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40 Jahre Denkmalschutz in Bayern Im Kampf gegen die Abrissbirne

Der Denkmalschutz feiert Geburtstag. Feiert? Die Kassen sind leer, ebenso viele Baudenkmäler in strukturschwachen Regionen. Andernorts füllt der Bauboom Lücken, die es noch gar nicht gibt. Beispiel München: Wir zeigen, wo es gerade mächtig an die Substanz geht.

Von: Michael Kubitza

Stand: 04.11.2013 | Archiv

Historisches München | Bild: Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege

"Das Deml muss bleiben": In Harlaching laufen die Nachbarn gegen den Abriss eines Kaffeehauses aus den 1920er-Jahren Sturm. Zur gleichen Zeit wehren sich auf der Petitionsplattform change.org mehr als 3.300 Menschen dagegen, dass die Villa des Münchner Literaturnobelpreisträgers Paul Heyse bis zur Unkenntlichkeit umgebaut wird. Zwei Beispiele von vielen. Sind das jetzt Wutbürger? Und was macht eigentlich der Denkmalschutz?

Geburtstagsfeier mit leeren Kassen

Der feiert 2013 Jubiläum - mit einer eher sparsamen Ausstellung seines Wirkens in der Blumenstraße 19. 1973 hatte der CSU-Abgeordnete Erich Schosser seiner widerstrebenden Regierung ein neues Landesamt mit eigenem Budget und eigenen Richtlinien abgerungen. 40 Jahre später ist die Stimmung ist durchwachsen.

Einer steigenden Zahl an Denkmälern und wachsendem Bewusstsein in der Bevölkerung steht ein schrumpfender Etat gegenüber. Seit 1990, rechnet Bayerns Generalkonservator Egon Greipl vor, "bewegen sich die operativen Mittel des Landesamtes für Denkmalpflege im Sturzflug nach unten."

Von 1990 bis 2007 sackten die Zuschüsse von 23 auf drei Millionen. Der Doppelhaushalt 2013/2014 ist zumindest wieder zweistellig. Zehn Millionen Euro stehen dem Landesamt für 112.000 Bau- und Kunstdenkmäler und 890 Ensembles zur Verfügung. 3.000 Denkmäler stehen - vor allem in ländlichen Regionen - leer, andere wiederum unter massivem "Entwicklungsdruck". (Autor: Micheal Kubitza)

Denkmalschutz: Wenn der Unter den Ober sticht

Die Idee, das BLfD könnte den Erhalt aller gebauten Kulturgüter gewährleisten, wird durch diese Zahlen ebenso ad absurdum geführt wie die verbreitete Vorstellung, die Behörde unterhielte ein Heer von "Denkmal-Cops", die auf der Suche nach Kulturfrevlern durch Bayern streifen und einschreiten. Das ist auch nicht ihr Job.

Egon Greipl: "Wir haben die Aufgabe, fachlich zu beraten. Die denkmalrechtliche Erlaubnis zu Abriss und Neubau erteilt jedoch die Untere Denkmalschutzbehörde. Im Fall Münchens ist dies die Landeshauptstadt." Nicht zufällig findet die Ausstellung am Sitz der Münchner Lokalbaukommission statt. Die größte Baugenehmigungsbehörde Deutschlands hat im Interessengeflecht von Eigentümern und Investoren, Natur- und Denkmalschützern, Mietern und Nachbarn das letzte Wort.

Was ist eigentlich ein Denkmal?

Die Frage ist ungefähr so schwierig wie die Frage "Was ist Kunst?" Schönheit ist nicht gemeint, eher schon Originalität. NS-Bauten können ebenso darunter fallen wie das Landshuter Gefängnis. Am Münchner Holzplatz wird darum gestritten, ob in einem alten Klohäuschen eine Eisdiele aufmachen darf. Begründung der Gegner: Das stille Örtchen sei ein historischer Schwulentreff. "Ein Denkmal ist etwas einmaliges", sagt Egon Greipl - näheres regelt Paragraf "DSchG Art.1.1", um dessen Ausdeutung sich inzwischen die dritte Generation Fachleute bemüht.

"Denkmäler sind von Menschen geschaffene Sachen oder Teile davon aus vergangener Zeit, deren Erhaltung wegen ihrer geschichtlichen, künstlerischen, städtebaulichen, wissenschaftlichen oder volkskundlichen Bedeutung im Interesse der Allgemeinheit liegt."

Bayerisches Denkmalschutzgesetz Artikel 1.1

Zum Beispiel ... Egon Greipl über zwei neue Denkmäler in München

Beispiel: Tantris

"Denkmäler stehen mitten in unserem Leben. Auch dann, wenn es um das leibliche Wohl geht! Ohne seine Spitzenküche gäbe es kein Tantris, und genauso wenig gäbe es ein Tantris ohne seine Architektur: innen und außen. Das Tantris entstammt einer vergangenen Epoche; es besitzt hohe geschichtliche, sozialgeschichtliche und baukünstlerische Bedeutung. Deshalb ist das Tantris seit September 2012 Denkmal und steht in der bayerischen Denkmalliste."

Beispiel: Olympiapark

"Oder nehmen Sie den Olympiapark. Seit 40 Jahren prägt der Olympiapark das Bild Münchens weltweit. Münchens einziges Denkmal, das Weltarchitektur ist. Ein sehr gutes Beispiel, welche Strahlkraft ein Denkmal haben kann. Der Olympiapark hat für München einen ähnlichen Symbolwert wie der Eiffelturm für Paris oder die Oper für Sydney."

Heyse: geschützt. Deml: auf der roten Liste

Und wie steht's mit der Heyse-Villa und dem Harlachinger Kaffee? Im Fall der Heyse-Villa ist die Auskunft der Denkmalschützer eindeutig: "Der Schutz-Status der Villa stand nie in Zweifel, steht nicht in Zweifel und wird nicht in Zweifel gezogen werden." Das sagt auch ein Blick auf den "Bayern Viewer" des BLfD. Das "Kaffeemühlenhäuschen" dagegen ist nicht auf der Karte - und hat beim Denkmalschutz wohl auch eher schlechte Karten: Ähnlich schmucke Häuschen mit Fensterläden gibt es in München nicht viele, aber doch noch einige. Letzte Hoffnung für den Stadtteil-Treffpunkt: Die Stadt könnte die Erhaltungssatzung anwenden und das Gebäude unter Bestandsschutz stellen.

Der Bayern Viewer Denkmal

Die Heyse-Villa im Bayern Viewer

Der Bayern Viewer ist eine etwas gewöhnungsbedürftige interaktive Karte des BLfD, auf der sämtliche aktuell erfassten Denkmäler im Freistaat zu sehen und beschrieben sind. Alternativ gibt die Denkmalliste Auskunft. Wer ein Gebäude für denkmalschutzwürdig hält, das nicht auf der Liste steht, kann sich direkt an das Landesamt wenden: poststelle@blfd.bayern.de


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