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Komplex Finanzmarkt Zockerei jenseits des Kern-Auftrags

Lange war der Job der Landesbanken klar umrissen: Förderung der Regionen, des Mittelstands und der Häuslebauer. Dann aber mutierten die Landesbanken zu Spielbanken und zockten mit internationalen Risikopapieren und faulen Krediten. Die Trümmerbeseitigung kommt den Steuerzahler teuer.

Stand: 29.06.2011

BayernLB | Bild: picture-alliance/dpa

Wenn es um Deutschlands Banken geht, wird gerne ein Bild bemüht, das Stabilität suggerieren soll - derzeit aber eher an eine Ruinenlandschaft denken lässt: Auf drei Säulen, heißt es, fußt das deutsche Finanzwesen. Eine Säule bilden die Privatbanken, eine weitere die Genossenschaftsbanken; die dritte, öffentlich-rechtliche Säule setzt sich aus Landesbanken, Sparkassen und Landesbausparkassen zusammen.

Die Geschäftsfelder der drei Bank-Typen überschneiden sich, ihr Auftrag ist verschieden: Das hochbezahlte Personal der Privatbanken soll die ebenso hochfliegenden Renditewünsche der Eigentümer befriedigen - und ähnelt, wenn's schief geht, den Turmbaumeistern zu Babel. Die in der Regel konservativeren Genossenschaftsbanken hingegen sind ihren Mitgliedern verpflichtet. Die öffentlich-rechtlichen Geldhäuser schließlich arbeiten fürs Gemeinwohl: Sie sind Finanzdienstleister von Bürgern für Bürger, für Kommunen, Kleinbetriebe und den Mittelstand. Soweit die Theorie.

"Wir unterstützen die Sparkassen und Kommunen in Bayern bei der Erfüllung ihrer Aufgaben. Gemeinsame Zielsetzung ist es, den Strukturwandel in den Regionen aktiv zu begleiten und die mittelständische Wirtschaft systematisch zu fördern."

Aus der Selbstdarstellung der BayernLB

Kollateralschaden der US-Immobilienkrise

In der Praxis hat sich die BayernLB - nicht anders als die angeschlagene Mittelstandsbank IKB und die Mehrzahl ihrer "Landesgeschwister" - weniger bodenständig verhalten. Am 16. Februar 2008 offenbarte das Institut in einer Pressemitteilung: "Die BayernLB-Gruppe hält strukturierte Wertpapiere in Höhe von rund 32 Milliarden Euro. Rund vier Milliarden Euro betreffen das sogenannte US-Subprime-Segment." Drei Tage später kündigte BayernLB-Chef Werner Schmidt seinen Rücktritt an. Sein von Beginn an umstrittener Nachfolger: Finanzvorstand Michael Kemmer. Am 14. Dezember 2009 verlor auch Kemmer seinen Posten wieder und zwar wegen des Milliardenverlusts der BayernLB durch den Kauf der maroden Hypo Group Alpe Adria.

Wichtige Begriffe der Finanzmarktkrise

ABS-Papiere

ABS steht für "Asset Backed Securities". ABS-Papiere sind forderungsbesicherte Wertpapiere. Ein Beispiel: Eine Bank verkauft Kreditverträge mit Häuslebauern an eine Gesellschaft. Die wiederum bündelt die Forderungen und verbrieft sie zu Wertpapieren, die sogenannten ABS-Wertpapiere.

Subprime-Markt

Subprime, übersetzt "zweitklassig" wird der Teil des Kreditmarkts bezeichnet, bei dem Kunden mit geringer Bonität (Kreditwürdigkeit) Geld fürs eigene Heim geliehen wird. In den USA waren von 2005 bis 2007 zahllosen Menschen Häuser aufgeschwatzt worden, die sich die eigentlich gar nicht leisten konnten.

Non-conforming-Hypothekenmarkt

Geraten die Subprime-Kreditnehmer in Zahlungsschwierigkeiten, spricht man vom Non-conforming-Hypothekenmarkt. Die Finanz- und Bankenkrise ab 2007 wurde ausgelöst, nachdem in den USA viele Schuldner mit geringer Bonität durch steigende Kreditzinsen und/oder Arbeitslosigkeit ihre Kreditraten nicht mehr pünktlich bezahlen konnten. Nicht bediente Immobilienkredite werden auch als notleidende Immobilienkredite bezeichnet.

Toxische Papiere

Giftig oder toxisch sind Wertpapiere, die massiv an Wert verloren haben und sich nicht oder nur mit heftigen Wertverlusten verkaufen lassen. Im Zuge der US-Immobilienkrise wurden ABS-Papiere, in denen Kreditforderungen des Subprime-Markts gebündelt waren, zu toxischen Papieren.

Dass die Ramsch-Obligationen vom amerikanischen Immobilienmarkt kaum das Papier wert sind, auf dem sie gedruckt sind, ahnten vor Juni 2007 nur Insider; das Ausmaß der US-Bankenkrise und der Grad der Verstrickung der bayerischen Förderbank überraschten dann selbst Pessimisten.

Schwarzer Peter für Erwin Huber

Ein Untersuchungsausschuss des Landtags sollte die Verantwortlichkeiten klären. Die Opposition sah diese erwartungsgemäß beim damaligen Finanzminister Erwin Huber, was die CSU ebenso erwartbar zurückwies. Am 22. Oktober 2008 trat auch Huber zurück. Kurz vorher hatte die BayernLB als erstes deutsches Kreditinstitut 5,4 Milliarden Euro aus dem Rettungspaket des Bundes beantragt. Zur Behebung der Krise reichte das nicht.

Debakel mit Ansage

"Wir sind uns unserer Verantwortung bewusst und nehmen diese auf vielfältige Weise wahr - durch redliche Führung, verantwortungsvolles Handeln und Engagement für die Gesellschaft."

Aus der Selbstdarstellung der BayernLB

Entgangen sein konnte den zahlreich im Aufsichtsrat vertretenen CSU-Politikern der Kurswechsel des öffentlichen Geldinstituts zum Hochrisiko-Player kaum. Schon in den 90er-Jahren hatte die BayernLB viele Millionen bei Geschäften in Ostasien in den Sand gesetzt, um dann die Pleite des Medienunternehmers Leo Kirch mitzufinanzieren. Seit die EU mit den "Basel II"-Eigenkapitalvorschriften die Privatbanken gegenüber den Landesbanken besser gestellt hat, gerierten auch diese sich zur Erfüllung der Renditeerwartungen immer mehr als Zocker.

Regionalbanken und der Weltmarkt

Was aber ist aus dem jüngsten Debakel zu lernen? Die Fachleute sind uneins. Der Leipziger Bankwirtschafts-Professor Jürgen Singer plädierte dafür, die einzelnen Landesbanken sollten in engem Verbund mit den Sparkassen wieder stärker ins Geschäft mit Privatkunden einsteigen. Die Sparkassen aber halten die Landesbank inzwischen wie einen Kranken in Quarantäne auf Distanz.

Börsenexperte Wolfgang Gerke fordert seit langem die Vereinigung der Institute zu einer einzigen, international konkurrenzfähigen Großbank. Wie so eine Fusion funktioniert, hat das stärkste der föderalen Geldinstitute, die Landesbank Baden-Württemberg, mit der BW-Bank bereits vorgemacht.

Mittlerweile fast komplett in (Frei)staatshand

Der bayerische Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) will die BayernLB vollständig privatisieren - das Ende der Landesbank in ihrer bekannten Form. Vorher aber sollen Bayerns Steuerzahler den leckgeschlagenen Tanker wieder flottmachen. Die Stütze des Freistaats belief sich auf zehn Milliarden Euro. Dafür ist das ursprünglich halbstaatliche Geldinstitut inzwischen fast vollständig in der Hand des Freistaats. Die früher zur Hälfte beteiligten bayerischen Sparkassen halten nach der Kapitalerhöhung nur noch einen kleinen Anteil. Und um sich wieder auf die eigentlichen Aufgaben zu konzentrieren, wurdde ein großer Teil der Landesbank-Belegschaft abgebaut. Von den weltweit 20.285 Mitarbeitern des BayernLB-Konzerns 2008 waren 2010 nur noch 10.853 übrig.

ABS-Papiere quälen den Steuerzahler noch Jahre

Das traurige Kapitel mit den verlustreichen ABS-Papieren ist aber noch lange nicht abgeschlossen. Nach übereinstimmenden Angaben von SPD und Grünen werden im Doppelhaushalt 2013/2014 zusätzlich rund 1,6 Milliarden Euro fällig, um die Verluste aus den Geschäften mit ABS-Papieren abzudecken . Dies soll Finanzminister Georg Fahrenschon dem Haushaltsausschuss in nicht-öffentlicher Sitzung mitgeteilt haben. Dabei habe er offengelassen, ob noch mehr Hilfe des Freistaats notwendig werden könnte, monierte SPD-Haushaltssprecher Volkmar Halbleib.

BayernLB-Chronologie


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