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Bauhaus & Co. in Bayern Robert Vorhoelzer - Post-Moderne in München

In Bayern beginnt die "Post-Moderne" mit den 20er-Jahren: Damals beschließt das Staatsunternehmen mit dem Posthorn im Logo, seiner Zeit auch architektonisch vorauszueilen.

Published at: 22-9-2011 | Archiv

Illustration mit Schriftzug Vorhoelzer | Bild: BR

Ambitioniert war die Post als Bauherr schon lang. Doch während sie ihre Gebäude vorherher meist mit der Vorsilbe "Neo" schmückt - Neo-Gotik, Neo-Renaissance, Neo-Barock - gibt sie sich jetzt republikanisch modern. Hochburg des neuen Bauens ist das konservative Bayern - und besonders das besonders konservative München. Der Grund: Seit dem Ende der Bayerischen Staatspost 1920 sitzen die eben noch königlichen Postoffzianten in der Abteilung VI der Deutschen Reichspost. Als "Trostpflaster" haben sie die Postbauschule bekommen - eine Ideenschmiede, die in 15 Jahren hunderte neue Dienst- und Wohngebäude plant. Die meisten sind fortschrittlich - etwa die Nürnberger Poststadt von Georg Kohl - manche geradezu revolutionär. In diesem Fall meist dabei: Robert Vorhoelzer (1884 - 1954).

Von der gelben zur weißen Post

"Abreißen!" fordert der Bezirksverein Giesing, als 1929 in der Regie von Vorhoelzer und seinem kongenialen Ko-Planer Walther Schmidt an der Tegernseer Landstraße ein ganz neuartiger Postbau entsteht: ein elegantes, nach dem goldenen Schnitt angeordnetes Gebäudeensemble mit putzbündigen Fensterbändern, Oberlicht im Haupttrakt und einem Vorbau, der als "Café Tela" zum Szenetreffpunkt wird. Was vorher eine Kreuzung mit Baulücke war, ist ein Platz geworden.

Postamt mit Künstlercafé und "Selbstwahlmünzfernsprechern": Die Tela-Post 1929

Ein neuartiges "stummes Postamt" mit Münztelefonen und Briefmarkenautomaten gibt es auch. Fast scheint es, als könne unter dem runden Dach, das mit dem keck ausgestellten Logo des Cafés korrespondiert, der zeitgleich entstandene erste deutsche Tonfilm gedreht worden sein: "Die drei von der Tankstelle".

Auf Effekt und Krawall ist der Bau nicht aus. "Alle Architektur ist nur Hintergrund für den Menschen", lautet Vorhoelzers Credo. "Hintergrund" lässt sich im Sinne einer Leinwand verstehen: Die Gebäude nehmen sich zurück, schaffen Funktion, Raum und Spielfläche, sind außen weiß und innen licht. Im Kontext türmchengekrönter Zuckerguss-Mietshäuser nimmt sich der Flachbau freilich als Fremdkörper aus. Die Tela-Post bleibt - lange umstritten.

Form, Funktion und Licht

Sein technisches Meisterstück hat der Bahnoberinspektorssohn aus Memmingen schon drei Jahre zuvor abgeliefert: Mit dem Paketzustellamt in der Arnulfstraße schneidert Vorhoelzer die perfekte Hülle für Deutschlands erste maschinelle Paketsortieranlage. Nicht zuletzt ihr hat Vorhoelzer es zu verdanken, dass er 1930 als Professor an die Technische Hochschule (heute: Technische Universität) München berufen wird.

Durchblick für die Hausfrau, Blumen fürs Dach

In dieser Zeit entstehen weitere, noch schwungvollere Postbauten am Harras und am Goetheplatz. In den Rückgebäuden kann man komfortabel wohnen. Denn auch im Genossenschaftsbau geht der Mann von der Post neue Wege. Das Quartier an der Arnulfstraße macht besonders durch die ergonomischen, zum Wohnzimmer nur durch Glaswände getrennten "Münchner" Küchen von sich reden. 

Vorhoelzer Neuhausen | Bild: Baugenossenachaft des Post- und Telegraphenpersonals in München

Schnell und hell: Vorhoelzers Bauten für die Münchner Post

Nicht ganz so erfolgreich ist Vorhoelzers Versuch, seine Flachdächer zu Blumenwiesen und Gemüsegärtchen umzugestalten. Trotz umfangreicher Materialstudien wird das Blumengießen für den "Untermieter" bisweilen zu einer nassen Angelegenheit. Ab 1933 sind das Vorhoelzers geringste Probleme.

Ein "Baubolschewist" als Kirchenbauer

Auf dem Höhepunkt seiner Schaffenskraft entziehen die Nazis dem "Baubolschewisten" den Lehrstuhl. Vorhoelzer flüchtet erst in den Kirchenbau, dann, wie viele andere Architekten, in die Türkei, wo er Lehrstuhl-Nachfolger von Bruno Taut wird. Seine TH-Neubestallung in München nach 1945 ist Wiedergutmachung, kann aber nichts wieder gut machen.

Ignoranz und Leberkäs

Bis zu seinem Tod 1952 wirkt Vorhoelzer am ideellen wie physischen Wiederaufbau der TU mit und errichtet seine 1937 fertiggestellte, 1944 kriegszerstörte Kirche Maria Königin des Friedens ein zweites Mal. Gewürdigt wird er bis heute nicht.

Sein Postbau an der Fraunhoferstraße ist in erbärmlichem Zustand. Die jüngst wieder strahlweiß renovierte Fassade der Giesinger Tela-Post dient den neuen Mietern im Erdgeschoss - einem Metzger und einem Drogeriemarkt - als "Raum für Notizen", sprich: Werbetafel. Das frühere Künstlercafé Tela wird nachts vom magentafarbenen Neon der Telekom bestrahlt. Mehr Glück hatte das Pendant am Harras.

Mut zum Weglassen

2002 erfüllte der Münchner Altbaurestaurator Christoph Seiffert sich einen Architektentraum. Zusammen mit einem Partner kaufte er der Post das Gebäude ab und versetzte es wieder in den Originalzustand. 

Über hundert Häuser vom Bauernhof bis zur Jugendstil-Villa hat Seiffert (68), der sich selbst einen "Häuslebauer" nennt, in seinem Leben saniert. Die Harras-Post, für die er den Münchner Fassadenpreis erhalten hat, zählt zu seinen Herzstücken: "Wenn ich ein Haus saniere, versetze ich mich in den Architekten. Vorhoelzer ist für mich einer der ganz Großen. Sein Wille zur Klarheit und sein Mut zum Weglassen sind einzigartig."


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