Porträt von Boris Johnson Eine Mischung aus Churchill und Pumuckl
Ben Johnson hat beim Brexit-Referendum das Ruder rumgerissen. Offenbar wollte er Premier Cameron beerben. Jetzt hat er überraschend auf das Amt verzichtet. Seine Kritiker sehen in ihm einen unzuverlässigen Populisten und machtgierigen Windhund.
Viele sagen, Boris Johnson habe den Ausschlag für den Brexit gegeben. Er persönlich habe mindestens zehn Prozent der Wähler dazu gebracht, für den Austritt aus der Europäischen Union zu stimmen. "Vote Leave", die Wahlkampforganisation der Austrittsbefürworter, jubelte jedenfalls, als der, den alle nur Boris nennen, sich auf ihre Seite schlug – denn zuvor hatten sie nur ein paar blasse Abweichler aus David Camerons Kabinett aufzubieten.
"Das letzte, was ich wollte, ist, gegen David Cameron oder die Regierung zu kämpfen. Aber nach gründlichem Nachdenken kann ich nicht anders, als für die Kampagne 'Raus aus der EU' zu werben, weil ich einen besseren Deal für die Bürger dieses Landes haben will."
Boris Johnson
Bruder Leichtfuß
Ist es wirklich das, was Boris Johnson zum "Leaver" werden ließ, zum prominentesten Befürworter des Brexit? Viele haben daran ihre Zweifel: Boris Johnson ist in politischen Fragen ähnlich beweglich wie David Cameron. Da der Premierminister sich aber nun einmal entschieden hatte, für den Verbleib in der EU zu kämpfen, musste Johnson in das andere Lager: Um sein Ziel zu erreichen, Cameron aus dem Amt zu treiben. Als Johnson in einer Fernsehdebatte vor dem Referendum mal wieder phantasievoll mit Zahlen zu den Kosten der EU-Mitgliedschaft umging, rief seine Parteifreundin Amber Rudd dazwischen:
"Die einzige Zahl, für die sich Boris wirklich interessiert ist, ist die Nummer 10."
Amber Rudd, Energieministerin
Damit meinte sie die Hausnummer des Premierministers in der Downing Street. Rudd hält Boris jedenfalls für einen Bruder Leichtfuß, dem man das Staatsschiff lieber nicht anvertrauen sollte.
"Er ist das Leben und die Seele jeder Party. Aber nicht der Mann, von dem man am Ende des Abends nach Hause gefahren werden möchte."
Amber Rudd
Für eine gute Pointe tut Boris Johnson fast alles, auch wenn die Wahrheit dabei gelegentlich auf der Strecke bleibt – so auch vor dem EU-Referendum:
"Auf den Räucherlachs-Packungen in den Supermärkten muss auf Anweisung der EU der Hinweis stehen: 'Kann Fisch enthalten'. Brauchen wir für diesen Hinweis wirklich die EU? Vielleicht sollte man vor dem Hauptquartier der EU in Brüssel ein Schild aufstellen: 'Kann taube Nüsse enthalten'?"
Boris Johnson
Showtalent und Selbstvermarkter
Johnson galt in seiner Schulzeit als Shooting Star im Elite-Internat Eton, während Cameron dort nicht weiter auffiel. Und eigentlich galt Johnson auch als kommender Parteivorsitzender, doch als gewählt wurde, war er wegen einer außerehelichen Affäre gerade nicht wählbar, und so führte Cameron die Konservativen aus der Opposition in die Regierung. Er lotste Boris auf ein Nebengleis – das Amt des Londoner Bürgermeisters. Die Olympischen Spiele 2012 machte er zu seiner großen Bühne.
"Nennen sie mich hurrapatriotisch, nennen Sie mich chauvinistisch, aber wir haben es denen da in Peking gezeigt."
Boris John im Jahr 2012
Johnson ist ein großer Verkäufer seiner selbst, mit seinen sorgfältig verwuschelten strohblonden Haaren, Hemden, die vorzugsweise aus der zerbeulten Hose hängen. Er ist ein Showtalent, eine Mischung aus Pumuckl und Churchill, über den er eine Biografie schrieb, die sich liest wie eine Autobiographie. Boris Johnson will das Amt, das Winston Churchill einst inne hatte. Auch wenn er vor kurzem noch alle Fragen danach mit dem Hinweis abwehrte, das sei in etwa so wahrscheinlich wie von einer Frisbee-Scheibe enthauptet zu werden.