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Bauhaus & Co. in Bayern Peter Feile - Der Kampf ums Dach

Wenn 10.000 Neugierige zur Besichtigung eines Rohbaus kommen, muss etwas Besonderes entstehen. In diesem Fall: Der Musterbau eines Architekten, der um 1930 Würzburg spaltet und beinahe das erste Flachdach Bayerns gebaut hätte.

Von: Michael Kubitza

Stand: 18.08.2011 | Archiv

Illustration mit Schriftzug Feile | Bild: BR

Peter Feile? Selbst mancher Fan des neuen Bauens zuckt bei diesem Namen die Achseln. Um 1929 wäre das anders gewesen: Feile mit seinen "neumodischen Formen" war den einen bunter Hund und für die Schwarzbraunen rotes Tuch. Feiles Pech: Er war Würzburger - Kind einer Stadt, die von dem, was vor 1933 an moderner Architektur entstand und den Krieg überlebte, vieles "totrenovierte" und in der Masse mittelmäßiger Nachkriegsbauten aus dem Auge verlor.

Als zweite Kind eines Bildhauers wird Feile 1899 geboren. Nach Militärdienst und Abitur versucht er sich 1921 an der Stuttgarter Kunstgewerbeschule, um dann in einem Berliner Büro und bei Josef Hoffmann im Wiener Werkbund den Geist des neuen Bauens zu atmen. In Würzburg entfacht er damit nach seiner Rückkehr 1926 einen Kulturkampf. Feile plant Unerhörtes.

Skandal am Leutfresserweg

Zweistöckig soll das Haus nahe der Feste Marienberg werden,  Rundfenster erhalten und: kein Dach. So jedenfalls empfinden die Anhänger des deutschen Giebels das "erste moderne Flachdachhaus Bayerns". Das Flachdach, führt Oberbauamtmann August Lommel später in einem Streitgespräch aus, verhalte sich zum Steildach "wie die Säuglingsflasche zur Muttermilch". Nach Debatten im Stadtrat folgt die Mehrheit dem positiven Votum des liberalen BVP-Oberbürgermeister Hans Löffler. Gebaut aber wird nicht. Die Regierung von Unterfranken widerruft die Genehmigung. Als das Haus am Leutfresserweg doch entsteht, ist es ein Haus wie viele in der Umgebung.

"Das städtebaulich hervorragende Gebiet zwischen Käppele und Festung Marienberg ist zu wertvoll, um als Versuchsfeld für modische Bauweise zu dienen. Es muss deshalb verhindert werden, dass hier Bauten entstehen, die im Gegensatz zur heimischen Baugesinnung als Fremdkörper im Städtebild wirken"

. Aus der Begründung der Regierung von Unterfranken

Schleichwerbung in der Bauskizze

Feiles zweite Niederlage kann er vom Fenster seines ersten Büros in der Schönbornstraße 8 beobachten: Schräg gegenüber ist 1927 das alte Café Dauch abgerissen worden. Feiles Planzeichnung zeigt an an seiner Stelle erneut ein Flachdach; diesmal ist ein sechsgeschossiges Hochhaus darunter.

Im scheinbar wirren Buchstabensalat, der die umlaufenden Werbeschriften andeutet, verstecken sich Namen, die seine Einflüsse verraten: Hoffmann, Behrens, Le Corbusier, die Städte Stuttgart und Berlin, das damals neue Baumaterial Triol. Der Stadtrat ignoriert die Provokation, Feile zieht das Bauvorhaben zurück. An seiner Stelle baut der etablierte Architekt Anton Eckert ein moderat modernes Geschäftshaus.

Weißenhof, Lerchenhain - und doch ein Hochhaus

Um 1928 scheint sich das Blatt zu wenden: Feile ist am "Haus Bourgeois" in der Stuttgarter Weißenhofsiedlung beteiligt, sein Doppelhaus Keesburgstraße 29a (mit Flachdach) wird im "Fränkischen Volksfreund" als "Denkmal des 20. Jahrhunderts" gefeiert. Der Artikel schließt mit dem Satz "Es lebe die Aktivität der deutschen Provinz!"  

Haus mit "Sprungbrett" in der Lerchenhainsiedlung

Ein Kreis von Enthusiasten tritt an, um der Moderne in Würzburg ihren Platz zu verschaffen und findet in dem Nürnberger Kunsthistoriker Justus Bier einen namhaften Anwalt. In der Augustinerstraße baut Feiles Kollege Franz Kleinsteuber 1930 doch ein Hochhaus - das erste Nordbayerns, in dem Kleinsteuber und Feile ihre Büros einrichten. Feile selbst gründet die "Baugesellschaft Lerchenhain GmbH", die an einem Hang 31 "weiße Häuser" mit Aussicht plant. Am Innenleben arbeitet die Bauhaus-Weberin Lis Beyer mit. Bei der Besichtigung locken die Bauten rund 10.000 Neugierige.

Einpassung eines Querkopfs

Die Blüte ist von kurzer Dauer: Wirtschaftskrise und Nationalsozialismus setzen dem Anbruch der Baumoderne in Würzburg ein Ende. Aus Feiles 31 Hausprojekten werden 22, am Ende bleibt es bei den drei Musterhäusern. Aus einem Vorzeigeprojekt der Moderne wird nach 1935 eine zeittypische Heimatstil-Siedlung mit uniformen Steildachhäusern.

"Der Baustil von einer erschreckenden Geistesarmut wird (...) einer nachfolgenden Generation mit höherer Kulturstufe als abschreckendes Beispiel eines armseligen, in seiner ganzen Geisteshaltung verirrten Zeitalters dienen."

  Würzburger Generalanzeiger 1933

Auch Peter Feile - von Behörden und der gleichgeschalteten Presse geschnitten - passt sich an, wird 1937 Parteimitglied. Zu dieser Zeit sind die jüdischen Freunde Justus Bier und Oskar Laredo, der Käufer von Feiles erstem Flachdachhaus, bereits im amerikanischen Exil. Nach dem Krieg lebt Feile bis 1972 in Bad Tölz. In Würzburg baut er weiter: zwei nicht mehr erhaltene Kinos, ein heute völlig umgebautes Woolworth-Gebäude. Die späte Genugtuung: Seine Stahlbetonkonstruktionen haben den Bombenkrieg besser überstanden als die Nachbarbauten mit ihren Holzdachstühlen. Heute stehen sie unter Denkmalschutz.

Literatur


Schmuck, Suse: Von Kistenhäusern und Flachdächern. Peter Feile und das neue Bauen in Würzburg, in: Tradition und Aufbruch. Würzburg und die Kunst der 20er Jahre. Verlag Königshausen und Neumann, 2003.

Heiner Reitberger Stiftung (Hg.): Die Lerchenhainsiedlung. Hefte für Würzburg 2, Würzburg 2002. 


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