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Brexit-Prognosen Buchmacher klüger als Umfrageinstitute?

Bei Leicester City, englischer Sensationsmeister im Fußball, haben sie versagt. Aber bei den letzten Wahlen und Volksentscheiden waren Buchmacher besser als Umfrageinstitute. Stephanie Pieper hat nach den Gründen gefragt.

Von: Stephanie Pieper

Stand: 20.06.2016

Passanten betreten unter den kritischen Blicken anderer ein "Paddy Power"-Wettbüro. | Bild: picture-alliance/dpa/Arved Gintenreiter

Ganz so populär wie Wetten auf den Sieg eines Pferdes der Queen in Royal Ascot oder auf die EM-Frisur des walisischen Fußballstars Gareth Bale sind Wetten auf das EU-Referendum dann doch nicht. Politische Ereignisse wie dieser Volksentscheid sind eher eine Nische im Markt - aber eine spannende, sagt zumindest Graham Sharpe vom Anbieter William Hill.

"Etwa zwei Drittel des bei uns gesetzten Geldes entfällt auf den EU-Verbleib, aber mehr als 70 Prozent der einzelnen Wetten setzen auf einen Brexit. Es gibt also viele, die mit kleinen Summen auf den EU-Ausstieg wetten - und wenige, die mit größeren Summen darauf setzen, dass Großbritannien in der EU bleibt."

Graham Sharpe

Beim Konkurrenten Paddy Power ein ähnliches Bild: Dort erzählt Lewis Davey, dass in den vergangenen Wochen ein paar betuchte Menschen gleich 5.000 Pfund darauf gesetzt haben, dass das Vereinigte Königreich sich gegen den Brexit entscheidet.

Wetten rationaler als auf Umfrage antworten

Während die Umfragen schwanken zwischen Brexit und EU-Verbleib, sagen die Buchmacher seit Monaten konstant voraus, dass die Briten dafür votieren, drin zu bleiben in der EU. Und nach dem Mord an der Labour-Abgeordneten Jo Cox spiegeln die Quoten wieder, dass die Wahrscheinlichkeit dafür sogar gestiegen ist. Den Unterschied zu den Umfragen erklärt sich Sharpe so: Beim Wetten lasse man sich eben nicht von der Stimmung an einem Tag leiten, sondern überlege nüchterner, wie das Ganze tatsächlich ausgehen wird.

"Man wettet so, wie man denkt, dass es ausgehen wird, nicht wie man sich gerade tagesaktuell fühlt."

Graham Sharpe

Buchmacher waren bei Parlamentswahl klüger ...

Diejenigen, die ihr Geld setzen, hatten schon oft den richtigen Riecher - etwa bei der britischen Parlamentswahl vor einem Jahr. Damals sagten alle Umfragen ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen den Konservativen und der Labour Party voraus. Bei den Buchmachern dagegen stieg kurz vor dem Urnengang die Wahrscheinlichkeit einer konservativen Alleinregierung.

Und so kam es dann auch: Premierminister David Cameron blieb in 10 Downing Street wohnen. Jetzt, ein Jahr danach, wetten aber viele darauf, dass der Tory-Parteichef sich nicht mehr lange im Amt halten kann - ganz gleich, wie die EU-Volksabstimmung ausgeht. Als Favorit für seine Nachfolge galt laut Graham Sharpe bei den Buchmachern zunächst der Pro-EU-Finanzminister George Osborne.

"George Osborne war der Favorit als nächster Tory-Leader als die Kampagne fürs Referendum begann. Aktuell ist Boris Johnson Favorit."

Graham Sharpe

... und auch beim schottischen Unabhängigkeitsvotoum

Inzwischen hat Johnson, Brexit-Anführer und ehemalige Londoner Bürgermeister, Osborne überholt. Beim schottischen Referendum vor zwei Jahren hatten die Meinungsforscher übrigens auch ein knappes Ergebnis vorausgesagt. Die Wettbüros allerdings waren ziemlich sicher, dass die Schotten sich gegen die Unabhängigkeit und für das Vereinigte Königreich entscheiden. Recht hatten sie.

Die meisten Wetten zum Brexit werden erst in diesen letzten Tagen eintrudeln, vermutet Lewis Davey von Paddy Power.

"Wir erwarten ein Chaos bis zur Abstimmung."

Lewis Davey

Aber auch die Buchmacher können sich irren: Dass Leicester City englischer Fußball-Meister wird, das wollten sie - bis kurz vor dem Titelgewinn - einfach nicht glauben.


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