entwicklung in die Anpassung miteinzubeziehen ist, müsste der Mindestlohn Jenas Ansicht nach noch deutlich höher sein.


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