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Klimawandel in Nigeria Fluten, Dürre, Migration

Beim Klimagipfel in Marrakesch wollen sich die afrikanischen Staaten Gehör verschaffen. Denn Länder wie Nigeria leiden besonders stark unter den Folgen des Temperaturanstiegs.

Von: Jens Borchers

Stand: 04.11.2016

Zwei Flüchtlinge laufen im Tschad an der Grenze zu Nigeria vor einem Flüchtlingscamp durch den Sand. | Bild: picture-alliance/dpa/Kristin Palitza

Die Afrikaner pochen auf die Verabredungen der Klimakonferenz von Paris: Auf das Versprechen, es werde einen Fonds von 100 Milliarden Euro geben, aus dem Vorsorge- und Anpassungsprojekte in Sachen Klimawandel bezahlt werden sollen. Ihr zentrales Argument: Unser Kontinent ist gerade mal für vier Prozent des Treibhausgas-Ausstoßes verantwortlich, aber wir leiden besonders stark unter den Folgen. Wie stark? Das lässt sich am Beispiel Nigeria sehen.

Erosion als Gefahr

Das Meer nagt an Nigerias Wirtschaftsmetropole Lagos. Erosion ist das große Stichwort. Und die betrachtet Regina Folorunsho vom nigerianischen Institut für Ozeanographie mit ziemlicher Sorge.

"Wir haben Küstenbereiche, an denen pro Jahr durch die Erosion 30 bis 40 Zentimeter Strand verloren gehen. Das ist beängstigend. Küsten-Erosion wird langsam zu einem Desaster."

Regina Folorunsho vom nigerianischen Institut für Ozeanographie

Stadt der Zukunft

Bodenerosion und Sturmwellen schwemmen den Lebensraum hinweg. Schon seit Jahren erlebt Lagos Folgendes: Es regnet seltener. Aber wenn es regnet, dann gewaltig, Überflutungen sind die Folge. Stürme nehmen zu. Sie kommen häufiger und heftiger. Einen Gesamtplan, gegen die Folgen des Klimawandels vorzugehen, gibt es nicht. Einzelne Projekte schon.

Eines ist besonders umstritten: Eko Atlantic City. Seit acht Jahren wird an einer künstlichen Halbinsel gebaut. Auf zehn Millionen Quadratmetern entsteht eine "Stadt der Zukunft": Büros, Luxus-Hochhäuser, Einkaufszentren, breite Boulevards. Und dazu entsteht ein Wall gegen den Atlantischen Ozean: 8,5 Kilometer lang. 100.000 Betonklötze werden dort aufeinander gestapelt, um extremen Stürmen und starken Flutwellen zu widerstehen. David Frame, Geschäftsführer der Baugesellschaft der Eko Atlantic City, sagt: Das Projekt schütze einen Teil der Küste von Lagos.

"An der gesamten Küste Nigerias gibt es eine ziemlich ernst zu nehmende Erosion. Dagegen muss etwas getan werden. Wir tun unseren kleinen Teil mit Eko Atlantic City. Dadurch schützen wir den Handelsdistrikt von Lagos."

David Frame, Geschäftsführer der Baugesellschaft der Eko Atlantic City

Völlig daneben

Ein nigerianischer Polizist vor einem Wall der entstehenden Eko Atlantic City in Lagos

Ein Wall aus Betonklötzen gegen den anrollenden Atlantik – gut gemeint, sagen Kritiker. Aber der Erosionsdruck könnte dann andere Küstenabschnitte von Lagos viel stärker treffen, meinen sie. Und Umweltschützer wie Nnimmo Bassey halten Eko Atlantic City für völlig daneben.

"Das System investiert viel Geld, um einen Spielplatz für die Reichen zu bauen. Und ignoriert die armen Leute, die Hilfe brauchen."

Nnimmo Bassey, Umweltschützer

Klima-Kriege

Ein schwimmender Slum in Lagos

Nnimmo Bassey spielt damit auf die zahlreichen Slum-Bezirke in Lagos an. Kein Beton-Wall schützt diese Millionen Slum-Bewohner vor Überflutungen und Erosion. Und Bassey verweist auch darauf, dass die Stadt Lagos und der Süden Nigerias ja keineswegs die einzigen Regionen des Landes sind, die vom Klimawandel betroffen sind.

Da ist der Tschadsee im Nordosten des Landes. Der See trocknet seit 25 Jahren wegen steigender Temperaturen langsam aus. Die Folge: Fischer und Bauern verlieren ihre Lebensgrundlage, die Wüstenbildung schreitet voran und die Menschen ziehen weg. Und auch das hat Folgen, meint Nnimmo Bassey.

"Wenn also so viele Menschen wegziehen müssen, weil der See austrocknet, dann müssen sie ja irgendwo hin. Sie gehen nach Süden und geraten dort in Konflikte mit anderen Farmern, sie streiten sich mit ihnen um Land. Das wird dann manchmal als religiöser Konflikt verschiedener Volksgruppen beschrieben. Dabei entsteht diese Gewalt wegen des Klimawandels. Es sind Klima-Kriege. Klima-Konflikte."

Nnimmo Bassey, Umweltschützer

Belastung für die Städte

Nnimmo Bassey ist Umweltaktivist. Seine drastische Beschreibung der direkten Auswirkungen des Klimawandels in Afrika auf die Migrationsbewegungen ist wissenschaftlich umstritten. Wissenschaftler beschreiben die Folgen des Klimawandels differenzierter.

Aber eines scheint klar zu sein: Klimaveränderungen führen zu Wanderungsbewegungen innerhalb eines Landes. Raus aus den ländlichen Regionen, hinein in die großen Städte. Dieser Zustrom an Menschen auf der Suche nach Arbeit verschlechtert aber die Situation in den Städten weiter: Noch mehr Arbeitssuchende. Und noch mehr Belastung für die in Afrika oft ohnehin unzureichende Infrastruktur in den Städten.


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Erich, Freitag, 04.November 2016, 20:16 Uhr

1. Ein flächenmäßiges Riesenland

wie Nigeria, schüttet eine Halbinsel im Atlantik auf und wundert sich, daß die Wellen das Zeugs wegspühlt. Da frägt man sich schon, wozu bei soviel Fläche überhaupt eine Halbinsel aufgeschüttet wird. Und was sind schon 30-40 cm. Sylt verliert viel mehr.

Ich frage mich, was sind da für "Könner" am Werk.